BERLIN. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will jetzt zügig die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Grundschullehrer und Kita-Betreuer schneller geimpft werden als bislang geplant. Dies kündigte er am Freitag an. Damit setzt sich Spahn über das Votum der Ständigen Impfkommission hinweg. Mit Sorge blickt der Minister auf die Öffnung der Kitas und Grundschulen in der kommenden Woche.
Hinter den Kulissen hatte sich die Entscheidung bereits angekündigt – wie News4teachers berichtete. Spahn sagte nun, er wolle über das Thema Impfen von Erziehern und Grundschullehrern zeitnah mit den Ländern besprechen, es zeichne sich ein Konsens ab: »Dann werden wir die Verordnung zügig ändern können.«
Auf dem jüngsten Bund-Länder-Gipfel war ein Auftrag an den Bundesgesundheitsminister gestellt worden, er solle prüfen, ob Grundschullehrer und Erzieher in der Priorisierung der Impfungen nach vorne rücken könnten. Nach der aktuellen Corona-Impfverordnung sind Erzieher und Lehrkräfte erst in der dritten Gruppe (erhöhte Priorität) an der Reihe. Lehrer an weiterführenden Schulen werden dort auch verbleiben. Spahn hatte umgehend klargemacht, dass er für sie keine Änderung vornehmen will – zuvor wollte er die Priorität überhaupt nicht ändern.
“Infektionsrisiken von Erziehern und Grundschullehrkräften sind nicht so leicht zu minimieren”
Spahn erklärte jetzt allerdings, von Erziehern und Grundschullehrkräften seien tatsächlich Infektionsrisiken durch Abstandhalten oder Hygienemaßnahmen nicht so leicht zu minimieren wie bei anderen. Wenn die Verordnung geändert worden sei, »müssen die Länder nach ihrem Impffortschritt entscheiden, wann sie in den nächsten Wochen damit beginnen«, erklärte der Minister. Voraussetzung sei, dass die Menschen aus der ersten Gruppe, zu der Menschen ab 80 Jahre gehören, ein Impfangebot erhalten haben.
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hatte zuvor schnellere Corona-Schutzimpfungen für Lehrer und Erzieher gefordert. Wenn die Priorisierung von Bildung ernst gemeint sei, müssten Lehrer, das Kita-Personal und andere Beschäftigte an den Schulen «in der Impf-Priorität weiter nach oben rücken», sagte Prien am Freitagmorgen mit Blick auf die Öffnung von Grundschulen und Kitas in der kommenden Woche. Die Landesregierung setze auf eine bundesweite Lösung. Dann könnten Lehrer und Erzieher «relativ bald, auch im März schon» Impfungen erhalten.
Spahn: Die Öffnungen der Kitas und Grundschulen wird «Mobilität in sehr großem Umfang» auslösen
Spahn ließ erkennen, dass er die Öffnungen von Grundschulen und Kitas gleichwohl mit Sorge betrachtet. Dies löse «Mobilität in sehr großem Umfang» aus, sagte der CDU-Politiker am Freitag in Berlin. Dann seien jeden Tag viele Millionen Kinder auf dem Weg, dazu Eltern, Lehrkräfte und Erzieherinnen. Daher sei es wichtig zu schauen, wie sich dies nach einer Woche oder zehn Tagen im Infektionsgeschehen niederschlage.
So gern man beim Weg aus dem Corona-Lockdown ein Vorgehen nach dem Motto «Schritt eins, eine Woche später Schritt zwei» hätte, sei dies aber nicht möglich, machte Spahn deutlich. «Der Automatismus geht nicht. Wir müssen schauen, was Schritt eins mit sich bringt, ob wir es weiterhin unter Kontrolle behalten oder ob wir dann lieber mit Schritt zwei warten.»
Bei der Aufnahme des Präsenzbetriebs in Schulen komme es auf Konzepte etwa mit Wechselunterricht und Abstand an, betonte Spahn. Nicht alle Bundesländer beachten das: Sachsen zum Beispiel hat bereits seine Kitas und Grundschulen geöffnet – ohne Wechselunterricht und/oder Abstandsregel. Thüringen, das bereits wieder einen steigenden Inzidenzwert verzeichnet, plant ebenfalls den Betrieb von Kitas und Grundschulen in voller Präsenz.
Große Mehrheit der Bürger spricht sich dafür aus, Erzieher und Lehrer möglichst früh zu impfen
Eine große Mehrheit der Deutschen hat sich dafür ausgesprochen, Lehrer und Erzieher bei den Corona-Impfungen zu bevorzugen. Das geht aus einer Umfrage der Meinungsforscher von YouGov Deutschland hervor. Demnach fänden es 36 Prozent der Befragten «angemessen» und 37 Prozent «eher angemessen», wenn Lehrer und Erzieher einen Vorzug erhielten. Lediglich 15 Prozent sprechen sich gegen eine Priorisierung aus – 6 Prozent halten einen möglichen Vorzug für «unangemessen», 9 Prozent für «eher unangemessen». 12 Prozent der Befragten machten keine Angabe.
Der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hatte am Dienstag noch erklärt, er sehe keinen Grund, Lehrer bevorzugt zu impfen. «Die Stiko hat ihre Empfehlung auf die Auswertung internationaler Daten und auch die Meldedaten aus Deutschland gegründet. Daraus ergibt sich keine Notwendigkeit, die Lehrer jetzt abweichend von der Empfehlung vorzuziehen», sagte Mertens. Lehrer mit entsprechendem Alter und solche mit besonderen Vorerkrankungen würden ja bereits auf dieser Grundlage priorisiert.
«Die Stiko-Empfehlungen sind aber Empfehlungen, und die politischen Entscheidungsträger können und dürfen von dieser Empfehlung abweichen. Die Begründung für eine geänderte Vorgehensweise muss dann allerdings auch von diesen politischen Entscheidungsträgern kommen», erklärte Mertens weiter. Die hat Bundesgesundheitsminister Spahn dann heute geliefert. News4teachers / mit Material der dpa
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