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Brutale Schulpflicht in der Pandemie: Lehrerin, an chronischem Krebs erkrankt, muss ihr Kind zum Präsenzunterricht schicken

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DÜSSELDORF. Darf der Staat Kinder in die Schule zwingen, wenn er dort die Gesundheit nicht gewährleisten kann? Kein Einzelfall: Die Kinder von chronisch Kranken müssen in den Präsenzunterricht – und werden damit zum Risiko für ihre Eltern. Und eine Impfung ist für Betroffene noch allzu oft nicht in Sicht. Uns hat der folgende Bericht einer krebskranken Lehrerin aus NRW erreicht, der wir – stellvertretend für viele Betroffene – Gehör verschaffen möchten. Um die Familie zu schützen, halten wir die Namen geheim. Sie sind der Redaktion bekannt.

Bedrohliche Lage: Die Schulpflicht ist für Risikofamilien ein echtes Problem. Foto: Shutterstock

Ich bin Mutter eines neunjährigen, glücklicherweise kerngesunden Sohnes, habe eine Mutter mit Parkinson im Pflegeheim und einen dementen Vater ebenda. Das Pflegeheim meiner Mutter ist jetzt ein zweites Mal wegen einer Infektionswelle geschlossen. Zudem bin ich Lehrerin an einer Realschule in Nordrhein-Westfalen – und bin an einem chronischen Krebs erkrankt. Dennoch bin ich wie alle Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden Schulen und viele Hochrisikopatienten nur in Impfgruppe drei eingestuft.

Somit sind wir eine Hochrisikofamilie und fühlen uns der Pandemie nahezu schutzlos ausgesetzt. Die einzige Hilfe ist die Selbstisolation, die aber grundsätzlich nicht mit der Präsenzpflicht an Schulen vereinbar ist.

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Wir sitzen also zwischen allen Stühlen und verspüren täglich zunehmenden Druck wegen der unserer Meinung nach völlig verfehlten Corona-Politik des Bundes und des Landes und haben wirklich Angst, dass etwas Schlimmes bis zu den Impfterminen passiert, die sich noch hinziehen werden und für Kinder in den Sternen stehen. Um unsere Verzweiflung darzustellen, habe ich mal etwas aufgeschrieben:

Mein Sohn ist über die Gefahren einer Corona-Infektion und die möglichen Folgen einer Covid19-Erkrankung im Bilde. Er ist für sein Alter auch sehr umsichtig und vernünftig, so dass er immer auf die Dinge achtet, die er selbst beeinflussen kann (FFP2-Kindermasken tragen, lüften, Abstand halten, Finger waschen), um sich nicht zu infizieren. Auch möchte er seine Großeltern und mich als Teil der Hochrisikogruppe nicht anstecken. Er ist auch immer eifrig beim unterirdischen Grundschul-Fernlernen (kopierte Arbeitsblätter wurden montags in Kisten auf dem Schulhof zur Abholung gestellt; von digitalem Lernen keine Spur) gewesen. Unser Kleiner hatte aber natürlich auch größere „Motivationsdellen“ und zwischendurch überhaupt keine Lust mehr, was auch verständlich ist. Eigentlich wollte er viel lieber in die Schule gehen, dort lernen und seine Freunde sehen. Er sieht aber ein, dass es aufgrund des Infektionsgeschehens wichtig war, zu Hause zu bleiben. Sichere Bedingungen an seiner Schule wären der Schlüssel gewesen.

Unser Sohn möchte nun lieber wieder zu Hause bleiben, weil er sich in der Schule nicht sicher fühlt!

Jetzt waren die Grundschulen bis zu den Osterferien im Wechselunterricht wieder geöffnet – und es besteht Präsenzpflicht, sicher auch nach den Ferien. Mit einem ganz mulmigen Gefühl im Bauch haben wir unseren Sohn in die Schule geschickt. Er freute sich natürlich, seine Freunde nach so langer Zeit wieder zu sehen. Wieder zu Hause war er geschockt und verstand die Welt nicht mehr: Er erzählte von Lehrern, die die Maske nicht korrekt trugen, von Mitschülern, die ständig Blödsinn mit ihrer Maske machten und sich das Frühstück teilten, von stundenlang nicht geöffneten Fenstern (Sturzgefahr) und von der Ankündigung unzähliger Klassenarbeiten und Tests, die direkt in den ersten beiden Wochen stattfinden sollten. Auch ist es so, dass fast alle anwesenden Schülerinnen und Schüler während der gesamten Zeit seit Mitte Dezember ohne Schutzmaßnahmen in der Notbetreuung waren. Er fühlte sich sehr unwohl und unter Druck gesetzt! Wir haben ihn noch nie so ängstlich und deprimiert gesehen.

Uns wurde nun wirklich schlecht! Ohne ein verpflichtendes Testungskonzept an Schulen, ohne Impfungen, ohne Luftfilter und ohne ein durchsetzbares Hygienekonzept wird unser Sohn also in die dritte Welle mit dominierenden und gefährlicheren Mutationen bei stark steigenden Inzidenzen, gerade im Kita- und Grundschulbereich, gezwungen! Die Horrornachrichten über LongCovid-Fälle bei Kindern und Jugendlichen, sowie die Warnungen des RKI und weiterer Expert*innen werden von der Landesregierung ignoriert und Kreisen mit sehr hohen Inzidenzen werden Schulschließungen von Frau Gebauer untersagt während unser MP Inzidenzen als eher unwichtig bezeichnet. Und das Ganze für ein paar Tage Pseudo-heile-Welt!! Obendrauf kommt dann noch verstärkter Leistungsdruck, weil die Schulleiterin Leistungen bis zu den Osterferien einfordert, damit schriftliche benotete Ergebnisse wegen der drohenden nächsten Fernlernphase nach den Osterferien vorliegen.

Die Kinder sind Opfer eines rücksichtslosen, nicht mehr nur fahrlässigen Öffnungswahns!

Unser Sohn möchte nun lieber wieder zu Hause bleiben, weil er sich in der Schule nicht sicher fühlt! Wir als Eltern möchten das auch und denken nun immer von Tag zu Tag an den Horror der Präsenzpflicht. Ein Schulboykott hätte für mich als verbeamtete Lehrerin gravierende Folgen und die Grundschul-Schulleitung würde sofort das Jugendamt einschalten und rechtliche Schritte einleiten.

Diese Situation verursacht Depressionen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen! Sie sind Opfer eines rücksichtslosen, nicht mehr nur fahrlässigen Öffnungswahns! Ich möchte nicht, dass mein Sohn Opfer ist!

Als „Hochrisikolehrerin“ habe auch ich meine Probleme mit dem Präsenzunterricht. Ich möchte vor allem meine Zehntklässler durch ihre Abschlussprüfungen begleiten und auch meine weiteren Schülerinnen und Schüler unterrichten.

Glücklicherweise haben wir an meiner Schule, und da möchte ich ein Kompliment an alle Beteiligten (zu denen nicht der Schulträger, geschweige denn die Bezirksregierung oder das Ministerium gehören) aussprechen, ein funktionierendes Fernlernsystem auf Basis des Regelstundenplans. Es gab bei uns keine Ausfälle oder Defizite. Alle Schülerinnen und Schüler sind in den Videostunden am Bildschirm präsent und ansonsten auch erreichbar. Auch funktioniert der Einsatz von Medien deutlich besser als im Präsenzunterricht. Alle waren demnach grundsätzlich mit der Fernlernsituation zufrieden und vor allem auch froh, dass sich das Infektionsrisiko so deutlich reduziert hatte.

Jetzt wurden wir in die Präsenz gezwungen, im Wechselmodell jedenfalls. Nahezu die gesamte Schulgemeinschaft kann diesen Schritt aus den oben genannten Gründen bei einem funktionierenden Fernlernsystem nicht nachvollziehen. Meine Schülerinnen und Schüler haben auch große Angst und fühlen sich „verarscht“, vor allem mein Abschlussjahrgang, der nach Auffassung aller Beteiligten gut vorbereitet in die Prüfung gehen kann.

Denn auch sie durchschauen größtenteils das böse Spiel der Frau Gebauer und möchten keine durchseuchten Versuchskaninchen sein, deren Infektionsrisiko trotz Wechselunterrichts in vollen Bussen und engen Gängen deutlich steigt. Die nicht geimpften Kolleginnen und Kollegen an weiterführenden Schulen fühlen ebenso.

Unser Sohn aus einer Hochrisikofamilie wird wegen fadenscheiniger Kindeswohlargumente von Lobbyistengruppen und lauten Schreihälsen sowie kruden, längst widerlegten Thesen zum Infektionsgeschehen bei Kindern von einer völlig empathielosen und inkompetenten Bildungsministerin in die Durchseuchung mit unabsehbaren Folgen gezwungen! Ohne Rücksicht auf die warnenden Worte der überwältigenden Mehrheit der Virologen zieht die KMK mit ihren Mitgliedern die Schulöffnungen durch! Die hierbei vielzitierten „Rechte der Kinder“ und das „Kindeswohl“ spielen für die KMK eigentlich keine Rolle, denn weder die unantastbare Menschenwürde noch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit werden bei den „Planungen“ und Erwägungen berücksichtigt, und das Recht auf Bildung, das ja durch den Fernunterricht gewährleistet sein sollte, ist im Vergleich der oben genannten Rechte nachrangig. Ein Recht auf Präsenzunterricht gibt es nicht. Gleichzeitig wird seit einem Jahr nichts für die Infektionssicherheit und die Verbesserung der Infrastruktur des Distanzlernens getan. Es ist zum Kotzen!

Wie schaffen wir es als Familie bis zu den Impfungen durchzuhalten, ohne dass sich jemand infiziert?

Seitdem Frau Gebauer die Präsenzpflicht für Abschlussklassen und Grundschulen wieder eingeführt hat, dreht sich für uns trotz der vielfältigen weiteren Verpflichtungen alles nur um die Frage: Wie schaffen wir es als Familie bis zu den Impfungen durchzuhalten, ohne dass sich jemand infiziert und langfristige Schäden davonträgt oder gar stirbt? Wie können wir unserem Sohn vermitteln, dass wir alles tun müssen, um eine vielleicht tödliche Infektion zu vermeiden, und ihn trotzdem zur Schule schicken müssen? Was sind wir für Eltern, die ihr Kind in die lebensbedrohliche Durchseuchung schicken? Wie soll ich meinem Sohn erklären, dass meine Eltern und ich als Hochrisikopatienten eigentlich keinen körperlichen Kontakt zu ihm haben dürfen, weil er uns anstecken könnte?

So entsteht Leid, so entstehen Depressionen bei allen Beteiligten. Hinzu kommen die fatalen Fehler in der Impf- und Teststrategie, die erhöhte Gefahr durch weitere Mutationen und die Ignoranz vieler Menschen, die die Stimmung wirklich nicht aufhellen! Wie sagte ein Schüler letzte Woche: „Ich habe keinen Bock mehr auf die ganzen Kackentscheidungen von der Schulministerin. Sie zerstört unser Leben, und das ganz real“!

Nur ein Aussetzen der Präsenzpflicht und eine angemessene Corona-Aufklärung der Kinder und Jugendlichen, sowie eine NoCovid-Strategie können wie Antidepressiva für Kinder und Erwachsene wirken!

Präsenzpflicht

Die Regelung zur Präsenzpflicht in Nordrhein-Westfalen sieht im geschilderten Fall so aus:

“Sofern eine Schülerin oder ein Schüler mit einem Angehörigen – insbesondere Eltern, Großeltern oder Geschwister – in häuslicher Gemeinschaft lebt und bei diesem Angehörigen eine relevante Erkrankung, bei der eine Infektion mit SARS-Cov-2 ein besonders hohes gesundheitliches Risiko darstellt, besteht, sind vorrangig Maßnahmen der Infektionsprävention innerhalb der häuslichen Gemeinschaft zum Schutz dieser Angehörigen zu treffen.

Die Nichtteilnahme von Schülerinnen und Schülern am Präsenzunterricht kann zum Schutz ihrer Angehörigen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen und nur vorübergehend in Betracht kommen. Dies setzt voraus, dass ein ärztliches Attest des betreffenden Angehörigen vorgelegt wird, aus dem sich die Corona-relevante Vorerkrankung ergibt.

Eine Entbindung von der Teilnahme am Präsenzunterricht kommt vor allem dann in Betracht, wenn sich die oder der Angehörige aufgrund des individuellen Verlaufs ihrer oder seiner Vorerkrankung vorübergehend in einem Zustand erhöhter Vulnerabilität befindet. Die Verpflichtung der Schülerinnen und Schüler zur Teilnahme am Distanzunterricht und zur Teilnahme an Prüfungen bleibt bestehen. Diese Grundsätze gelten ebenso bei Anträgen auf Entbindung von der Teilnahme am Präsenzunterricht.” Ein chronischer Krebs, wie im geschilderten Fall, ist eben nicht vorübergehend – und scheidet deshalb aus.

Quelle: https://www.schulministerium.nrw/themen/schulsystem/angepasster-schulbetrieb-corona-zeiten

Schulpflicht in der Pandemie: Eltern bangen um das Leben ihres kleinen Sohnes – Gerichtsbeschluss zwingt Familie, sich zu trennen

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