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Studie: Lehrpläne zeigen zu negatives Bild von Migration und Integration

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DRESDEN. Lange Zeit war der Begriff „Einwanderungsland“ in Deutschland als politisches Schlagwort heftig umstritten. Doch auch wenn sich die Wogen in einem, der UN zufolge, weltweit beliebtesten Einwanderungsländer einigermaßen geglättet haben: Die Lehrpläne halten mit der Entwicklung nicht Schritt.

Die Gesellschaft ist heterogen, auch schon in der Schule – die Lehrpläne spiegeln das nicht. Foto: Shutterstock

„Lehrpläne besitzen eine Rahmenfunktion, geben Kompetenzen und Ziele vor und leiten schulische Praxis an.“ So steht es in einer neuen Studie des Dresdner Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM). Dieser zentralen Rolle entsprechend sollten die Lehrpläne mithin auch möglichst der gesellschaftlichen Realität adäquat angepasst sein. Bei den Themen Migration und Integration scheint dies aber nur bedingt der Fall, zeigt die Studie, erstellt im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Annette Widmann-Mauz.

Beide Themen hätten zwar in den Lehrplänen deutscher Schulen Eingang gefunden, spiegeln allerdings die Realität der deutschen Einwanderungsgesellschaft nicht angemessen wider. Zentrale Etappen der jüngeren deutschen Migrationsgeschichte fänden nur selten Erwähnung – von der Gast- und Vertragsarbeiteranwerbung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts über die Zuwanderung von sog. Spätaussiedlern bis hin zur Fachkräftemigration. Dagegen würden Migrationsphänomene oft mit krisenhaften Entwicklungen wie Flucht und Vertreibung verknüpft. Damit stehe aber die Darstellung der Migration und Integration in den Lehrplänen nicht im Zeichen gesellschaftlicher Normalität. Auch migrationsbedingte Vielfalt und Fragen nach Identität und Zugehörigkeit würden nur selten thematisiert.

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„Migrationsbedingte Vielfalt ist längst Bestandteil unserer gesellschaftlichen Normalität“ – auch in den Schulen

Für Hans Vorländer eine unbefriedigende Situation, denn bei der Bildung in einer vielfältigen Gesellschaft gehe es gerade auch um die Sichtbarmachung individueller und kollektiver Migrationsgeschichten. „Migrationsbedingte Vielfalt ist längst Bestandteil unserer gesellschaftlichen Normalität“, so der MIDEM-Direktor. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit einer familiären Einwanderungsgeschichte, auch aus den Staaten der Europäischen Union, wachse beständig.

Eine Sichtweise, die auch Integrationsstaatsministerin Widmann-Mauz teilen kann: „Ein Viertel der Menschen in Deutschland hat eine Einwanderungsgeschichte. Diese Vielfalt gehört schon längst zum selbstverständlichen Alltag in den Schulen und Klassenzimmern.“ Wichtig sei daher, dass diese Vielfalt mit all ihren Chancen und Herausforderungen auch im Schulunterricht und in den Lehrmaterialien zum Thema gemacht werde.

Um dies zu erreichen, empfehlen die Studienautorinnen und -autoren, Migration, Vielfalt und Integration in den Lehrplänen explizit und auf der Ebene der prüfungsrelevanten Sachinhalte zu verankern. Sichergestellt werden sollte außerdem eine Einbindung von Lehrkräften mit Migrationsgeschichte sowie von migrationspädagogischen Fachdidaktikern in den Prozess der Überarbeitung von Lehrplänen. Die Lehrplankommissionen der Länder sollten sich dabei bundesweit vernetzen und stärker in den Erfahrungsaustausch gehen.

Im Rahmen der Studie führten die MIDEM-Wissenschaftler eine umfassende Bestandsaufnahme der Lehrpläne durch. Hierfür wurden die Fächer Geographie, Geschichte und Politik/Gemeinschaftskunde der Klassenstufen sieben bis zehn der Länder Bayern, Berlin und Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, sowie die Schulgesetze und einschlägigen Beschlüsse der Kultusministerkonferenz analysiert. Darüber hinaus wurden leitfadengestützte Interviews mit ausgewählten Expertinnen und Experten der Lehrplanentwicklung und der Lehrkräftefortbildung und mit Lehrkräften durchgeführt. Die Ergebnisse der Interviews seien nicht repräsentativ, gäben jedoch dennoch Einsicht in die unterschiedlichen Perspektiven auf Lehrpläne.

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