BERLIN. Nach dem Astrazeneca-Impfstopp für Menschen unter 60 Jahren warnt der Verband Bildung und Erziehung (VBE) vor Problemen bei der Öffnungsstrategien der Schulen. «Die sich abzeichnende Perspektive, dass vielerorts den Lehrkräften ein Impfangebot gemacht werden kann, entpuppt sich damit als Fata Morgana», sagte VBE-Chef Udo Beckmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. In Berlin wurden bereits die 40.000 Beschäftigten der weiterführenden Schulen in der Impfreihenfolge zurückgestuft, wie der “tagesspiegel” berichtet.
Mitte vergangener Woche berichtete die “Berliner Zeitung” noch davon, dass – nachdem für Grundschullehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sowie Angestellte in der Kindertagespflege bereits detaillierte Impfpläne vorlägnen – in der Bundeshauptstadt endlich auch die Lehrkräfte der weiterführenden Schulen drankämen. “Die Senatsverwaltung für Bildung bereitet derzeit die Impf-Einladungen für Lehrkräfte an weiterführenden Schulen vor, sie sollen zu Beginn der Osterferien an die Schulen verschickt werden. Das Angebot: Wer will, kann sich in den Osterferien impfen lassen.”Geimpft werden sollte auch über die Osterfeiertage – vor allem mit Astrazeneca.
Dass die betroffenen Lehrkräfte bereits ihre Impfcodes zugeschickt bekommen haben, spielt keine Rolle
Damit ist jetzt Schluss. Bund und Länder entschieden am Dienstag, den Impfstoff von Astrazeneca in der Regel nur noch für Menschen über 60 einzusetzen. Bei 2,7 Millionen verabreichten Astrazeneca-Dosen waren 31 Verdachtsfälle einer Hirnvenenthrombose gemeldet worden. Davon verliefen neun Fälle tödlich. Experten vermuten, dass das sehr geringe Risiko nur junge Menschen betrifft. Für die Lehrer an weiterführenden Schulen hat das Konsequenzen: Sie wurden in Berlin wieder in die Impfpriorität 3 zurückgestuft – und damit in eine unklare zeitliche Perspektive.
Der nur noch eingeschränkt mögliche Einsatz von Astrazeneca lasse keine andere Wahl, hieß es bei der Senatsverwaltung für Gesundheit. Dass die betroffenen Lehrkräfte ja bereits ihre Impfcodes zugeschickt bekommen haben, spielt dabei keine Rolle. “Bei dieser Gruppe gibt es eine Abfrage im Buchungsprozess. Darin werden die Betreffenden gebeten, aus Fairnessgründen gegenüber den chronisch Kranken und älteren Personen, sich erst um einen Impftermin wieder zu bemühen, wenn sie im Rahmen der Priorität 3 dazu öffentlich aufgerufen werden”, so heißt es in einer Pressemitteilung des Senats. Die “Bitte” hat verbindlichen Charakter, wie unmissverständlich deutlich gemacht wird. “Dies wird an der Registrierung im Impfzentrum kontrolliert, um Umgehungsversuche zu verhindern.”
VBE-Chef Beckmann sieht von dieser Entscheidung die Schulöffnungen nach den Osterferien berührt. Es könne von ungeimpften Lehrkräften nicht verlangt werden, «sehenden Auges und vollen Risikos im Hochinzidenzgebiet Präsenzunterricht zu machen», sagte er. Die Politik dürfe die Antwort nicht schuldig bleiben, welche zusätzlichen Maßnahmen sie ergreifen wolle, um alle ausreichend zu schützen.
Mit einer ersten Astrazeneca-Dosis geimpfte Menschen unter 60 Jahren – betroffen sind bundesweit Zehntausende von Grundschullehrern und Erzieher – sollen nach einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für die zweite Impfung auf einen sogenannten mRNA-Impfstoff umsteigen. Das steht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschlussentwurf der Stiko. In Deutschland sind momentan die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna zugelassen. Das Astrazeneca-Präparat ist ein sogenannter Vektorimpfstoff.
“Man muss noch wissenschaftlich klären, wie gut der Schutz dann beim Menschen ist”
Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens sagte dem «Spiegel», über das Risiko bei zweimaliger Impfung mit dem Astrazeneca-Mittel könne man derzeit nur spekulieren, da erst wenige Menschen beide Spritzen erhalten hätten. «Der naheliegende Ausweg ist aus meiner Sicht, es gar nicht zu probieren, sondern zur Sicherheit eben als Alternative einen RNA-Impfstoff zu geben.» In Tierexperimenten habe sich gezeigt, «dass die Immunreaktion nach heterologer (zweiter) Impfung gleich ausfällt. Man muss noch wissenschaftlich klären, wie gut der Schutz dann beim Menschen ist. Ich hoffe, dass dazu bald Daten vorliegen.»
Nach wie vor unklar ist, ob Geimpfte andere anstecken können oder nicht. «Es ist unerträglich, dass diese Schlüsselfrage immer noch nicht von der Bundesregierung beantwortet wird», sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. «Das RKI als oberste Pandemie-Behörde muss endlich für Klarheit sorgen, ob Geimpfte infektiös sind oder nicht.» Ohne amtliche Bestätigung seien Angaben von Impfstoff-Herstellern praktisch wertlos. Zuletzt weckte eine Studie aus den USA die Hoffnung, dass mit den Vakzinen von Pfizer/Biontech und Moderna geimpfte Menschen in den meisten Fällen keine Dritten mehr anstecken können und Infektionsketten so unterbrochen werden. News4teachers / mit Material der dpa
Astrazeneca-Krise – rücken Erzieher und Lehrer jetzt wieder nach hinten?