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Abitur-Klausuren: Schülervertretung spricht von einem “Desaster” – und fordert Abschlüsse auf Wunsch auch ohne Prüfungen

DÜSSELDORF. Die Vertretung der Schülerinnen und Schüler (LSV) in Nordrhein-Westfalen hat von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ein coronabedingtes Wahlrecht bei der Benotung der Abschlussprüfungen gefordert. Die Schülerinnen und Schüler müssten wählen dürfen, ob die Prüfungsergebnisse gewertet werden oder die Durchschnittsnoten aus den vorher erbrachten Leistungen vergeben werden, verlangte die LSV. Zudem müssten die Bewertungsgrundlagen der Klausuren an die Lernlücken angepasst werden. In den vergangenen Tagen hatte es heftige Kritik unter anderem an den Mathematik-Aufgaben im Abitur gegeben. Die Schülervertretung sprach von einem „Desaster“.

In der Kritik: NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Foto: Land NRW

«Am Beispiel des Abiturs sehen wir nun, was vorher klar war: nach mehr als einem Jahr Pandemie, Isolation und langen Schulschließungen saßen viele Schüler*innen in Abschlussprüfungen vor Aufgaben, die sie nicht schaffen konnten», kritisierte Timon Nikolaou, Mitglied im Vorstand der LSV. Die Zeit sei zu kurz, und die Aufgaben seien zu anspruchsvoll gewesen.

Was nicht außer Acht gelassen werden dürfe, sei ein  „massiver psychischer Stress, der insbesondere in der Krise durch Abschlussprüfungen geschaffen wird. Auch außerhalb der Krise sind viele Schüler*innen durch den schulischen Leistungsdruck psychisch krank geworden. Nach einem Jahr Pandemie und Unterrichtsausfällen ist das nicht besser geworden“, stellt die Landesschüler*innenvertretung fest. Das Schulministerium habe keine angemessenen Anpassungen der Schulabschlüsse vorgenommen. Probleme bei einzelnen Prüfungen hätten die Situation verschärft.

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So wurde in der Abiturprüfung im Fach Englisch ein Text von Farhad Manjoo, einem Kolumnisten der New York Times, verwendet, der nach Aussage des Autors selbst „viele Wörter, die für Nicht-Muttersprachler schwerer zu verstehen sind“, enthalte. Tatsächlich war Manjoo im Anschluss an die Prüfung nach eigenen Angaben von Zuschriften deutscher Schüler überrollt worden. Ihm werde entweder für die Vorlage zu einer erhofften guten Note gedankt – oder er werde fürs «Ruinieren» des weiteren Lebens verantwortlich gemacht, so twitterte er.

Unter dem Tweet entspann sich sofort eine Diskussion über Passagen des Textes. So klagten viele Betroffene, dass der Artikel komplizierte Vokabeln enthalten habe. Zum Teil wurden auch konkrete Nachfragen gestellt. Die Kolumne hatte den Bau von Einfamilienhäusern problematisiert. Die anderen Themen-Vorschläge der Klausur waren der LSV zufolge „ebenso unfair gewesen, sodass der größere Aufgabenpool keine Hilfe darstellte“.

„Das Matheabitur war im Kontext der Coronapandemie unverhältnismäßig”

Massive Beschwerden gibt es auch zur Grundkurs-Klausur im Fach Mathematik – die Zeit sei zu kurz gewesen und die Aufgaben zu anspruchsvoll, so heißt es. Schülerinnen und Schüler haben zwei Petitionen im Netz gestartet, um neue Klausuren oder eine besssere Bewertung zu fordern. „Das Matheabitur war im Kontext der Coronapandemie unverhältnismäßig. Anstatt die Anforderungen an eine weltweite Pandemie anzupassen, waren die Erwartungen höher als in den letzten Jahren”, meint nun Thomas Niebuer, ebenfalls Mitglied im Landesvorstand der LSV.

Das Schulministerium hat in einer Stellungnahme eingeräumt, dass es “Veränderungen” bei der Aufgabenstellung gegeben hat, wie News4teachers aktuell berichtet. Die Anforderungen seien jedoch nicht erhöht worden, so heißt es.

Zudem, so monieren die Schülervertreter, sei es zu coronabedingten organisatorischen Schwierigkeiten gekommen: In Erftstadt beispielsweise hätten 106 Schülerinnen und Schüler die Abiturprüfung in Englisch nicht mitschreiben können, da sie in Quarantäne festsaßen. Andererseits riskiert die Landesregierung der Kritik zufolge mit dem Aussetzen der Testpflicht für die Abiturientinnen und Abiturienten, dass das Infektionsgeschehen während der Prüfungen weiter angeheizt wird. „Die Gesundheit der Mitschüler*innen und Lehrer*innen wird so aufs Spiel gesetzt, für Abschlussprüfungen, die nicht hätten stattfinden sollen”, sagt Nikolaou.

„Neben der Anpassung der Erwartungshorizonte sollte auch die Punktetabelle zur Zuordnung der Noten angepasst werden“

Die LSV fordert nun, „dass alle Schüler*innen in Abschlussklassen die Möglichkeit bekommen, im Nachhinein zwischen einem Durchschnittsabschluss und der Wertung ihrer Abschlussprüfungen wählen zu können. Schulabschlüsse sollen also auf Wunsch der Schüler*innen auf Grundlage von Durchschnittsnoten aus den vorher erbrachten Leistungen vergeben werden”. Darüber hinaus fordern die Schülerinnen und Schüler, dass Bewertungsgrundlagen der Klausuren an die Lernlücken der Schüler*innen angepasst werden: „Neben der Anpassung der Erwartungshorizonte sollte auch die Punktetabelle zur Zuordnung der Noten angepasst werden.“ News4teachers / mit Material der dpa

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