BERLIN. Ferienstreit, vergleichbare Abi-Aufgaben, Lernbedingungen und Abschlüsse – diese und andere Herausforderungen des deutschen Bildungssystems will die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) künftig mit Hilfe eines neuen Expertengremiums besser bewältigen. Die KMK setzte dafür nun eine «Ständige wissenschaftliche Kommission» ein und berief 16 Mitglieder. Es handelt sich um Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen, etwa aus den Bereichen Sprachförderung, frühkindliche Bildung, Berufsbildungsforschung oder Schulpädagogik.
Ihre Aufgabe soll es nach KMK-Angaben sein, die Länder in Fragen der Weiterentwicklung des Bildungswesens zu beraten. Es gehe dabei um die «Sicherung und Entwicklung der Qualität», die «Verbesserung der Vergleichbarkeit des Bildungswesens» und um Strategien «zu für die Länder in ihrer Gesamtheit relevanten Bildungsthemen». «Grundlage der Arbeit der Ständigen wissenschaftlichen Kommission wird ein im Dialog mit der Kultusministerkonferenz abgestimmtes Arbeitsprogramm sein. Vorschläge hierfür können sowohl aus der Mitte der Ständigen wissenschaftlichen Kommission als auch von der Kultusministerkonferenz kommen», so heißt es.
Streit gibt es schon zum Auftakt: Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU) kritisierte, dass es keinen Vertreter der neuen Länder in dem Gremium gibt. «Sachsen-Anhalt hat heute den Vorschlag zur Besetzung der ständigen wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz abgelehnt», erklärte der Minister. «Im 31. Jahr der Deutschen Einheit ist es nicht zu akzeptieren, dass angeblich kein Wissenschaftler aus den neuen Ländern die Kriterien erfüllen könne. Dass nicht alle neuen Bundesländer den Vorschlag abgelehnt haben, ist für mich völlig unverständlich.»
Ursprünglich war die Einrichtung eines «Nationalen Bildungsrates» unter Beteiligung des Bundes geplant
Das Gremium mit dem sperrigen Kürzel „StäWiKo“ hat eine lange Vorgeschichte: Ursprünglich war die Einrichtung eines «Nationalen Bildungsrates» unter Beteiligung des Bundes geplant, um die 16 deutschen Bildungssysteme, für Bildung ist jedes Bundesland selbst zuständig, besser aufeinander abzustimmen. Hintergrund war unter anderem die Dauerdebatte über die Vergleichbarkeit des Abiturs und der immer wiederkehrende Streit über die Sommerferienplanung. Bayern und Baden-Württemberg waren nach langen Beratungen aber aus dem Vorhaben ausgestiegen, weil sie zu viel Einfluss aus Berlin auf ihre Bildungspolitik befürchteten.
Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) erinnerte an die ursprüngliche Idee des „Nationalen Bildungsrats“, „bei dessen Konzeption die meisten Länder doch ein ungutes Gefühl hatten. Die StäWiKo der KMK entspricht nun vielmehr der föderalen Struktur unseres Bildungswesens und wird uns sicherlich ein guter Ratgeber sein.“ Klar: Der Bund ist jetzt raus – die Verbindlichkeit damit auch. Welche Konsequenzen das haben kann, zeigt die Corona-Krise: Die KMK hatte sich monatelang allen Bemühungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verschlossen, einen Stufenplan für den Schulbetrieb zu vereinbaren. Schließlich musste die Bundesregierung eine Notbremse per Gesetz festlegen. Seitdem gilt ein Inzidenzwert von 165 als Grenze für Präsenzunterricht.
„Verbände und Gewerkschaften sollten ihren Mitgliedern nur noch das vorgekochte Essen schmackhaft machen sollten“
„Die Ständige wissenschaftliche Kommission kann mit ihrer engen Anbindung an die neuesten Forschungsergebnisse sicher einen wertvollen Beitrag zur Arbeit der KMK bieten. Dies wird jedoch nur gelingen, wenn die Empfehlungen auch umgesetzt werden, das heißt mit entsprechenden Ressourcen bedacht und in die Fläche gebracht werden“, so kommentiert VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann. „Für die Unterstützung der Kultusministerkonferenz stellt die Ständige wissenschaftliche Kommission eine wichtige Säule dar. Daneben muss die Expertise der Praxis immer wieder aktiv in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Zu oft mussten wir in Zeiten der Corona-Krise erleben, dass Verbände und Gewerkschaften ihren Mitgliedern nur noch das vorgekochte Essen schmackhaft machen sollten. Zur Sicherung und Wahrung demokratischer Prozesse sollten sie aber schon früh hinzugezogen werden.“
Die Kritik Tullners kann Beckmann nachvollziehen: „Die Besetzung ist gut begründet, trotzdem vermissen wir Mitglieder ostdeutscher Universitäten. Dies sollte bei der Berufung weiterer Mitglieder beachtet werden.“ News4teachers / mit Material der dpa
Die Ständige wissenschaftliche Kommission (“StäWiKo”) besteht aus zwölf zu berufenden und vier ständigen Mitgliedern. Die 16 Mitglieder sind:
a) Berufene Mitglieder
Prof. Dr. Isabell van Ackeren (Universität Duisburg-Essen)
Prof. Dr. Yvonne Anders (Universität Bamberg)
Prof. Dr. Claudia Diehl (Universität Konstanz)
Prof. Dr. Thilo Kleickmann (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Prof. Dr. Birgit Lütje-Klose (Universität Bielefeld)
Prof. Dr. Susanne Prediger (Technische Universität Dortmund)
Prof. Dr. Susan Seeber (Georg-August-Universität Göttingen)
Prof. Dr. Felicitas Thiel (Freie Universität Berlin)
Prof. Dr. Birgit Ziegler (Technische Universität Darmstadt)
b) Ständige Mitglieder
Vorsitzender wissenschaftlicher Beirat Steuerungsgruppe:
Prof. Dr. Harm Kuper (FU Berlin)
Wissenschaftlicher Vorstand Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB):
Prof. Dr. Petra Stanat (Humboldt-Universität Berlin)
Sprecher Autorengruppe Bildungsberichterstattung:
Prof. Dr. Kai Maaz (DIPF – Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Information)
Vorstandsvorsitzende Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB):