BERLIN. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beklagt einen wachsenden Antisemitismus unter Schülerinnen und Schülern in Deutschland. «Der Antisemitismus an Schulen hat zugenommen. Er war zwar nie verschwunden, aber die Themen Holocaust und jüdisches Leben in Deutschland sind für die Jugend nicht mehr so präsent», sagte GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das NRW-Schulminsterium lässt Ausmaß und Formen des Problems derzeit wissenschaftlich untersuchen.

Hinzu kämen, so Hoffmann, ethnische und religiöse Konflikte, die die Schulen überforderten. Sie forderte ein «behördliches, aber unbürokratisches und schnelles Hilfsangebot für die Bekämpfung von Antisemitismus an Schulen». Aktuell würden sich viele Lehrkräfte mit dem Problem des Antisemitismus alleingelassen fühlen, sagte die Bildungsgewerkschafterin.
Unterrichtsbeobachtungen sollen Ansatzpunkte liefern
Die NRW-Landesregierung lasst derzeit untersuchen, welches Ausmaß das Problem an den Schulen des Landes hat. Durch eine empirische Studie der Ruhr-Universität Bochum auf der Basis von Unterrichtsbeobachtungen sollen Erkenntnisse und Ansatzpunkte für neue Unterrichtsmaterialien gewonnen werden. Zudem sollen auch Konzepte für Lehrer-Fortbildungen entwickelt werden.
«Menschenverachtende Ideologien dürfen in unserer Gesellschaft und selbstverständlich auch in unseren Schulen keinen Platz haben. Dennoch wissen wir, dass antisemitische Diskriminierungen auch im Sozialraum Schule vorkommen, denn Schule ist ein Spiegel unserer Gesellschaft», sagt Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Beleidigungen wie «Du Jude» seien immer noch auf dem Schulhof zu hören. «Wir wollen, dass es gar nicht erst zu antisemitischen Vorfällen kommt», betont Gebauer. Die Demokratie brauche junge Menschen, die couragiert gegen jede Form von Rassismus, von Gewalt und Diskriminierung eintreten.
Die Forscher der Ruhr-Universität haben den Angaben zufolge von November 2020 bis Frühjahr 2021 an sechs Berufskollegs, Gesamtschulen und Gymnasien im städtischen und ländlichen Bereich den Schulunterricht beobachtet. Auch bereits vorhandene Unterrichtsmaterialien wollen die Forscher untersuchen. «Antisemitismus hat nichts mit realen Juden und Jüdinnen zu tun, Antisemitismus ist ein Phantasma über jüdische Menschen», erklärt der Leiter der Studie, Karim Fereidooni.
„Der Institution Schule kommt bei der Prävention eine wichtige Rolle zu“
Die Ergebnisse der Studie sowie Fortbildungsmaterialien für Lehrer sollen im Juli 2022 vorgestellt werden. Die Studie sei bundesweit die erste ihrer Art, erklärte die NRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Antisemitismus sei leider allgegenwärtig in der Gesellschaft und in allen Gesellschaftsschichten zu finden. «Der Institution Schule kommt deshalb bei der Präventionsarbeit eine sehr wichtige Rolle zu, damit sich antisemitische Überzeugungen erst gar nicht in den Köpfen unserer Kinder breitmachen können».
Unabhängig von der Studie gibt es bereits Projekte, mit denen Antisemitismus in Schulen bundesweit entgegengetreten wird. Eins davon heißt «Meet a Jew» («Triff einen Juden»). In diesem Projekt gehen jüdische Jugendliche und Erwachsene unter anderem an Schulen mit dem Ziel, «das oft abstrakte Bild von „den Juden“ in unserer Gesellschaft aufzubrechen», so die Homepage des Projekts. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zur Homepage von „Meet a Jew“.