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Schulen sollen begabte Kinder besonders fördern. Doch: Sind nicht alle begabt?

BERLIN. Erste-Hilfe-Kurs, Schülerzeitung oder Klettern – an 62 Schulen in Berlin werden begabte Kinder mit einem Landesprogramm besonders gefördert. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zeigt sich zufrieden. Doch einige Fragen bleiben offen. Vor allem die grundlegende: Sind nicht alle Kinder begabt? Dabei gerät die Bildungssenatorin ins Schwimmen.

Wieso werden im Begabtenprogramm nur bestimmte Kinder besonders gefördert, obwohl – laut Bildungssenatorin – alle Kinder begabt sind? Foto: Shutterstock

Ein musisches Gespür, das Talent abstrakt zu zeichnen oder eine besonders ausgeprägte Empathie – Begabungen sind so vielfältig wie Menschen. Genau da versucht das Landesprogramm «Begabtes Berlin» anzusetzen. Schulen und Kindertagesstätten können darüber Gelder erhalten, um Kinder und Jugendliche in ihren Talenten zu fördern. 162 Berliner Schulen haben bereits das Siegel erhalten.

Darunter ist auch das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neukölln. Schulleiterin Karin Kullick ist begeistert von dem Programm: «Sowas hätte ich mir zu meiner Schulzeit auch gewünscht.» 35.000 Euro gibt es pro Kalenderjahr unter anderem für die Ausstattung der Räume und die Schulung der Lehrerinnen und Lehrer. Außerdem werden ganz unterschiedliche Kurse angeboten, in denen die Schülerinnen und Schüler sich ausprobieren können. An dem Gymnasium gibt es beispielsweise die Schülerzeitung oder den Kurs «Climb&Jump», bei dem durch Klettern Selbstvertrauen und Verantwortung gestärkt werden sollen.

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«Die Begabungsförderung hat sich in Berlin strukturell verankert, das ist klasse»

Entstanden ist das Programm im Jahr 2018. Zuvor hatte ein Expertengremium unter der Leitung des Hamburger Erziehungswissenschaftlers Prof. Thomas Trautmann die Situation der begabten Kinder in Berlin untersucht und einen Bericht erstellt. Rund drei Jahre später zogen Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und er am Freitag ein weitgehend positives Fazit. «Die Begabungsförderung hat sich in Berlin strukturell verankert, das ist klasse», sagte Trautmann. Allerdings sehe er noch Potenzial im Bereich der Kreativität und der wissenschaftlichen Begleitung der Initiative.

«Das Programm war in meiner Legislatur ein Schwerpunkthema, weil ich überzeugt bin, dass in jedem Kind eine Begabung schlummert», sagte Scheeres. «Sie muss nur entdeckt und gefördert werden.» Doch nicht jedes Kind ist automatisch Teil der Programms. Interessierte Jungen und Mädchen müssen sich zunächst bewerben oder von einem Lehrer vorgeschlagen werden. Die Ausgewählten dürfen dann die Kurse besuchen und erhalten ein Zertifikat.

Ist denn in Zukunft eine flächendeckende Förderung der Begabungen aller Kinder geplant? «Dass eine individuelle Förderung im Allgemeinen stattfinden muss, das ist ja das tägliche Geschäft der Lehrkräfte», sagte Scheeres. «Aber ich sag mal eine besondere Begabung zu haben, das geht ja nochmal darüber hinaus.» Was denn nun – schlummert in jedem Kind eine Begabung? Oder geht’s um Hochbegabung?

«Wenn jeder Mensch und jedes Kind eine Begabung hat, was ja auch mein Credo ist, dann sollte das berücksichtigt werden»

Schulleiterin Kullick sprach sich denn auch für eine breiter gefächerte Förderung aus. «Wenn jeder Mensch und jedes Kind eine Begabung hat, was ja auch mein Credo ist, dann sollte das berücksichtigt werden», sagte Kullick. «Aber wir brauchen erst einmal einen Anstoß.» Sie hoffe, dass in Zukunft auch darüber hinaus gefördert werden könne. Das sei aber auch mit finanziellen Fragen verbunden.

Die Geld-Frage betrifft auch Kinder aus ökonomisch schwachen Familien. Diese Mädchen und Jungen müssen neben der Schule oft arbeiten und sind in ihren Familien stark eingebunden. «Gerade diese Kinder, die arbeiten müssen und Begabungen haben, die sind extreme Leistungsträger», erklärte Scheeres. «Die nehmen dankbar an, dass sie gefördert werden.» Die Frage ist, ob diese Kinder am Nachmittag auch die Zeit haben, um die besondere Förderung in Anspruch zu nehmen. News4teachers / mit Material der dpa

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