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Schulleitungskongress: Großer Bedarf an Anregungen für die schulische Praxis nach Corona – auch Visionen sind gefragt

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HAMBURG. Das Ende der Corona-Krise scheint in Sicht zu sein. Vorsichtige Aufbruchstimmung herrscht unter den Schulleiterinnen und Schulleitern in Deutschland – jedenfalls dann, wenn die Atmosphäre auf dem Deutschen Schulleitungskongress (DSLK) als repräsentativ für die Berufsgruppe gelten darf. Der soll im November in Präsenz stattfinden. Gestern gab’s mit dem „DSLK Impuls“ bereits eine digitale Auftaktveranstaltung, an der knapp 1.000 Schulleiterinnen und Schulleiter aus ganz Deutschland teilnahmen. Deutlich wurde: Der Bedarf an Anregungen für die schulische Praxis nach Corona ist groß. Auch Visionen sind gefragt.

Im Hamburger Studio: Moderatorin Anna-Lena Kempf, Arne Petersen vom Veranstalter Fleet Events und VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann (r.). Foto: DSLK Impuls

„Ganz langsam sind wir wirklich optimistisch“, sagte Arne Petersen, Mitglied der Geschäftsleitung des Veranstalters Fleet Events. Seine Hoffnung bezog sich auf die Aussicht, dass der Deutsche Schulleitungskongress (DSLK) – die Leitveranstaltung für schulische Führungskräfte und damit ein alljährlicher Fixpunkt für die Pädagogik in Deutschland – im November wie geplant als Präsenzveranstaltung in Düsseldorf stattfinden kann. Petersen hätte damit aber auch die Haltung der mehr als 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des gestrigen „DSLK Impuls“, einer digitalen Vorab-Veranstaltung, auf den gesamten Schul- und Bildungsbetrieb beschreiben können: Es herrscht (vorsichtige) Aufbruchstimmung. Dass der DSLK im Herbst als Hybrid-Veranstaltung geplant ist, also in jedem Fall auch im Netz stattfindet, mag ebenfalls sinnbildlich für das große Ganze stehen: Wir sind weiterhin auf alles vorbereitet, so lautet die zweite Botschaft, die vom Impulstag ausgeht.

Geteilte Schülerschaft – diejenigen, die im Distanzunterricht voll aktiv waren (grün), und diejenigen, die weitgehend abgetaucht sind (rot): Screenshot aus der Präsentation von Prof. Gerhard Huber.

„Schulleitungen sind unerschütterliche Optimisten“, so erklärte Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), denn auch. Der VBE veranstaltet den DSLK mit. Anders als mit einer positiven Grundhaltung seien die Herausforderungen seit dem vergangenen Frühjahr auch nicht zu bewältigen gewesen, so Beckmann – neue Anweisungen fast im Wochentakt, bevorzugt übermittelt per Mail am Freitagnachmittag. Vorgabe: Umsetzung bis Montag. Wie genau? Darüber waren die Medien oft besser informiert als die Betroffenen selbst. Dazu hätten sich ohnehin virulenten Probleme im Schulsystem wie Lehrermangel, unzureichende Digitalisierung oder ein mangelndes Raumkonzept in der Krise noch einmal verschärft.

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Als Folge nannte der VBE-Chef: „Die Berufszufriedenheit hat merklich nachgelassen.“ Andererseits seien in der Corona-Zeit auch viele Erfahrungen gesammelt worden, die sich als wertvoll erweisen werden. Eine davon: Viele Schüler hätten vom hohen Maß an Eigenständigkeit profitiert, in das sie geworfen wurden.

„Das Wichtigste für uns: Dass es ein Schüler allein machen kann. Zum Lernen braucht er keinen Lehrer“

Eigenständiges Lernen: Das war tatsächlich ein zentrales Thema, mit dem sich die an ihren Bildschirmen in ganz Deutschland versammelten Schulleiterinnen und Schulleiter beschäftigten. Prof. Gerhard Huber vom Institut für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie der Pädagogischen Hochschule im schweizerischen Zug, sprach von einer „Schlüsselkompetenz“, die viele Schülerinnen und Schüler in der Krise entwickelt hätten. Die Kehrseite: Eine fast ebenso große Gruppe verfügt darüber nicht – sie ist im Distanzunterricht, wie die von Huber geleitete Studie „Schulbarometer“ ergab, weitgehend abgetaucht.

„Schule ohne Unterricht“: Schulleiter Stefan Ruppaner. Screenshot

Allerdings wurden diese Schülerinnen und Schüler auch nicht auf das eigenständige Lernen vorbereitet. Das ist hier anders: Stefan Ruppaner, Leiter der mit dem Deutschen Schulpreis 2019 ausgezeichneten Alemannenschule Wutöschingen, stellte sein Konzept einer „Schule ohne Unterricht“ vor. „Das Wichtigste für uns: Dass es ein Schüler allein machen kann“, so erklärte er, „zum Lernen braucht er keinen Lehrer“ (obwohl die als „Lernberater“ den Kindern und Jugendlichen, „Lernpartner“ genannt, nach wie vor zur Seite stehen). Gearbeitet wird anhand von Kompetenzzielen, die sich die Schülerinnen und Schüler eigenständig mithilfe gut vorstrukturierter Materialien erschließen und für die sie dann, zeitlich flexibel, „Gelingensnachweise“ zu erbringen haben.

In der Alemannenschule hat jedes Kind einen Schreibtisch – Räume für Unterricht im Klassenverband gibt es dafür nicht. Unterricht findet schon noch statt. Allerdings mehr außerhalb als innerhalb der Schule. Biologie-Stunden zum Beispiel werden inmitten von Tieren auf einem nahegelegenen Bauernhof gehalten, beim Baumhaus-Bauen im Wald oder beim Drei-Tage-Trekking in den nahegelegenen Alpen. „Schmetterlings-Pädagogik“, so nennt Ruppaner diese Dualität von eigenständigem Lernen und praktischen angeleiteten Erfahrungen. Er betont: „Das System wäre problemlos überall umzusetzen, die Kosten sind nicht höher“.

Zwei grundsächliche Haltungen mache er unter Schulleitungen am Ende der Corona-Krise aus, berichtete Prof. Huber: diejenigen, die schnell in die Praxis der Vor-Corona-Zeit zurückwollten, und andere, die Corona als Zäsur betrachteten – und die Zeit nun nutzen wollten, grundsätzliche Reformen anzugehen.

Beim DSLK Impuls wurde naturgemäß vor allem die eher innovationsfreudige Klientel bedient: Von visionären Ansätzen wie dem der Alemannenschule bis hin zu sofort umsetzbaren Anregungen reichte die Palette der insgesamt rund 40 Vorträge und Workshops, die der DSLK Impuls zu bieten hatte. „Lernen aus Hackerangriffen: Lehren für Schulen, typische Vorfälle und klassische Stolpersteine“, „Blended Learning in der Schule. Wie digitales Lernen den Unterricht bereichert“, „Komm mit zur guten gesunden Schule! So geht gesundheitsbezogene Schulentwicklung“, so lauteten Themen.

Maja Dammann, eine erfahrene ehemalige Schulleiterin und Schulberaterin aus Hamburg, fragte: „Soll unsere Schule ein Mittleres Management einführen?“ – und benannte auch Kriterien dafür, die es erfolgversprechend erscheinen lassen, dass eine Schulleitung Aufgaben an Lehrkräfte delegiert (zum Beispiel eine grundsätzliche Akzeptanz im Kollegium, sich über den Unterricht auszutauschen und sich an gesetzten Zielen messen zu lassen).

„Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, da geht auch unsere Energie hin“

Ein Motivationstraining gab’s auch. Und zwar von jemandem, der sich mit Höchstleistungen auskennt: Andreas Kuffner, als Wirtschaftsingenieur mittlerweile in der Unternehmensberatung tätig, erruderte mit dem Deutschlandachter Gold bei den olympischen Spielen 2012. Kuffner gab nun praktische Tipps, wie sich herausfordernde Belastungen meistern lassen – mit einer beruhigenden Atemübung beispielsweise. Vier Sekunden einatmen, vier Sekunden Luft anhalten, vier Sekunden ausatmen, und dies wiederholend einige Minuten lang: Schon diese einfache Übung helfe, sich von störenden Einflüssen innerlich freizumachen und auf Wesentliches zu fokussieren. „Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, da geht auch unsere Energie hin“, erklärte der Ex-Leistungssportler den offenbar gebannt zuhörenden Schulleitungen.

Motivation vom Deutschland-Achter: Screenshot vom Vortrag Andreas Kuffners.

Der Zuspruch („Toller Vortrag“, so war gleich mehrfach im begleitenden Chat zu lesen) belegt: Der Bedarf an mentaler Unterstützung in den Schulen ist groß. Kein Wunder, denn auch in den Gesprächsforen am Rande des Programms wurde deutlich: Wenn die Pandemie überwunden ist, stehen die Aufräumarbeiten an. Wie lassen sich entstandene Lernlücken schließen? Welche Herausforderungen warten im sozialen Bereich? Wie lassen sich die gebeutelten Kollegien wieder aufrichten? Ein besonders hohes Maß an Engagement ist im Schulbetrieb weiterhin nötig, darüber herrschte Einigkeit – allem Optimismus zum Trotz. News4teachers

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