MÜNCHEN. Mit der Impfung gegen das Corona-Virus sind viele Freiheiten verbunden. Doch wer darf zuerst geimpft werden? Und wann sind Schülerinnen und Schüler dran? Ein heiß diskutiertes Thema, wie ein Gymnasium bei München nun erfahren musste. Das hatte eine Impf-Aktion für seine Über-16-Jährigen geplant – musste den Plan aber nach heftigen Reaktionen nun begraben.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am Dienstag bekräftigt, dass den 12- bis 18-Jährigen bis zum Ende der Sommerferien in Deutschland ein Impfangebot gemacht werden soll.
Zumindest für die älteren Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums bei München wäre es bereits am Freitag soweit gewesen, wie News4teachers berichtete: Nach Monaten des Wartens hätten sie endlich die Erstimpfung gegen das Corona-Virus erhalten und damit die Aussicht auf ersehnte Lockerungen. Doch Impfstoff ist immer noch rar und so gab es erregte Debatten. Warum die Jungen und nicht die vielen Älteren und Kranken, die immer noch auf einen Termin warten? Nun ist die Impfaktion in Planegg geplatzt. Aufgrund der öffentlichen Diskussion habe die Gemeinschaftspraxis ihr Angebot zur Impfung der Jugendlichen zurückgezogen, teilte das Gymnasium im Landkreis München am Dienstagabend mit.
„Ich kann jedoch niemandem vermitteln, dass gesunde Jugendliche geimpft werden“
«Wir bedauern das, können aber die Entscheidung nachvollziehen», sagte Schulleiter Matthias Spohrer. Deutliche Kritik war zuvor von dem Münchner Landrat Christoph Göbel (CSU) gekommen. Er hatte im Umgang mit Impfungen mehr Verantwortungsbewusstsein und Sensibilität gefordert. Auch wenn diIme Rechtslage “ein Schlupfloch” biete und für die Aktion kein Impfstoff aus dem Kontingent des Landkreises München zum Einsatz komme, sollten Mediziner den Impfstoff für diejenigen bereit halten, die ihn am nötigsten brauchen.
Göbel sagte, er könne den Wunsch von Eltern und Schülern nachvollziehen, schnell zu einem halbwegs normalen Schul- und Alltagsleben zurückzukehren. „Ich kann jedoch niemandem vermitteln, dass gesunde Jugendliche geimpft werden, wenn ich noch eine Vielzahl vulnerabler Personen auf der Warteliste habe.“ Das Landratsamt erhalte viele Bürgereingaben. Er habe unzählige frustrierte Rückmeldungen auf dem Schreibtisch, so der Landrat – auch in Reaktion auf die Nachricht aus Planegg. „Viele Praxen erhalten viel zu wenig Impfstoff gemessen am Bedarf für eigene Patienten und geraten so täglich in Erklärungsnöte. Sie verstehen nicht, wo nun so viel Impfstoff für eine Impfaktion an der Schule herkommt.“
Dabei hatte sogar Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kürzlich vorgeschlagen, auch Jugendliche ab 16 Jahren vermehrt zu impfen, da gerade bei ihnen die Inzidenz am höchsten sei. In Bayern ist der Weg dafür frei: Von diesem Donnerstag an dürfen Hausärzte Patienten unabhängig von der Impfreihenfolge mit sämtlichen Corona-Impfstoffen impfen dürfen. Auch Jugendliche ab 16 können sich dann von einem Hausarzt impfen lassen, allerdings momentan nur mit dem Impfstoff der Firma Biontech. Bei Kindern ab 12 Jahren sei mit einer Zulassung für das Vakzin von Biontech im Laufe des Juni zu rechnen, sagte ein Sprecher des Bayerischen Gesundheitsministeriums. „Wir bereiten uns intensiv darauf vor, hierfür ein Konzept zu erarbeiten.“
Den Schülern aus Planegg hilft das aber erst einmal nicht. Die Organisatoren zogen Konsequenzen aus den Protesten – und sagten die Impf-Aktion ab. Man müsse das Angebot für die Schüler „aufgrund des enormen Drucks seitens des Landrates Göbel und einiger Pressevertreter leider schweren Herzens zurückziehen“, teilte der Planegger Arzt laut „Süddeutscher Zeitung“ mit, auch wenn man das Impfangebot als „ein gutes Zeichen in Richtung sinnvollerer Verteilung des Impfstoffes“ gesehen hätte. Die Ärzte der Gemeinschaftspraxis hatten ihr Angebot damit erklärt, dass sie alle priorisierten Menschen ihres Patientenstammes geimpft hätten.
„Hätte ich das Angebot ausgeschlagen, hätte es auch heftige Reaktionen gegeben“
Schulleiter Spohrer bedauert dem Bericht zufolge, dass die Aktion so hohe Wellen geschlagen hat. „Das habe ich mir nicht gewünscht.“ Er hätte in der Aktion ein “Pilotprojekt” gesehen. Jugendliche hätten in der Regel viele Kontakte, mit der Impfung würden sie nicht nur sich, sondern auch andere schützen. Die Resonanz in der Schülerschaft auf das Angebot war laut Direktor “gewaltig”. Spohrer ist überzeugt: „Hätte ich das Angebot ausgeschlagen, hätte es auch heftige Reaktionen gegeben.“
Der Versorgungsarzt für den Landkreis, Friedrich Kiener, hatte die Impfaktion seiner Kollegen in Planegg pragmatisch gesehen. Wenn die Patienten in den höheren Priorisierungsgruppen versorgt seien, könne damit begonnen werden, jüngere Menschen zu impfen. „Die WHO empfiehlt die Impfung für Kinder und Jugendliche, der Hersteller sowieso, und die Staatsregierung denkt darüber nach.“ Grundsätzlich sei jeder Geimpfte gut. „Und Jugendliche sind viel unterwegs, sie haben ein erhöhtes Risiko, sich oder andere anzustecken als Ältere, die mehr zuhause sind.“ Wenn Impfstoff in einer Praxis übrig bleibe, sollte er auch so schnell wie möglich verimpft werden, findet Kiener. “Oder sollen die den wegschmeißen?”
Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, hält laut „Süddeutscher Zeitung“ dezentrale Impfaktionen an Schulen wie in Planegg zwar für möglich. Sie dringt aber darauf, dass Bayerns Landesregierung ihrem Versprechen nachkommen müsse, flächendeckend allen Lehrern ein Impfangebot zu machen. Dies funktioniere noch nicht in allen Regionen. Am Gymnasium in Planegg sind laut dem Direktor bis auf zwei Kollegen alle geimpft. News4teachers / mit Material der dpa
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