Nach zwei von Corona geprägten Schuljahren können Eltern, Schüler und Lehrkräfte auch im kommenden Schuljahr nicht mit einem Normalbetrieb an den Schulen wie vor der Pandemie rechnen – auch wenn die Kultusministerkonferenz einen solchen beschlossen hat.
Die Kultusministerkonferenz hatte vor drei Wochen verabschiedet, dass alle Schulen nach den Sommerferien «dauerhaft im Regelbetrieb (…) mit allen Schulfächern und Unterrichtsstunden» besucht werden sollen. Regelbetrieb bedeute, dass Unterricht in der Schule ohne weitere Einschränkungen erteilt und das schulische Leben wieder ermöglicht werde, heißt es in dem Beschluss. Auch außerschulische Angebote wie Schulfahrten würden wieder in «vollem Umfang» ermöglicht. Von Schutzmaßnahmen an Schulen ist in dem Papier hingegen keine Rede.
Zumindest am Anfang des neuen Schuljahres wird es trotzdem weiter Einschränkungen geben, wie eine Umfrage in den Kultusministerien der 16 Bundesländer ergab. Zusagen, dass die Schulen dieses Mal dauerhaft geöffnet bleiben, kommen aus keinem Bundesland – auch wenn Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in “Bild” bereits angekündigt hatte, nach den Sommerferien die Schulen unabhängig von allen Inzidenzen offenhalten zu wollen. „Das Recht der Kinder auf Bildung war durch die überzogene Bundesnotbremse unter die Räder gekommen. Das darf nicht wieder passieren“, so wird er zitiert.
Die rechtliche Möglichkeit dazu hätte die Landesregierung jetzt: Die Bundesnotbremse, die Testpflicht für Schüler, Wechselunterricht ab einem Inzidenzwert von 100 und Schulschließungen ab 165 vorschrieb, ist gestern ausgelaufen – und wird nicht verlängert.
Schulschließungen nicht ausgeschlossen – oder doch?
Nach den Schulschließungen in der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 waren sich Bundes- und Landespolitiker einig, dass es nicht noch einmal zu Schließungen kommen sollte. Es kam dann doch anders. Die zweiten Schulschließungen dauerten sogar noch länger. Die Frage, ob im neuen Schuljahr mit durchgehendem Präsenzunterricht zu rechnen ist, beantworten die meisten Kultusministerien nur sehr vorsichtig: Alle planen zunächst mit weitgehendem Normalbetrieb und auch mit Schulaktivitäten, Ausflügen und Klassenfahrten.
Festlegen für den Rest des Schuljahres will sich aber niemand: Präsenzunterricht soll es «zu Beginn des Schuljahres auf jeden Fall» geben (Hessen). Die weitere Entwicklung sei «nicht absehbar» (Bremen). Es gibt Normalbetrieb, «solange die Infektionsentwicklung das zulässt» (Berlin). Die Bildungsministerin hoffe, dass sich «die Infektionslage im neuen Schuljahr so entwickelt, dass Präsenzbetrieb beibehalten werden kann» (Rheinland-Pfalz).
Die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) plädiert für einen neuen Ansatz: Sofern das Virus seine Eigenschaften «nicht grundlegend» verändere und der Impfschutz für die Risikogruppen erhalten bleibe, vermittele «der reine Blick auf die Infektionszahlen dann kein vernünftiges Lagebild» mehr, sagte sie auf Anfrage in Saarbrücken. In Sachsen wird das ähnlich gesehen. Der Freistaat hatte schon vor der Bundes-Notbremse angekündigt, Schulen nicht mehr in Abhängigkeit von der Inzidenz zu schließen.
Schüler dreimal pro Woche testen – oder gar nicht?
Die Maske dürfte in vielen Ländern nach den Sommerferien weiter zum Schulbild gehören – zum Teil auch im Klassenzimmer. Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern oder Niedersachsen planen mit einer Maskenpflicht oder denken darüber nach. Zumindest in den ersten beiden Wochen des Schuljahres soll es sie als Sicherheitsmaßnahme wegen möglicher Ansteckungsgefahren durch Reiserückkehrer geben.
Andere Länder wollen Entscheidungen zu Masken in der Schule erst treffen, wenn das neue Schuljahr näher rückt und die Lage klarer ist (Bayern, Saarland, Hessen, Sachsen-Anhalt). Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will die Situation nach den Ferien beobachten. Bei niedrigen Ansteckungszahlen soll seiner Ansicht nach zumindest im Unterricht keine Maske mehr getragen werden müssen.
An den zwei Tests pro Woche wollen viele Bundesländer festhalten. Brandenburg plant in der ersten Schulwoche sogar drei Tests wegen der Urlaubsrückkehrer. Thüringen hat dagegen als erstes Bundesland ab heute die Testpflicht von Schülern und Lehrern komplett gestrichen. Sachsen hatte sie zuvor schon auf einen Schnelltest pro Woche beschränkt. Hamburg bleibt außerdem bei der sogenannten Kohortentrennung – also der Trennung von Gruppen, die sich in der Schule möglichst nicht begegnen sollen.
Auch bei Luftfiltern für Klassenräume – kein klares Bild
Für manche sind Luftfilter die Lösung für einen coronasicheren Schulbetrieb, andere bezweifeln ihre Wirksamkeit. Einen Überblick, wie es in den Schulen damit aussieht, haben die Bundesländer nicht. Verwiesen wird darauf, dass für solche Anschaffungen und Baumaßnahmen die Schulträger, also meistens die Kommunen, selbst zuständig sind und entsprechend selbst investieren oder nicht. Oft liegen deshalb keine Zahlen vor.
Es gibt aber neben Eigeninvestitionen durch die Kommunen auch Förderprogramme in den Ländern, die von den Trägern angezapft werden können. Nur in zwei Bundesländern, Bayern und Berlin, wurde damit aber bislang tatsächlich eine nennenswerte Zahl von Schulen ausgestattet.
In Bayern wurden Anträge für Filteranlagen für 14.000 Räume in Schulen gestellt und rund 37 Millionen Euro Fördergelder ausgegeben. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat aktuell angekündigt, das eigentlich bereits ausgelaufene Programm auszuweiten: „Im Herbst soll es in jedem Klassenzimmer und den Kitas mobile Luftfilter geben“, so erklärte er. Der Freistaat werde bis zu 50 Prozent der Kosten für die Städte und Gemeinden übernehmen. Söder denkt nach eigenen Worten sogar darüber nach, die Kommunen zur Anschaffung der Geräte zu verpflichten.
Berlin hat nach eigenen Angaben die Anschaffung von rund 8.000 mobilen Luftfiltern mit 14,6 Millionen Euro gefördert, womit immerhin ein Drittel der Klassenräume in der Bundeshauptstadt gegen möglicherweise Corona-belastete Aerosole gesichert werden können.
Andere Bundesländer fördern – wenn überhaupt – die Anschaffung der Geräte nur punktuell. In Nordrhein-Westfalen wurden aus einem 50-Millionen-Euro-Programm bisher Fördergelder in Höhe von knapp 20 Millionen Euro beantragt. Kein Wunder: Das Land zahlt nur für Klassenräume, in denen sich die Fenster nicht öffnen lassen – die es aber praktisch nicht mehr gibt. In Hessen gibt es einen Fördertopf mit 75 Millionen, in Mecklenburg-Vorpommern können Gelder aus einem 100-Millionen-Euro-Schulsanierungsprogramm auch für Luftfilter beantragt werden. In Thüringen haben Schulträger bis jetzt gut 3,6 Millionen Euro aus einem entsprechenden Schulsanierungsprogramm abgerufen.
Viele Länder setzen vor allem weiter auf das Lüften über die Fenster und verweisen auf die Empfehlungen des Umweltbundesamtes, wonach zumindest mobile Luftfilter nur eine Ergänzung zum aktiven Lüften sein könnten. «Das ist nicht das Ei des Kolumbus», hatte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gesagt. Mobile Geräte seien zu laut (was Experten für Unsinn halten – es kommt halt auf die Qualität der Geräte an) und große Umbaumaßnahmen auch nicht die Lösung. Für Letzteres, genauer: den Einbau von Raumlufttechnischen Anlagen, hat die Bundesregierung kurzfristig ein Förderprogramm aufgelegt.
Dessen Modalitäten entsprechen den Empfehlungen des Bundesumweltamts. Das spricht sich dafür aus, Schulen mit Wärmetauschanlagen auszustatten. Bei solchen Lüftungsanlagen wird Frischluft von außen angesaugt und gleichzeitig durch die nach außen strömende Abluft erwärmt. Das sei die nachhaltigste Lösung für den Abtransport von Viren, verbrauchter Luft und Feuchte, heißt es. In Neubauten ist das mit einer zentralen Lüftungsanlage am einfachsten umzusetzen, in bestehenden Schulgebäuden wären aufwendige Umbauten nötig.
Der Städte- und Gemeindebund hat bereits abgewunken: Es sei “illusorisch” zu glauben, dies sei kurzfristig über die Sommerferien zu machen – Förderprogramm hin oder her. Mobile Luftfilter, die sich schnell beschaffen und in Klassenräumen platzieren ließen, werden vom Bund ausdrücklich nicht bezahlt. News4teachers / mit Material der dpa
