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Alle fordern, Schulen offenzuhalten. Keiner sagt, wie das ohne Durchseuchung geht

BERLIN. Viele Familien blicken mit Sorge auf das kommende Schuljahr. Wird es das dritte Corona-Schuljahr mit Ausfällen, Einschränkungen und Schließungen in Folge? Diskutiert wird viel darüber, dass das in jedem Fall verhindert werden muss. Wie das allerdings verhindert werden kann, sagt keiner. Grünen-Fraktionsschefin Göring-Eckardt fordert einen “Schulgipfel”. Und CSU-Chef Markus Söder setzt aufs Impfen von Schülerinnen und Schülern, auch ohne Empfehlung der Stiko. Bei der Anschaffung von Luftfiltern für Kitas und Schulen gibt es offenbar Probleme.

Die Schulschließungen – wie hier im März 2020 in Nürnberg – sollen sich nicht wiederholen. Aber… Foto: Shutterstock

Mit Blick auf das kommende Schuljahr haben sich Politiker verschiedener Parteien für die Aufrechterhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen und Impfungen ausgesprochen, um erneute Schulschließungen zu verhindern. Der Bildungsdirektor der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Andreas Schleicher, warnte davor, Schülerinnen und Schüler wieder ins sogenannte Homeschooling zu schicken.

Bis zum nächsten Schuljahr müssten Schulen technisch so umgerüstet werden, dass der Unterricht auch bei schwieriger Infektionslage ungestört fortgeführt werden könne, sagte Schleicher, der auch für den internationalen Schulleistungsvergleich Pisa verantwortlich ist, im «Interview der Woche» von MDR Aktuell. «Diese Schulschließungen dürfen sich einfach nicht wiederholen.»

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Eine große Zahl junger Menschen sei während der Krise «völlig durchs Raster gefallen», stellte der Bildungsexperte fest. Die Pandemie habe die sozialen Benachteiligungen noch einmal deutlich verstärkt. Schleicher warb dafür, jüngere Kinder und Kinder aus «sozial benachteiligten Schichten» nun gezielt zu fördern.

Sechs Bundesländer sind inzwischen in den Sommerferien. Die meisten anderen folgen bis zum Monatsende. Anfang August beginnt dann in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern schon wieder das neue Schuljahr.

Laschet: Präsenzunterricht ist die einzige Garantie für manche Kinder, dass sie echte Bildungschancen haben

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte, ihm sei wichtig, dass jetzt alles getan werde, was an Vorbereitung möglich sei, um nach den Sommerferien Präsenzunterricht an jeder Schule, für jede Schülerin und Schüler möglich zu machen. Ähnlich äußerte sich Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet im ARD-«Sommerinterview». Präsenzunterricht sei die einzige Garantie für manche Kinder, dass sie echte Bildungschancen haben, sagte er.

Bundesfamilien- und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach sich für die Beibehaltung der Maskenpflicht an den Schulen aus. Verschiedene Länder haben das zumindest für die ersten Wochen des neuen Schuljahres auch schon angekündigt, um Übertragungen durch Reiserückkehrer einzudämmen. Lambrecht sagte der «Welt am Sonntag», stundenlanges Maskentragen in den Klassenräumen sei sehr belastend, aber noch notwendig, um einen sicheren Schulbetrieb zu gewährleisten.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) warnte in der «Bild am Sonntag» vor neuen Schulschließungen und sprach sich für die Impfung von jungen Menschen aus, wenn diese das wollten. «Wenn wir es durch Impfungen der 12- bis 17-Jährigen schaffen, dass wir Einschränkungen im Schulbetrieb vermeiden, dann ist das ein gewichtiges Argument», sagte Schäuble. Er plädierte auch dafür, in geschlossenen Räumen weiter Masken zu tragen, bevor man riskiere, wieder Schulen schließen zu müssen.

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Ständige Impfkommission habe bislang keine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ausgesprochen. «Ich halte es jedoch für selbstverständlich, in einer Situation, in der sich die Delta-Variante unter Kinder und Jugendlichen verstärkt ausbreitet, fortwährend zu überprüfen und Empfehlungen gegebenenfalls anzupassen.» Hans plädierte zudem für die Fortführung der regelmäßigen Tests in den Schulen.

«Wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren in dem Irrglauben, Kinder und Jugendliche seien nicht gefährdet»

SPD-Chefin Saskia Esken warnte vor Covid-Langzeitfolgen für junge Menschen und forderte, Kinder und Jugendliche stärker zu schützen. «Wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren in dem Irrglauben, Kinder und Jugendliche seien nicht gefährdet», sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie forderte Rücksichtnahme von «den überwiegend geimpften älteren Erwachsenen» und äußerte sich kritisch zu Großveranstaltungen. Tests für Reiserückkehrer und für nicht Geimpfte in Betrieben sollten nach Eskens Ansicht aufrechterhalten werden.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte die Bundesregierung: «Wir laufen mit Ansage in einen zweiten Corona-Herbst, und wieder unternimmt die Bundesregierung viel zu wenig, um Kitas und Schulen zu sichern. Kinder, Jugendliche und ihre Familien drohen erneut, vergessen zu werden», sagte sie den Funke-Zeitungen. Sie forderte «jetzt einen Kita- und Schulgipfel, damit sich dieses Planungsversagen nicht wiederholt».

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hatte sich mit Blick auf das neue Schuljahr optimistisch gezeigt. Sie sei «zuversichtlich, dass diesen Herbst die Schulen grundsätzlich offen gehalten werden können». «Wir haben jetzt eine ganz andere Ausgangslage nach den Ferien. Wir haben eine steigende Impfquote, eine gute Teststruktur», sagte die CDU-Politikerin der «Neuen Osnabrücker Zeitung».

Was Sie allerdings dabei nicht erwähnt: Luftfilter, die das Infektionsrisiko in Klassen- und Gruppenräumen erheblich senken könnten, gibt es zwar in vielen Landtagen, Ministerien und Behörden – in den allermeisten Kitas und Schulen aber nicht. Das Förderprogramm des Bundes für den (schon zeitlich aufwändigen) Einbau Raumlufttechnischer Anlagen ist ein Flop, wie News4teachers berichtet – für mobile Luftfilter, die ohne Umbaumaßnahmen platziert werden können, bekommen die Kommunen ausdrücklich kein Geld.

Einige Bundesländer, darunter Bayern, haben mittlerweile eigene Förderprogramme aufgelegt, um Kitas und Schulen mit mobilen Luftfiltern auszustatten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte vorvergangene Woche als Ziel ausgegeben, alle Bildungseinrichtungen im Freistaat bis zum Schuljahresbeginn mit den Geräten zu versorgen (O-Ton: „Im Herbst soll es in jedem Klassenzimmer und den Kitas mobile Luftfilter geben“) – davon rückt er in einem Interview mit dem “Spiegel” allerdings bereits ab. Er erklärt: “Bayern bezuschusst die Anschaffung mobiler Lüfter mit der Hälfte der Kosten. Ziel ist, dass ausreichend Geräte da sind, wenn es kälter und das normale Lüften nicht mehr so gut möglich sein wird.”

“In der dritten Welle lagen die Inzidenzen unter den jüngeren Menschen wesentlich höher als im Durchschnitt der Bevölkerung”

Hintergrund sind offenbar Schwierigkeiten bei der Beschaffung, wie Söder erkennen lässt. Er sagt: “Ein großes Hindernis für die Geschwindigkeit von Anschaffungen ist das Vergaberecht. Das sind dann Erfahrungen, die man in der Pandemie macht: Es wurden Grenzen geschlossen, Grundrechte ausgesetzt oder Ausgangssperren verhängt, alles extrem schwierige Entscheidungen, aber dann hakt es am europäischen Vergaberecht.”

Er setzt deshalb jetzt aufs Impfen von Schülerinnen und Schülern – auch ohne Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Söder: “In der dritten Welle lagen die Inzidenzen unter den jüngeren Menschen wesentlich höher als im Durchschnitt der Bevölkerung. Und über mögliche Long-Covid-Folgen bei Jüngeren wissen wir noch zu wenig. Aber: Jetzt sind die Älteren zunehmend geimpft und, Gott sei Dank, gehen die Todesfälle zurück. Daher müssen wir im Herbst den Schutzfaktor auch für die Jüngeren erhöhen. Dazu gehören zum Schulstart nach den Sommerferien als Vorsichtsmaßnahmen die Maskenpflicht, flächendeckende Tests und intensives Impfen. Wir fangen diese Woche an, die jetzigen Abschlussklassen zu impfen.” News4teachers / mit Material der dpa

Medien

Der “Spiegel” sieht die Lage für die Kitas und Schulen im Land kritisch. In einem Kommentar heißt es unter anderem:

Experten warnen Stiko (und Politik) davor, eine Durchseuchung der Schülerschaft in Kauf zu nehmen – vielen Kindern droht das Krankenhaus

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