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Corona-Ausbruch an Gymnasium mit (mindestens) 50 Infizierten – Minister verweigert Schließung

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GOTHA. In Thüringen breitet sich das Coronavirus unter Schülerinnen und Schülern rasant aus, seit praktisch alle Schutzmaßnahmen in Schulen ausgesetzt wurden – und das Bildungsministerium lässt es laufen. In der Liste der deutschen Landkreise und Städte mit Inzidenzwerten über 500 bei Kindern und Jugendlichen ist Thüringen gleich mit sechs Regionen vertreten, darunter der Landkreis Gotha mit einer Inzidenz von 567 unter den Fünf- bis 14-Jährigen. Der dortige Landrat wollte handeln, darf aber nicht. Die Landesregierung verweigert die Schließung einer Schule, an der sich bereits (Stand Freitag) 50 Menschen angesteckt haben.

Lässt laufen: Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke). Foto: Jacob Schröter / Ministerium für Bildung, Jugend und Sport

Das Covid-19-Infektionsgeschehen an der Kooperativen Gesamtschule Herzog Ernst (KGS) in Gotha breitet sich weiter aus, so teilte der Landkreis am Freitag mit – „seit heute auch mit dem Segen des Bildungsministeriums“, wie es bitter heißt. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) habe dem Landkreis Gotha das Einverständnis für die als zweckmäßig erachtete einwöchige Schließung der Schule verweigert. „Bis zu den Herbstferien hätten die Kinder und Jugendlichen per Distanzunterricht weiterlernen können; die KGS verfügt dafür über ausreichend mobile Endgeräte. In Kombination mit den Ferien wäre der Hotspot so ausgetrocknet worden, schätzt das Gesundheitsamt ein. Eine entsprechende Allgemeinverfügung wurde den Krisenstäben der beteiligten Ministerien am Donnerstag zur Abstimmung vorgelegt.“ Ergebnis: Abgelehnt.

“Aus politischem Dogmatismus setzt das Bildungsministerium die Gesundheit einer ganzen Region aufs Spiel“

Zum Stand 15. Oktober morgens waren 43 Schülerinnen und Schüler sowie sieben Lehrkräfte der Einrichtung per PCR-Verfahren positiv auf den Erreger getestet worden. „Zahlreiche weitere positive Schnelltests liegen vor und harren ihrer Verifizierung durch die Laboranalyse. Zählungen der Schule zufolge sind mit mehr als 400 Kindern und Jugendlichen, die nach Hause geschickt worden sind oder denen Quarantäne angeordnet wurde, knapp die Hälfte der rund 890 Schüler, die aus dem gesamten Kreisgebiet stammen, nicht anwesend“, so heißt es in einer Pressemitteilung. Wörtlich steht darin zu lesen: „Der Landrat schäumt.“

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„Eine einwöchige Distanzbeschulung und die folgenden Herbstferien hätten ausgereicht und die unkontrollierte Ausbreitung unter der Schüler- und Belegschaft der KGS gestoppt. Hierfür war die Schule bereit und hat auch um die Maßnahme gebeten“, so könne Landrat Onno Eckert „seine Verärgerung über das Nein zum mildesten Mittel kaum verbergen“, wie es in der Pressemitteilung heißt. Was daraus folgt, sei für ihn klar: „Die Zahlen werden weiter munter steigen, insbesondere die der abzusondernden Kontaktpersonen. Dass mancher Familie mit der Quarantäne der Herbsturlaub durchkreuzt wird, ist das Eine. Viel dramatischer ist: Aufgrund des flächendeckenden Einzugsbereiches wird sich das Infektionsgeschehen in den gesamten Landkreis ausbreiten. Aus politischem Dogmatismus setzt das Bildungsministerium die Gesundheit einer ganzen Region aufs Spiel.“

„Die ‚Dankesschreiben‘ für absehbar weitere Einschränkungen sind dann bitte direkt nach Erfurt an Minister Holter zu richten“

Der Landkreis ist als untere Infektionsschutzbehörde ermächtigt und gehalten, die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung von definierten Krankheiten zu treffen. In Thüringen regelt ein fachaufsichtlicher Erlass des Gesundheitsministeriums, dass Maßnahmen, die den Bildungsbereich betreffen, vor Erlass vorzulegen und auch mit dem Bildungsministerium abzustimmen sind. Entfällt dessen Einvernehmen, darf der Landkreis als Infektionsschutzbehörde hier nicht handeln. Das ist vorliegend in Gotha der Fall. Der „Erlass sichert dem Bildungsministerium das letzte Wort“, so heißt es in der Pressemitteilung. „Die ‚Dankesschreiben‘ für absehbar weitere Einschränkungen für alle aufgrund steigender Inzidenz- und Hospitalisierungszahlen sind dann bitte direkt nach Erfurt an Minister Holter zu richten“, so fordert Landrat Eckert die Bürger auf.

Das Bildungsministerium hat reagiert: “Diese Darstellung des Landkreises ist in Ton und Inhalt scharf zurückzuweisen. Als Amtsperson sollte sich der Landrat zudem an Rechts- und Sachlage orientieren. Die Schließung einer Schule ist unangemessen und missachtet das Recht der Kinder auf Bildung. Es gibt hier klare Zuständigkeiten, und der Landkreis ist für die Kontaktverfolgung zuständig. Zudem gelten deutschlandweit seit einigen Wochen klare Standards für Quarantäneanordnungen in der Schule. Sie soll nach Möglichkeit mit Augenmaß erfolgen. Praktisch eine ganze Schule unter Quarantäne zu stellen, wird diesen Maßstäben in keiner Weise gerecht und ist daher von der Landesregierung zurückgewiesen worden”, so schreibt es auf Facebook.

Und weiter: “Statt mit haltlosen Prophezeiungen Angst zu schüren, sollte sich der Landkreis auf seine Aufgaben konzentrieren. Ein klärendes Gesprächsangebot des Bildungsministeriums an den Landrat ist im Übrigen unbeantwortet geblieben.” News4teachers

Hotspot Thüringen

Mit dem Kyffhäuserkreis ist am Wochenende in Thüringen erstmals eine Thüringer Kommune in die höchste Corona-Warnstufe gewechselt. Die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche lag am Sonntag in der Region bei 221,7 (Vortag: 213,5), wie aus Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Das ist der höchste Wert in Thüringen und im deutschlandweiten Vergleich die achthöchste Sieben-Tage-Inzidenz. Unter Kindern und Jugendlichen liegt die Inzidenz im Kreis sogar bei 824 – bundesweit liegt nur der bayerische Landkreis Berchtesgadener Land darüber.

Die Kreise Schmalkalden-Meiningen (150,5) und Hildburghausen (137,3) wiesen am Sonntag weiterhin die zweithöchste Warnstufe aus. Alle anderen Kommunen haben inzwischen die Warnstufe eins erreicht. Über die Infektionsschutzmaßnahmen in den Stufen entscheiden die Landkreise und kreisfreien Städte. Eine Testpflicht an Schulen gilt erst in der höchsten Warnstufe.

Der CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner warf der rot-rot-grünen Landesregierung vor, die Kontrolle über das Infektionsgeschehen verloren zu haben. Tests an Schulen seien als Frühwarnsystem notwendig, sagte er und verwies auf massiv gestiegene Corona-Zahlen bei den 5- bis 14-Jährigen. «Warum müssen Kinder abends im Restaurant getestet sein, aber nicht morgens in der Schule?» Die Haltung der Landesregierung werde schon in wenigen Wochen zu flächendeckenden Schulschließungen führen, befürchtete der CDU-Abgeordnete. dpa

Streit um Corona-Explosion in Schulen: Versucht Ramelow, die Öffentlichkeit zu täuschen?

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