BERLIN. Eine schnelle Aufhebung von Corona-Maßnahmen an Schulen sollte es nach Ansicht der Kultusministerinnen und -minister der Länder nicht geben. Sie begründeten das am Freitag nach Beratungen in Potsdam unter anderem damit, dass sie erneute Schließungen und auch Schließungsdebatten verhindern wollen. Es sei «unerlässlich», die Schulen offen zu halten und den Präsenzunterricht dauerhaft zu sichern, hieß es in einem gemeinsamen Beschluss. Sorgen über die hohe Zahl an Ausbrüchen in Kitas und Schulen, von denen das RKI berichtet, machen sich die Kultusminister aber erklärtermaßen nicht.
Seit August hat es nach Beobachtung des Robert Koch-Instituts (RKI) wieder vermehrt Corona-Ausbrüche an Kitas und vor allem an Schulen gegeben. Die übermittelte Häufigkeit von Ausbrüchen steige in diesem Jahr etwa zwei Monate früher an als im Vorjahr, geht aus dem aktuellen Wochenbericht des RKI hervor. Demnach wurden für die vergangenen vier Wochen 201 Kita- und 481 Schulausbrüche übermittelt. Die jüngste Entwicklung, insbesondere der vergangenen zwei Wochen, lasse sich noch nicht gut bewerten, hieß es vor dem Hintergrund möglicher Nachmeldungen.
Hier sieht man die neuesten Daten aus UK zu Covid. Die Aufarbeitung ist erneut sehr gut. Die Hospitalisierungen der Kinder sind problematisch trotz der Tatsache, dass kaum Kinder sterben. Man muss von bedeutsamer Quote #LongCovid bei Kindern ausgehen. https://t.co/U601mIozUS pic.twitter.com/jBwhe5h6FP
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) October 6, 2021
«Beim ansteigenden Trend der Ausbruchshäufigkeit in Kitas und Schulen spielen vermutlich die ausgeweiteten Testaktivitäten und die leichtere Übertragbarkeit der Delta-Variante eine Rolle», erläutern die Autoren zu den Zahlen. Fälle, darunter auch solche ohne Krankheitssymptome, würden frühzeitig erkannt. An Kitas steckten sich durchschnittlich fünf Menschen pro Ausbruch an, an Schulen vier. Vereinzelt gebe es aber an beiden Arten von Einrichtungen größere Ausbrüche mit mehr als zehn Ansteckungen. Ab zwei Infizierten an einer Einrichtung wird dies als Ausbruch definiert.
Hohe Inzidenzen? Die Kultusminister zeigen sich nicht überrascht und sehen darin auch keinen Grund zur Sorge
Bei den Schulausbrüchen würden überwiegend Ansteckungen bei Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 14 Jahren bekannt, hieß es. Bundesweit lag die Sieben-Tage-Inzidenz vergangene Woche bei den 10- bis 14-Jährigen am höchsten von allen Altersgruppen: mit 178 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche. Bei Kindern im Grundschulalter (5 bis 9 Jahre) lag der Wert bei 142. Bei Menschen ab 50 Jahren waren die Inzidenzen niedriger als 50. Die Kultusminister zeigten sich davon nicht überrascht und sehen darin auch keinen Grund zur Sorge.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und brandenburgische Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) erklärte: «Wir wussten, dass die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu den Erwachsenen höher sein werden, weil wir eine spätere Impfempfehlung haben beziehungsweise für die unter 12-jährigen Kinder gar keine Impfempfehlung und auch keinen Impfstoff.» Da aus einer Inzidenz nicht automatisch eine Erkrankung oder schwere Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen folge, sondern dies Ausnahmen seien, «ist es einfach für uns nicht besorgniserregend», fügte sie für die Kultusminister hinzu.
Maßnahmen wie die Maskenpflicht und Tests an Schulen sind nach Ansicht der KMK-Präsidentin allerdings weiterhin notwendig. Eine komplette Abschaffung von einem auf den anderen Tag werde es nicht geben. Sie begründete das mit der Abwägung, die dabei getroffen werden müsse: Das RKI empfehle, an den Masken festzuhalten – anders als die Kinder- und Jugendärzte, die davon abrieten. Ernst: «Ich hoffe sehr, dass wir irgendwann diese Maßnahmen nicht mehr brauchen.» Das sei aus ihrer Sicht spätestens irgendwann im nächsten Jahr der Fall.
“Wenn wir ein ernstes Interesse daran haben, die Schulen offen zu halten, dann nehme ich lieber eine Sicherheitsmaßnahme mehr”
Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) begründete die Aufrechterhaltung der Maßnahmen an vielen Schulen auch mit der öffentlichen Debatte und den Erfahrungen aus dem vergangenen Winter. Da hätten sich die Kultusminister für ihre Position, die Schulen möglichst offenzuhalten, heftig gegen Angriffe und Vorwürfe wehren müssen. Nach wie vor weise etwa das Robert Koch-Institut «stets auf die besonderen Gefahren des Schulbetriebs» hin, sagte Rabe. «Wenn wir ein ernstes Interesse daran haben, die Schulen offen zu halten, dann nehme ich lieber eine Sicherheitsmaßnahme mehr (…), als dass es wieder zu erneuten Schulschließungsdebatten kommt.»
Hintergrund: RKI-Chef Lothar Wieler hatte am Mittwoch in Berlin bekräftigt, dass nach RKI-Empfehlung die Maßnahmen zum Infektionsschutz an Kitas und Schulen – ebenso wie in Alten- und Pflegeheimen – bis zum Frühjahr 2022 aufrechterhalten werden sollten. Wieler sagte: «Wir wollen, dass Kitas und Schulen auf bleiben, aber bitte unter Beibehaltung von Schutzmaßnahmen.» Mehrere Bundesländer hatten zuletzt die Maskenpflicht an Schulen aufgehoben. News4teachers / mit Material der dpa
Wie im Märchen: Kultusminister erklären sich in der Corona-Krise für „erfolgreich“