BERLIN. In mehreren Bundesländern enden an diesem Freitag Corona-Beschränkungen, im Saarland auch die Maskenpflicht an Schulen. Der Lehrerverband warnt vor diesem Schritt. Das Robert-Koch-Institut (RKI) rechnet für Herbst und Winter mit einem Anstieg der Infektionszahlen. Schon jetzt hat die Zahl der registrierten Ausbrüche in Schulen und Kitas ein Niveau erreicht, das vergangenes Jahr erst im November festgestellt wurde – kurz darauf explodierte das Infektionsgeschehen.

Der Deutsche Lehrerverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lehnen – mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen – Lockerungen bei der Maskenpflicht an Schulen in mehreren Bundesländern ab. «Der Verzicht auf Testungen und die zu frühe Abschaffung der Maskenpflicht sowie die zu starke Reduzierung von Quarantänemaßnahmen erhöht die Gefahr, dass die Schule zur Black Box wird, was eine Kontrolle von Infektionen nicht mehr zulässt», sagte der Präsident des Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern betonte im RND, eine Maskenpflicht bleibe als «Teil des Maßnahmenbündels abhängig vom Infektionsgeschehen sinnvoll».
2 US Studien zeigen noch einmal klar, dass Masken in Schulen das Infektionsrisiko sehr stark senken. In den Schulen wurde aber nicht getestet. Meines Erachtens muss 3x /Woche in der Klasse getestet werden will man auf Maske verzichten. https://t.co/dl83MoZSet
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) September 29, 2021
Das Robert Koch-Institut (RKI) erwartet für Herbst und Winter derweil wieder einen Anstieg der Infektionszahlen. Als Gründe wurden insbesondere eine «noch immer große Zahl» ungeimpfter Menschen und die Zunahme von Kontakten in Innenräumen angeführt.
Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht hat die Lockerungen bei der Maskenpflicht in Schulen begrüßt
Mehrere Länder haben Lockerungen bei der Maskenpflicht an Schulen angekündigt oder bereits umgesetzt. Am Freitag fallen in mehreren Bundesländern zudem weitere Beschränkungen weg. In Bayern soll die Pflicht ab nächster Woche im Unterricht wegfallen. Auch in Baden-Württemberg wird ein solcher Schritt erwogen. In Berliner Schulen wird ab Montag die Maskenpflicht bis zur einschließlich sechsten Klasse aufgehoben. In Brandenburg ist das bereits der Fall. Nordrhein-Westfalen will in der nächsten Woche entscheiden, wie es mit dem Thema nach den Herbstferien weitergeht. Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte diese Lockerungen begrüßt, wie News4teachers berichtete.
Saarland muss ab diesem Freitag in Schulen generell keine Maske mehr getragen werden. In dem Land ist ab Freitag zudem Tanzen in Clubs wieder möglich. Nach einer neuen Corona-Verordnung fallen praktisch alle Einschränkungen für Geimpfte, Genesene und Getestete in dem Bundesland weg. Sie müssen auch in geschlossenen Räumen keine Maske mehr tragen, wenn die 3G-Regel angewandt wird. Der Mindestabstand ist nur noch eine Empfehlung.
Auch in Clubs und Diskotheken in Bayern darf ab diesem Wochenende nach knapp eineinhalb Jahren coronabedingter Zwangspause wieder gefeiert werden, und zwar ohne Abstand und Maske. In Nordrhein-Westfalen gilt ab Freitag keine Maskenpflicht im Freien mehr. In Fußballstadien, bei Konzerten und anderen Großveranstaltungen ist wieder mehr Publikum zugelassen.
Ein Drittel der Schüler über 12 ist vollständig geimpft – aber etwa 59 Prozent noch gar nicht
Aus Sicht von Lehrerverbandschef Meidinger sind die Schulen für die kältere Jahreszeit besser vorbereitet als vor einem Jahr. Meidinger geht «nach jetzigem Stand» auch nicht von kompletten oder teilweisen Schulschließungen mit damit verbundenem Distanz- und Wechselunterricht aus. Zwar seien die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen recht hoch. Es wachse durch die allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission aber auch schnell die Impfquote bei Schülern über zwölf Jahren. Bei Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sind laut Robert-Koch-Institut aktuell fast 34 Prozent bereits vollständig geimpft – aber etwa 59 Prozent noch ungeimpft. Für Schüler unter 12 gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte: «Immer noch sind 30 Prozent der Unter-60-Jährigen nicht geimpft. Wir unterschätzen diese enorme Zahl. Sie ist zu hoch, um einen Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern», sagte Lauterbach dem «Kölner Stadt-Anzeiger». «Das Virus wird sich weiter ausbreiten in der kalten Jahreszeit, in der sich das Leben wieder in geschlossene Räume verlagert.»
Das sieht auch das Robert-Koch-Institut so. Im aktuellen Wochenbericht zur Corona-Pandemie heißt es zwar: „Der seit Anfang Juli 2021 beobachtete Anstieg der 7-Tage-Inzidenz setzt sich derzeit nicht fort und die Werte sind innerhalb der letzten drei Wochen leicht zurückgegangen.“ Aber: „Die Fallzahlen sind allerdings deutlich höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Ein Anstieg der Infektionszahlen im Herbst und Winter ist zu erwarten. Gründe dafür sind insbesondere die noch immer große Zahl ungeimpfter Personen und mehr Kontakte in Innenräumen. Während in zwei Bundesländern (in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern, d. Red.) die 7-Tage-Inzidenz weiterhin leicht angestiegen ist, ist in den anderen Bundesländern ein Rückgang zu beobachten. Die derzeitige Entwicklung könnte auf einen Rückgang des Sommerreiseverkehrs, eine Abnahme der im Rahmen des Schulanfangs diagnostizierten Infektionen, die erreichte Impfquote, das vielerorts noch relativ milde Wetter und die Einführung der 2G- bzw. 3G-Regeln bei Fortbestehen der AHA+L-Regeln in vielen Bereichen zurückzuführen sein.“
Die Inzidenzen bei Schülern sind zwar gesunken – die dritte Woche in Folge, nachdem zuvor Rekordwerte erreicht worden waren. So liegt die Zahl der Neuansteckungen unter Zehn- bis 14-jährigen bezogen auf 100.000 Personen binnen einer Woche aktuell bei 168, drei Wochen zuvor hatte er bei 227 gelegen. Ähnlich die Lage bei den Grundschülern (Fünf- bis Neunjährigen) sowie bei den Sekundarstufe-II-Schülern. Hier sanken die Wert im Zeitraum von 188 auf 139 beziehungsweise von 197 auf 116. Damit liegt die Altersgruppe insgesamt allerdings immer noch weit über dem Bevölkerungsdurchschnitt von 64.
Aber auch hier gilt keine Entwarnung – im Gegenteil. So schreibt das RKI: „Von Mitte August bis Anfang September 2021 hat die Zahl an übermittelten Ausbrüchen in Kitas wieder zugenommen. Die weitere Entwicklung in den letzten zwei Wochen kann wegen Nachmeldungen noch nicht gut bewertet werden. Im Vergleich zu den Monaten Juli/August 2020, in denen die Altersgruppe 0-5 Jahre lediglich 27 % der an den Kita-Ausbrüchen beteiligten Fälle ausmachte, waren es in den Monaten Juli/August 2021 65 %. Die Zahl der übermittelten Schulausbrüche nahm von Anfang August bis Mitte September 2021 wieder sehr deutlich zu. Auch hier sind die letzten zwei Wochen noch nicht bewertbar.“
Die Maskenpflicht in Schulen schützt auch die Schüler. Wenn man Maske lässt sollte 3x pro Woche in Schule getestet werden. Ist ein Kind infiziert sollten alle Kinder der Klasse 5 Tage getestet werden. Mit dem System minimiert man Quarantäne ohne Masken. https://t.co/iT99KbFhBp
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) September 29, 2021
Zum ansteigenden Trend der Ausbruchshäufigkeit in Kitas und Schulen trügen vermutlich die aus den Ferien zurückkehrenden Kinder beziehungsweise das Betreuungspersonal bei, wobei (auch asymptomatische) Infektionen durch ausgeweitete Testaktivitäten frühzeitig erkannt würden. Dadurch wird ein beunruhigender Trend erkennbar: „Sowohl die übermittelte Ausbruchshäufigkeit in Kitas als auch in Schulen erreichte Anfang September 2021 ein Niveau, welches im Vorjahr erst Anfang November beobachtet werden konnte.“
Im August 2021 waren laut Bericht in Kita-Ausbrüchen mit durchschnittlich 5 Fällen pro Ausbruch (Median = 4 Fälle) etwas mehr Personen involviert als in Schulausbrüchen (durchschnittlich 4 Fälle pro Ausbruch; Median = 3 Fälle). „Es werden in beiden Settings vereinzelt aber auch größere Ausbrüche mit mehr als 10 Fällen pro Ausbruch übermittelt.“
Die Bildungsgewerkschaft VBE zeigte sich empört über die Lockerungsschritte der Länder. «Jedes kurze Aufatmen ob leicht sinkender Zahlen wird genutzt, um Schutzmaßnahmen in den Wind zu schießen», kritisierte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. «Bei schwächelnder Impfquote in der Gesamtgesellschaft und fehlender technischer Unterstützung für das Lüften kann das Maskentragen einen wirkungsvollen Schutzmechanismus anbieten, der nicht bedenkenlos abgeschafft werden sollte», sagte er. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zum aktuellen Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts.
Wissenschaftler warnen vor Lockerung der Maskenpflicht im Unterricht. Länder ignorieren das
