DÜSSELDORF. Trotz Kritik aus Eltern-, Schüler-, Lehrer- und Ärzteschaft sowie steigenden Corona-Zahlen hält die Regierung in Nordrhein-Westfalen an der Maskenfreiheit im Unterricht fest. Das Landeskabinett habe keine Aufhebung der Maßnahme erwogen, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Dienstag nach der Sitzung in Düsseldorf. In den Schulen gebe es «kein außergewöhnliches Infektionsgeschehen». Unter Schülern allerdings schon: Die Inzidenzen unter Fünf- bis 14-Jährigen sind landesweit aktuell bei knapp 300 angekommen.
In NRW ist die Maskenpflicht am Sitzplatz im Unterricht am 2. November gefallen. Die Regierung habe mit ihren vielen regelmäßigen Corona-Tests in den Klassen «sehr, sehr viel Sicherheit um diese Entscheidung rumgepackt», sagte Wüst. «Wir haben uns das nicht irgendwie leicht gemacht.»
Das Schulministerium assistiert mit relativierenden Zahlen: Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) betonte, die Schulen seien nach wie vor keine Pandemietreiber. Die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Schüler sei in NRW „weiter sehr gering“.
Tatsächlich allerdings verbirgt sich hinter den offiziellen Zahlen eine (vom Ministerum natürlich nicht benannte) Steigerung der Infektionsfälle um mehr als ein Drittel – in nur einer Woche. Die Schulen meldeten nämlich 5.034 bestätigte Corona-Fälle unter den Schülerinnen und Schülern – das waren laut Ministerium 0,26 Prozent, nach 0,17 Prozent in der Vorwoche (die Landesregierung bevorzugt bei Kindern und Jugendlichen niedrig klingende Prozentzahlen statt der sonst in der Pandemie-Berichterstattung üblichen Inzidenzen).
Zum Stichtag 3. November hätten sich landesweit 16.402 Schüler in einer behördlich angeordneten Quarantäne befunden – das waren 0,8 Prozent, nach 0,5 Prozent in der Woche zuvor. Auch das: Eine Steigerung um mehr als ein Drittel, obwohl praktisch nur noch infizierte Kinder zu Hause bleiben mussten. Ihre Sitznachbarn wurden bis dato nicht in Quarantäne geschickt. Das Auslaufen der Maskenpflicht am 2. November ist in der Wochenabfrage nicht berücksichtigt, so stellt das Ministerium klar.
Der Blick auf die Corona-Meldelage des Landesgesundheitszentrums zeigt denn auch ein deutlich anderes Bild als das von Wüst und Gebauer gezeichnete: Am 3. November lag die Inzidenz bei den Fünf- bis Neunjährigen bei 219,6 – knapp eine Woche später, am 8. November, erreichte sie schon 297,1. Ähnlich die Entwicklung bei den Zehn- bis 14-Jährigen: am 2. November 233,4 – am 8. November 297,5. Erst einmal im Verlauf der Pandemie, und zwar unmittelbar nach den Sommerferien, wurden höhere Inzidenzen in den Altersgruppen verzeichnet.
Aktuell sind zwei weitere NRW-Kommunen hinzugekommen, deren Inzidenz bei den Fünf- bis 14-Jährigen die höchst kritische Marke von 500 übersprungen hat: der Kreis Gütersloh (531) und – als neuer Negativ-Rekordhalter – der Kreis Minden-Lübbecke (618). Die Stadt Leverkusen liegt schon seit Tagen im dunkelroten Inzidenzbereich, sie verzeichnet aktuell bei den Schülern einen Wert von 568. Konsequenzen für den Schulbetrieb hat das keine, obwohl im Kreis Gütersloh zum Beispiel derzeit mehr als 70 Schulen von Corona-Fällen betroffen sind.
«Ich appelliere an das Land, die Maskenpflicht in Schulen umgehend wieder einzuführen»
Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) hatte die Aufhebung der Maskenpflicht an den Schulen in Nordrhein-Westfalen am Wochenende als falsches Signal kritisiert. «Ich appelliere an das Land, die Maskenpflicht in Schulen umgehend wieder einzuführen. Bei Kindern und Jugendlichen sind die Inzidenzen einfach zu hoch», sagte Keller gegenüber der “Rheinischen Post”.
Er blicke mit großer Sorge auf den Winter, «weil wir ausgerechnet in einer sich zuspitzenden Situation auf einfache Schutzmaßnahmen verzichten. Wir müssen viel wachsamer sein», sagte er in dem Zeitungsinterview. «Wir sind mit dem Impfen einfach noch nicht so weit, dass wir uns Sorglosigkeit erlauben könnten.» Auch die oppositionelle SPD fordert die Wiedereinführung der Maskenpflicht im Unterricht. News4teachers / mit Material der dpa
