BERLIN. Deutschland lässt das Coronavirus praktisch frei durch die Kitas und Schulen laufen – und gibt damit die Kinder der Durchseuchung preis. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat am Donnerstagabend beschlossen, dass weitere Belastungen für Kinder und Jugendliche zu vermeiden und sie gleichzeitig bestmöglich zu schützen seien. Konkrete Schutzmaßnahmen für die Bildungseinrichtungen? Fehlanzeige. Stattdessen wird die Notbremse abgebaut: Schulschließungen in der Fläche gehören nicht zu den Optionen, die den Ländern im weiteren Verlauf der Pandemie eingeräumt werden. Das Robert-Koch-Institut meldet unterdessen bundesweite Inzidenzen von 780 für Zehn- bis 14-Jährige und 625 für Fünf- bis Neunjährige – fast eine Verdoppelung gegenüber der Vorwoche.
Die Länder bekommen laut einem Bericht des NDR zwar die Möglichkeit, bestimmte Maßnahmen wie Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und Verbote von Veranstaltungen in Freizeit, Kultur und Sport aufrechtzuerhalten. Ausgangsbeschränkungen, Reiseverbote, Schul- und Geschäftsschließungen aber zählen nicht zu den aufgeführten Optionen. Lediglich eine Übergangsfrist gilt: Falls Länder noch nach der bisherigen Rechtslage tiefgreifenderen Maßnahmen anordnen, könnten diese bis maximal zum 15. Dezember in Kraft bleiben.
„Grundsätzlich hält die GEW das Ziel für richtig, Schulen und Kitas so lange wie möglich geöffnet zu halten“
Die GEW unterstützt die Linie von Bund und Ländern, Schulen und Kitas offenzuhalten, kritisiert aber nach der Ministerpräsidentenkonferenz, es seien dafür erneut nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen worden. „Grundsätzlich hält die GEW das Ziel der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Ministerpräsidenten für richtig, Schulen und Kitas so lange wie möglich geöffnet zu halten“, sagte GEW-Chefin Maike Finnern dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Dafür müssen Länder und Kommunen aber endlich die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Das ist bisher nur unzureichend geschehen“, fügte sie hinzu.
Die Politiker*innen haben heute, am 18. 11. 2021, beschlossen die Kinder in diesem Land zu durchseuchen. 😧#BildungAberSicher
— #BildungAberSicher (@BildungSicher) November 18, 2021
Finnern forderte: „Die Impfkampagne muss weiter konsequent vorangetrieben werden.“ Alle Lehrkräfte müssten spätestens sechs Monate nach ihrer Zweitimpfung schnell und unbürokratisch ein Boosterimpfangebot erhalten, sagte sie. „Zudem müssen die 12- bis 17-Jährigen, von denen viele noch nicht geimpft werden konnten, dringend in den Fokus genommen werden.“ Einen zugelassenen Impfstoff für jüngere Kinder gibt es in Deutschland bislang nicht. In den USA dagegen dürfen Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren seit zwei Wochen geimpft werden. Dem hatte die oberste Gesundheitsbehörde CDC zugestimmt. US-Präsident Joe Biden sprach von einem „Wendepunkt“ im Kampf gegen Corona.
Für den Kinderschutz sind die gestern beschlossen Massnahmen kurzfristig nutzlos. Die Kinder sitzen in unsicheren Schulen bei Inzidenzen tw. über 2000 und gleichzeitiger Präsenzpflicht! Wenn die Politik es nicht schafft Schule sicher zu gestalten, können Kinder dort nicht hin! /1
— TeamKinderschutz (@TKinderschutz) November 19, 2021
In zwei deutschen Landkreisen sind die Inzidenzen unter Fünf- bis 14-Jährigen mittlerweile auf Horror-Werte über 3.000 geschossen
Das geschieht derzeit massenhaft, wie das Robert-Koch-Institut feststellt: „Bei der Zahl der übermittelten Schulausbrüche konnte nach einem kurzseitigen Rückgang während der Herbstferien Mitte Oktober 2021 ein erneuter Anstieg beobachtet werden und liegt weiterhin höher als in allen vorausgegangenen Wellen der Pandemie. Bisher wurden 856 Schulausbrüche für die letzten vier Wochen (Meldewochen 42 – 45/2021) übermittelt.“ Allerdings seien die letzten beiden Wochen aufgrund von Nachmeldungen noch nicht bewertbar.
Das Ansteckungsniveau unter Schülern hat unterdessen ein Rekordniveau erreicht: Das RKI verzeichnet bundesweite Inzidenzen von 780 für Zehn- bis 14-Jährige, und 625 für Fünf- bis Neunjährige – was fast eine Verdoppelung der Zahlen binnen sieben Tagen bedeutet: In der vergangenen Woche war ein Wert von 416 für Zehn- bis 14-Jährige gemeldet worden, von 350 für Zehn- bis 14-Jährige.
Sebastian Mohr, Physiker und Statistiker in einer Wissenschaftler-Gruppe um die Max-Planck-Forscherin Viola Priesemann, sammelt aktuelle Corona-Daten und veröffentlicht sie fortlaufend in einer Übersichtskarte mit Inzidenzen in den Städten und Kreisen in Deutschland, die sich auch nach Alter spezifizieren lässt.
Während die Politik in Deutschland immer noch so tut, als ob Kinder #Corona nicht bekommen könnten und sie daher kaum schützt, gehört #COVID19 in den #USA mittlerweile zu den Top 10 Erkrankungen, an denen Kinder sterben. 25 Prozent aller Corona-Erkrankungen dort betreffen Kinder
— Niema Movassat (@NiemaMovassat) November 19, 2021
Das Bild, das sich dabei zeigt: In grob der Hälfte der deutschen Städte und Landkreise liegen die Inzidenzen unter Fünf- bis 14-Jährigen mittlerweile bei Werten über 500, in geschätzt einem Fünftel sogar bei Werten zwischen 1.000 und 2.000. In zwei deutschen – genauer: zwei Brandenburger – Landkreisen sind die Kinder-Inzidenzen mittlerweile auf Horror-Werte über 3.000 geschossen: Elbe-Elster meldet 3.358, Oberspreewald-Lausitz 3.073. Der Schulbetrieb dort läuft uneingeschränkt weiter.
Eine rechtliche Möglichkeit für Eltern, ihre Kinder vom Infektionsgeschehen fern zu halten, gibt es in der Regel nicht: In allen Bundesländern gilt weiter die Präsenzpflicht in den Schulen. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zum aktuellen Wochenbericht des RKI.
Mehr Schutz! Das RKI spricht sich gegen Durchseuchung von Kita-Kindern und Schülern aus