KÖLN. Der Umgang mit Schülern, die besondere Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben und Rechnen aufweisen, ist an Schulen „ungenügend“ – meint der Kölner Arbeitskreis LRS & Dyskalkulie. Durch die Pandemie gerieten betroffene Kinder und Jugendliche immer mehr aus dem Fokus der Lehrkräfte. Hinzu komme die mangelnde Umsetzung der schulrechtlichen Vorgaben. Es mangele an der Haltung gegenüber der Problematik – und zwar bei den Aufsichtsbehörden, kritisiert der Verband. Letztlich würden auch die Lehrerinnen und Lehrer mit den Problemen allein gelassen.
„Die Rechtschreibleistungen werden nicht in die Beurteilung der schriftlichen Arbeiten und Übungen im Fach Deutsch oder in einem anderen Fach mit einbezogen“, so heißt es beispielsweise im sogenannten LRS-Erlass (das Kürzel steht für Lese-Rechtschreib-Schwäche) des Landes Nordrhein-Westfalen. Und: „Bei Entscheidungen über die Versetzung oder die Vergabe von Abschlüssen dürfen die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben nicht den Ausschlag geben.“ Mit dem Runderlass, der mittlerweile 30 Jahre alt ist, wird die „Förderung von Schülerinnen und Schülern bei besonderen Schwierigkeiten im Erlernen des Lesens und Rechtschreibens“ (LRS) in den Schulen umfassend geregelt.
“Nicht selten geraten Schüler in einen Teufelskreis aus Frustration, Prüfungsangst und mangelndem Selbstwertgefühl”
Das Problem, so stellt der Kölner Arbeitskreis LRS & Dyskalkulie fest: „Vielen Schulen ist der sog. LRS-Erlass nicht bekannt, unzureichend bekannt oder wird falsch interpretiert. Leider gibt es auch in Reihen der Bezirksregierung unterschiedliche Meinungen hierzu. Die Problematik zieht sich durch alle Schulformen und Schulstufen.“
Bei der Rechenschwäche – der Dyskalkulie – sei die Situation noch dramatischer als bei der LRS. Die Leidtragenden seien die Schüler. „Einen Erlass für Rechenschwäche lehnt die Schulministerin in NRW mit einem nicht zutreffenden Verweis auf ‚fehlende Evidenz‘ grundlegend ab. Nicht selten geraten Schüler durch fehlende oder falsche Förderung und fehlende Unterstützung in einen Teufelskreis aus Frustration, Prüfungsangst und mangelndem Selbstwertgefühl. Aus Schullust wird Schulfrust“, so stellt der Verband fest.
Folgende Schwierigkeiten gibt es an Schulen bei der Umsetzung der schulrechtlichen Vorgaben:
- „Lese-, Rechtschreib- und Rechenschwäche fallen oft zu spät oder gar nicht auf,
- der LRS-Erlass wird für eine KANN-Bestimmung gehalten,
- Schulen fordern von Eltern, zum Teil jährlich, ein fachärztliches Attest ein,
- es wird der lückenlose Nachweis einer außerschulischen Förderung eingefordert,
- die Maßnahmen bzgl. der Leistungsmessung (Notenschutz und Nachteilsausgleich) werden nur bis zum Ende der 6. Klasse gewährt.“
Durch nur unzulänglich umgesetzte schulrechtliche Vorgaben (bis hin zu Falschaussagen) erführen Kinder mit LRS und Dyskalkulie an den Schulen zusätzliche Schwierigkeiten, dabei könnten sie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln effektiv unterstützt werden, heißt es.
Die Folgen seien zum Teil dramatisch:
- „zum Ende der 6. Klasse wird Eltern von betroffenen Schülern nahegelegt die Schulform zu wechseln, gerade auch an Gymnasien,
- Schüler erhalten eine schlechtere oder eingeschränkte Schulformempfehlung,
- Notenschutz wird als eine Form des Nachteilsausgleichs missverstanden. Die Folge: Viele Lehrkräfte und auch Mitarbeiter der Bezirksregierung vertreten die Meinung, dass nur eine der beiden Maßnahmen gewährt werden müssen,
- Notenschutz wird nicht in allen Fächern gewährt, vor allem nicht in Fremdsprachen,
- der Nachteilsausgleich wird nicht nach individuellen Bedürfnissen gewährt, meistens nur in Form einer Zeitverlängerung von 5-10 Minuten,
- Zeitverlängerungen werden nur zur Korrektur der Rechtschreibfehler gewährt,
- binnendifferenzierte Förderung findet nur selten statt,
- Eltern müssen Anträge für Notenschutz und Nachteilsausgleich stellen,
- Schulen teilen den Eltern mit, dass sie den Nachteilsausgleich für die ZP10 bei der Bezirksregierung beantragen müssen,
- die Bezirksregierung gewährt den Nachteilsausgleich oft nur in Form einer Zeitverlängerung und nicht, wie er vorher dokumentiert und gewährt wurde, Aussage der Bezirksregierung unserem Verein gegenüber ‚Andere Bezirksregierungen machen das auch so.‘“
Fazit des Arbeitskreises: Schüler mit einer Rechenschwäche würden so gut wie gar nicht unterstützt bzw. gefördert. Viele Lehrkräfte nutzten den pädagogischen Gestaltungsspielraum nicht. „Wir möchten erreichen, dass die Chancengleichheit für betroffene Schüler hergestellt wird, sie individuell gefördert und die schulrechtlichen Vorgaben umgesetzt werden. Bei dieser Aufgabe unterstützen wir nicht nur die Eltern sondern auch die Lehrkräfte, die vom System ebenso allein gelassen werden. Aus diesem Grund haben wir uns aktuell erneut an die Bezirksregierung gewandt, um eine Zusammenarbeit zu erreichen und gemeinsam eine Lösung zu finden.“ News4teachers
Hier geht es zum LRS-Runderlass des Schulministeriums NRW.