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Beim Thema Impfpflicht zeigt sich einmal mehr: Die Interessen von Kindern sind in Deutschland egal

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BERLIN. Kaum ein Politiker vergisst in diesen Tagen, sein Mitgefühl mit den Kindern zu bekunden. Die hätten in der Pandemie ja schon so viel gelitten – jetzt müssten doch mal die Erwachsenen zurückstehen. Beim Thema Impfpflicht zeigt sich allerdings einmal mehr, wie die Prioritäten in diesem Land tatsächlich gesetzt sind: Kinder zuletzt.

Hatte sich für eine Impfpflicht ausgesprochen: Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: Alexandros Michailidis / Shutterstock

Erst in der vergangenen Woche haben die Kultusminister der Länder sich mit einem dringenden Aufruf zur Impfung an die Erwachsenen in Deutschland gewandt. Denn: „Das Offenhalten von Bildungseinrichtungen ist wichtig, weil wir den Zugang von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Bildung, ihr soziales Miteinander und ihr Recht auf Teilhabe sichern wollen“, erklärte KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU), Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, dazu.

Der einleuchtende Hintergrund: Eine hohe Impfquote, darüber herrscht Einigkeit, würde auch den Schulen nützen. Wenn das Infektionsgeschehen nämlich insgesamt ruhig ist, dann läuft der Präsenzunterricht weitgehend ungestört. Umgekehrt gilt: Wenn die Inzidenzen außerhalb der Schulen hoch sind, dann trägt das auch wieder Infektionen in die Schulen hinein.

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Der Appell der KMK reiht sich ein in eine Serie ähnlich lautender Statements von Kultusministerinnen und Kultusministern jeder Couleur. „Nicht so viel Verständnis habe ich, wenn Erwachsene sich nicht impfen lassen, vor allem die, die es auch gesundheitlich können. Wer seine Kinder in der Pandemie schützen will, der muss sich als Eltern impfen lassen. Das gilt für Lehrkräfte und alle, die in Schulen arbeiten sowieso“, sagte Prien im August.

„Wir brauchen jetzt die Solidarität der Erwachsenen, der noch nicht geimpften Menschen“

Im September dann erklärte Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne): Wichtigstes Instrument gegen das Virus sei die Impfung. Deswegen seien besonders Erwachsene in der Pflicht. „Wir brauchen jetzt die Solidarität der Erwachsenen, der noch nicht geimpften Menschen“, meinte Schopper. Man müsse verhindern, dass die vierte Welle in die Schulen schwappt. „Die Corona-Erkrankungen wollen wir aus den Schulen fernhalten.“

Als das Mitte November erkennbar nicht funktionierte, meldete sich Saarlands Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) zu Wort: „Es sind einfach zu wenig erwachsene Menschen geimpft, und die vierte Welle schlägt deswegen mit voller Kraft zu. Das können wir an unseren Schulen ablesen“, befand sie. Wütend machten die Ministerin nach eigenem Bekunden Impfgegner und Corona-Skeptiker. „Ich bin einfach sauer, dass es immer noch Menschen gibt in dieser Gesellschaft, die glauben, mit ihrer Impfverweigerung auf der sicheren Seite zu stehen.“

Leider gibt es auch immer noch Politikerinnen und Politiker, die glauben, diese Klientel hofieren zu müssen.

Vorläufiger Höhepunkt: Das Herumeiern der Ampel-Koalition am Wochenende um eine Impfpflicht in Deutschland. Die hatte Bundeskanzler Olaf Scholz („Wer bei mir Führung bestellt, bekommt auch welche“) eigentlich für Ende Februar / Anfang März in Aussicht gestellt. Politiker von SPD und Grünen dämpften allerdings am Wochenende Erwartungen an einen raschen Beschluss des Bundestages.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte dem Berliner «Tagesspiegel»: «Die Beratungen im Bundestag sollten wir im ersten Quartal zum Abschluss bringen.» Das sei ein anspruchsvoller Zeitplan. Mit Blick auf mögliche Verzögerungen betonte Wiese, die Impfpflicht wirke ohnehin nicht kurzfristig, sondern sei «perspektivisch eine Vorsorge für den kommenden Herbst und Winter». Subtext: Eh‘ nicht so wichtig.

“Das ist keine einfache Entscheidung, das bedeutet einen tiefen Eingriff”

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, betonte: «Das ist keine einfache Entscheidung, das bedeutet einen tiefen Eingriff.» In den Fraktionen müsse zunächst diskutiert werden, welche Vorstellungen es gebe. «Und dann können wir Ende Januar die öffentliche Debatte im Bundestag darüber führen», sagte Haßelmann. Die Frage sei «so relevant und weitgehend», dass es eine «fundierte und sehr sorgfältige Beratung» brauche.

Haßelmann selbst sprach sich zwar für eine Impfpflicht aus. Eine schnelle Entscheidung wird es – wenn überhaupt – aber voraussichtlich nicht geben. Im Gespräch ist zunächst eine ergebnisoffene «Orientierungsdebatte» im Januar. Über eine Impfpflicht soll der Bundestag dann, wenn überhaupt, ohne Fraktionsvorgaben abstimmen – als Gewissensentscheidung.

Gewissensentscheidung? Inzwischen seien Zig-Millionen Menschen geimpft und «niemand ist ein Alien geworden» – erklärte Scholz bereits vor der Bundestagswahl. Welches Gewissen also muss man befragen, um Bürgerinnen und Bürger zu verpflichten, nach zwei Jahren Dauerkrise mit einer mittlerweile etablierten Impfung den Kindern, sich selbst und allen anderen Mitmenschen wieder zu einem normalen Leben zu verhelfen?

Keine Gewissensentscheidung ist es dagegen, die Kitas und Schulen in Deutschland weiterhin ohne wirksamen Infektionsschutz zu lassen – und damit Kinder und Jugendliche de facto zur Durchseuchung freizugeben. Wie hatte Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) noch Mitte Dezember so schön gesagt? Kinder hätten in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren «besonders gelitten». Ihr Alltag in Kitas und Schulen sei «viel stärker eingeschränkt» gewesen als der Arbeitsalltag von Erwachsenen, sagte sie. Das müsse, so Spiegel, von der Politik nun berücksichtigt werden. Ja, ja …

Wenn es dann aber zum Schwur kommt, tauchen alle verantwortlichen Politikerinnen und Politiker schnell wieder ab: ob mobile Luftfilter, Entzerrung des Schülertransports, besondere Förderung für Kinder aus sozial schwachen Familien, Verkleinerung der Klassen oder eben jetzt eine allgemeine Impfpflicht – alles, was Kindern in der Pandemie wirklich genützt und den in Sonntagsreden ach so wichtigen Präsenzunterricht gesichert hätte, wurde beiseite geschoben. News4teachers / mit Material der dpa

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