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Gebauer weist (begründete) Zweifel an Schüler-Selbsttests zurück – und wird giftig

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NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat Kritik des SPD-Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty an den von ihr beschafften Corona-Tests für Schulen scharf zurückgewiesen. Zu scharf? «Brandgefährlich sind nicht die geprüften, hochsensitiven Tests oder das bundesweit einmalige Lolli-PCR-Testverfahren, sondern ein wahlkämpfender SPD-Spitzenkandidat, der ohne Rücksicht auf Verluste und offensichtlich gezielt Verunsicherung bei Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften schürt», teilte Gebauer mit. Dabei sind Zweifel durchaus berechtigt.

Im Wahlkampfmodus: Schulministerin Yvonne Gebauer, hier bei einer Pressekonferenz im vergangenen September. Foto: Land NRW / Martin Götz

«Mit seiner Verdrehung von Tatsachen und der Behauptung, unsere Tests könnten keine Coronaviren entdecken, stellt der SPD-Fraktionsvorsitzende sogar leichtfertig die wissenschaftliche Expertise und Glaubwürdigkeit des Paul-Ehrlich-Instituts in Frage», kritisierte Gebauer. Dies sei immerhin eine Institution, die seinem SPD-Kollegen, dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, unterstehe. Das Paul-Ehrlich-Institut habe die verwendeten Tests offiziell positiv gelistet.

Allerdings stellt Kutschaty keineswegs die Expertise des Paul-Ehrlich-Instituts in Frage (so kurios der Vorwurf von einer Schulministerin, die seit anderthalb Jahren das Robert-Koch-Institut ignoriert, auch klingen mag).

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Richtig ist: Das Paul-Ehrlich-Institut, das im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums 245 Selbsttests auf ihre Sensivität hinsichtlich Omikron hin geprüft hat, sieht bei den vom Schulministerium für die weiterführenden Schulen bestellten Tests (laut „Rheinischer Post“ Produkte mit dem Namen „Wantai Sars-CoV-2 Antigen Kolloidales Gold“) die Mindestanforderungen erfüllt.

Die allerdings sind erkennbar niedrig angesetzt. Wie News4teachers aufgedeckt hat, weisen die Tests dieser Marke nur eine Sensitivität von 50 Prozent gegenüber den als «Goldstandard» geltenden PCR-Tests auf – ein deutlich unterdurchschnittlicher Wert. So wird für einige der vom Paul-Ehrlich-Institut geprüften Tests eine Sensitivität von 100 Prozent angegeben. Als Mindestanforderung gilt ein Wert von 30 Prozent.

Es wird bei jedem Testdurchgang – wenn überhaupt – wohl nur ein Bruchteil der tatsächlichen Neuinfektionen erfasst

Während die vom Schulministerium bestellten Schnelltests laut Prüfbericht bei sehr hohen Viruslasten noch zuverlässig reagieren, liegt ihre Empfindlichkeit bei mittleren Viruslasten bei nur 25 Prozent und bei niedrigen bei null. In der Praxis der NRW-Schulen bedeutet das: Es wird bei jedem Testdurchgang – wenn überhaupt – wohl nur ein Bruchteil der tatsächlichen Neuinfektionen erfasst. Vom «hochsensitiv», wie Gebauer behauptet, kann also keine Rede sein.

Tatsächlich stehen die Mindestanforderungen des Paul-Ehrlich-Instituts mittlerweile in der Kritik. Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Test in der Bewertung des Instituts nicht durchfalle, wenn er zwar bei «sehr hoher Viruslast» sicher anschlage, aber bei lediglich «hoher Viruslast» nur schlecht funktioniere, erklärte der Gesundheitsmarktexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Arne Weinberg, im ARD-Hauptstadtstudio.

Kutschaty hatte nach dem News4teachers-Bericht öffentlich Zweifel an der Zuverlässigkeit der Schnelltests, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler selbst testen sollen, angemeldet. «Die von der Landesregierung angeschafften Tests haben offensichtlich nicht die erhöhte Sensibilität, um Coronaviren auch tatsächlich entdecken zu können», sagte er. «Das ist brandgefährlich.»

Am Montag dann forderten SPD und Grüne von der Landesregierung Aufklärung zur Wirksamkeit der neuen Antigen-Selbsttests an den weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen auf. Das Schulministerium erklärte, die neuen Selbsttests reagierten ebenso wie die bisher verwendeten Tests auf alle bekannten Virusvarianten einschließlich Omikron. Die Tests würden auch in anderen Bundesländern eingesetzt.

Warum sich das Schulministerium bei der Beschaffung – die erste Lieferung durch einen neuen Vertragspartner erfolgte erst am Montag – offensichtlich nicht an der am 14. Dezember veröffentlichten Liste des Paul-Ehrlich-Instituts orientiert und die wirkungsvollsten Tests bestellt hat, bleibt allerdings offen. Dazu: keine Erklärung von Gebauer.

«Die Landesregierung tritt die Gesundheit der Lehrkräfte und Schüler:innen weiter mit Füßen»

Das kritisiert auch die Piraten-Partei. Oliver Ding, Listenkandidat zur Landtagswahl, erklärt: «Während bereits vor Schulstart die Fallzahlen in NRW explodieren, wechselt das Schulministerium für die weiterführenden Schulen auf einen zur Früherkennung von Infektionen unzuverlässigen Schnelltest.» Der Produktwechsel spare womöglich kurzfristig Kosten. «Durch die noch spätere Erkennung von Ansteckungen wird er aber für deutlich mehr Ansteckungen im Schulkontext sorgen. Das macht die erkenntnisresistente Beibehaltung der Präsenzpflicht in den Schulen umso kritischer. Die Landesregierung tritt die Gesundheit der Lehrkräfte und Schüler:innen weiter mit Füßen.» News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zu den beiden Listen mit positiv und negativ bewerteten Schnelltest-Produkten.  

Kutschaty: Corona-Tests an Schulen zu langsam ausgewertet! Grundschule musste deshalb schließen

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