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Querdenker bedrohen Lehrer und Kita-Fachkräfte – VBE fordert von den Ländern: Kollegien nicht im Stich lassen!

BERLIN. Bundesweit haben in zahlreichen Städten wieder Menschen gegen die Corona-Politik protestiert. Bei den Aufmärschen wird zunehmend deutlich, dass sich die Szene radikalisiert. Das bekommen auch Kitas und Schulen zu spüren. Die Bundesregierung berichtet von konkreten Drohungen und Aktionen von sogenannten Querdenkern gegen Lehrer und Kita-Fachkräfte.

In sozialen Medien wie Titter lässt sich die Radikalisierung gut beobachten. Screenshot

Der Chef des Bundesverfassungsschutzes sieht eine neue Szene von Staatsfeinden heranwachsen. Diese ließen sich den bisherigen Kategorien wie Rechts- oder Linksextremismus nicht mehr eindeutig zuordnen, erklärt Thomas Haldenwang der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Sie verbinde keine ideologische Klammer, sondern die Verachtung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Repräsentanten. «Sie lehnen unser demokratisches Staatswesen grundlegend ab.»

Die Pandemie sei für diese Leute nur der Aufhänger. Die Extremisten bräuchten letztlich kein spezifisches Thema. «Ob das jetzt Corona ist oder die Flüchtlingspolitik. Oder auch die Flutkatastrophe: Da hat man teilweise die gleichen Leute gesehen, die versuchten, den Eindruck zu vermitteln, der Staat versage und tue nichts für die Menschen», sagte´ Haldenwang. Wie groß die Szene sei, könne man noch nicht verlässlich sagen, weil sie ausgesprochen heterogen sei.

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Das Wochenende ließ die Größenordnung allerdings erahnen: Demonstrationen gegen die Corona-Politikmit jeweils mehreren Tausend Teilnehmerinnen und Teilnermern wurden aus Düsseldorf, Freiburg, Hamburg, Augsburg und Cottbus gemeldet. «Wir treffen immer mehr gewaltbereite Teilnehmer, das Aggressionspotenzial steigt», sagt die Präsidentin des Polizeipräsidiums Rostock, Anja Hamann. In Rostock werden ebenso wie in weiteren Städten bundesweit für Montag die nächsten Proteste erwartet. Hamann fordert die friedlichen Demonstrationsteilnehmer auf, sich von den gewaltbereiten Teilnehmern zu distanzieren.

Mit dem Thema Kinder lässt sich hervorragend emotionalisieren. Sogenannte Querdenker, Reichsbürger und Selbstverwalter nehmen deshalb zunehmend Schulen und Kitas ins Visier genommen. Der Bundesregierung sei bekannt, dass Gegner der Corona-Maßnahmen und der Impfkampagne in einzelnen Fällen vor Schulgebäuden demonstrierten und «dabei zuweilen auch das Zwiegespräch mit Schülern suchten». Das ergab sich aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. «Hierbei handelte es sich zum Teil auch um führende Personen der “Querdenken-Bewegung”», schreibt das Ministerium weiter.

Zudem berichtet die Regierung von Briefen, E-Mails und Drohschreiben, die Reichsbürger und sogenannte Selbstverwalter an Schulen, Behörden, Lehrerkollegien und Kitas gesendet haben. In manchen Schreiben werden demnach «pseudojuristische Argumente» angeführt, die den Corona- oder Masken-Verordnungen ihre Rechtsgültigkeit absprechen. Reichsbürger und Selbstverwalter erkennen die Bundesrepublik Deutschland und ihr Rechtssystem nicht an. Ob es im Zusammenhang mit den genannten Aktionen auch zu Straftaten kam, dazu habe das Innenministerium «keine Erkenntnisse».

«Schulleitungen und Lehrkräfte dürfen in dieser belastenden Situation nicht im Stich gelassen werden»

Die Informationen der Bundesregierung bestätigen Befunde einer repräsentativen Umfrage der Bildungsgewerkschaft VBE, an der Lehrkräfte im Mai teilnahmen (wie News4teachers berichtete). 22 Prozent hatten darin angegeben, dass sie an der eigenen Schule Beschimpfungen, Bedrohungen oder Beleidigungen im «Zusammenhang mit der Durchsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen» erlebt hatten. 25 Prozent der Befragten berichteten von Beschimpfungen und Bedrohungen per Mail oder in Chats.

Rund sieben Prozent der Lehrkräfte gaben auch an, persönlich von solchen Vorfällen betroffen gewesen zu sein. Als Beispiele wurden Drohungen beim Elternabend, eskalierende Gespräche, Briefe sowie Drohungen mit Strafanzeigen und Berufsverboten genannt. Der Verband berichtete auch von Plakataktionen und Demonstrationen im Umfeld von Schulen. Anwaltsschreiben oder standardisierte Schreiben, die sich Eltern im Netz heruntergeladen haben, seien an Lehrer verschickt worden.

Der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann rief die Bundesländer mit Hinblick auf die neuen Erkenntnisse der Bundesregierung dazu auf, «als Dienstherr» ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen. Etwaige Angriffe auf Lehrkräfte müssten konsequent verfolgt und angemessen geahndet werden. «Schulleitungen und Lehrkräfte dürfen in dieser belastenden Situation nicht im Stich gelassen werden.»

Die Bildungsexpertin der Linken, Nicole Gohlke, nannte die Befunde alarmierend. «Ich erwarte vom Bundeskriminalamt und den Länderpolizeien, dass sie alles dafür tun, damit Beschäftigte und Kinder ohne Angst vor Einschüchterungen in die Schulen und Kitas gehen können.» Was heute noch Hetze ist, könnte sehr bald in tätliche Übergriffe übergehen, warnt sie.

In Düsseldorf zogen am Samstag mehr als 7.000 Gegner einer möglichen Corona-Impfpflicht durch die Innenstadt. Die Demonstration sei «weitgehend störungsfrei und friedlich» verlaufen, hieß es am Samstagabend von der Polizei. In Freiburg demonstrierten am Samstagnachmittag etwa 6.000 Menschen gegen die Corona-Politik. Vor der Kunsthalle in Hamburg versammelten sich etwa 3.000 Gegner der Corona-Maßnahmen. Beamte forderten sie auf, sich zu entfernen. Lautsprecherdurchsagen wurden mit Pfiffen und Sprechchören quittiert. Als die Demonstranten sich nicht entfernten, wurden sie von der Polizei abgedrängt. Auch die Reiterstaffel war im Einsatz. Es kam zu einzelnen Handgreiflichkeiten. Die allermeisten Teilnehmer trugen keine Masken. News4teachers / mit Material der dpa

Wut von „Querdenkern“ steigt. Lehrer und Wissenschaftler bekommen das zu spüren

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