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“Uns bleibt wieder nur die schreckliche Wahl zwischen Gesundheit und Bildung”

BERLIN. Frohes neues Jahr? Von wegen – für viele Familien beginnt 2022 mit der Sorge, dass sich ihre Kinder im weitgehend ungeschützten Präsenzunterricht mit Corona infizieren. Die Politik schürt die Ängste noch, indem sie angesichts von Omikron einerseits mit drastischen Worten vor sozialen Kontakten warnt, andererseits in Kitas und Schulen überhaupt keine Anstalten unternimmt, um diese einzuschränken oder zumindest sicherer zu gestalten. Zwei Mütter (eine davon selbst Lehrerin) haben sich im Leserforum mit lesenswerten Kommentaren zu Wort gemeldet. Wir dokumentieren die Posts hier noch einmal.

Die Widersprüche in der Corona-Politik machen immer mehr Menschen wütend. Illustration: Shutterstock

Mutter aus NRW 1. Januar 2022 um 16:34

Ich verstehe es einfach nicht und bin mittlerweile einfach nur noch müde. Kann mir das mal bitte jemand erklären als wäre ich 3 Jahre alt?

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  1. Wir müssen achtgeben und unsere Kontakte reduzieren. Soweit klar, aber wie passt das mit offenen Schulen und Kitas zusammen? Wenn man doch dort 30 Personen aus verschiedenen Haushalten über Stunden in einen Raum stecken kann, mit Masken und Lüften. Warum darf ich mich dann nicht mit allen zu Kindern gehörenden Eltern zum Stammtisch in einem Raum mit Fenstern treffen? Noch nicht mal unter Maskenpflicht mit 2G+?
  2. Warum wird immer auf die immensen Folgen für Kinder und Jugendliche hingewiesen, wenn Schulen geschlossen werden? Was ist mit den Folgen, die eine Infektion für die Schüler und deren Familien hat? Was ist mit der psychischen Belastung, die unter den tollen offenen Einrichtungen auf den Kindern und Jugendlichen liegt, weil sie Sorge haben Angehörige anzustecken, an Long Covid zu erkranken oder durch wiederholte Quarantäne den Anschluss zu verpassen?
  3. Warum wurde in Schulen und Kitas nicht in Luftfilter oder Plexiglaswände investiert? Es wird behauptet das diese nichts bringen und Lüften ausreicht. Warum reicht dann Lüften nicht auch in Ministerien, Ämtern, Arztpraxen, Bürogebäuden usw.? Wo genau liegt da der Unterschied?
  4. Warum zum Teufel musste in den letzten Jahren jeder Arbeitgeber ein Schutzkonzept mit Homeoffice wenn möglich, Kontaktreduktionen, Seminaren und Besprechungen online, Trennscheiben in Großraumbüros, Zeit versetzten Arbeitszeiten usw. usw. erstellen, sich daran halten und dieses umsetzen? Warum waren dagegen die politischen Verantwortlichen nicht in der Lage, vernünftige Schutzkonzepte für Schulen und Kitas zu entwerfen oder zumindest den Einrichtungen (die genug Ideen hätten) diese zu ermöglichen? Die wissen, welche Kinder besser in einer Notbetreuung in kleinen Gruppen aufgehoben sind und welche problemlos ein paar Wochen Distanzunterricht überstehen oder für welche das (oh Wunder) sogar zu Leistungssteigerungen führt. Ja auch die gibt es.
  5. Warum wird ständig davor gewarnt, was für schlimme Folgen Omikron auf unsere kritische Infrastruktur haben kann, wenn wir nicht unsere Kontakte drastisch reduzieren, sogar Geimpfte und Genesene und Geboosterte? Davor, dass Omikron den Impfschutz umgehen kann und die eh schon nicht zuverlässigen Schnelltests noch unzuverlässiger sind? Und warum ist man gleichzeitig der Ansicht, dass die tägliche Großveranstaltung Schule und Kita in diesem ganzen Szenario keine Rolle spielt?
  6. Warum nehmen sich Menschen das Recht heraus zu behaupten, dass Kinder sich so oder so infizieren, wenn nicht in offenen Schulen dann zuhause? Weil die geboosterten Eltern, die ihre Kontakte auf ein Minimum reduziert haben, zum Teil im Homeoffice sitzen, noch einkaufen gehen und sich eventuell während der 15 Minuten Aufenthalt im Lidl infizieren könnten, um dann ihre Kinder anzustecken? Wahrscheinlichkeitsrechnung ist so schwer nun auch wieder nicht. Da reicht auch schon gesunder Menschenverstand.

Ich könnte jetzt hier noch länger so weitermachen, aber wie oben bereits geschrieben: ich bin einfach nur noch müde.

Enjoy your chicken Ted! 2. Januar 2022 um 11:29

Als Mutter und Lehrerin bin ich natürlich für Präsenzunterricht, aber seit Corona wütet sieht man, dass das nur Wunschdenken ist.

Meine Kinder hatten leider keinen guten Distanzunterricht, besonders mein Jüngster (in den ersten beiden Schuljahren zwei Lockdowns miterlebt) leidet immer noch darunter, wenn ich seinen schulischen Kompetenzerwerb mit dem seiner älteren Geschwister vergleiche. Das kann keine Nachhilfe ausbügeln, den Kindern hat einfach die gemeinsame Lernzeit gefehlt.

Präsenzunterricht bedeutet für meine Kinder (und mich): viele Male Quarantäne, die quälende Unsicherheit über eine eventuelle Infektion als ungewollt ungeimpfter Mensch, kranke LuL, ausfallender Unterricht oder wahlweise Vertretung mit ständig wechselnden FachLuL, entweder nicht funktionierende Tests oder gar keine Tests, sinnlose Kohorten (dabei kannte diese Generation das Wort maximal aus der Asterix-Reihe), Sorge darüber die Familie anzustecken, ausfallende berufsvorbereitende Praktika, Behördenirrsinn und noch viel irrsinnigere Regelungen, fehlende Masken, Filter und Abstände, offene Fenster, dauerpiepende CO2-Ampeln und und und.

Nun müssen wir Eltern schon seit zwei Jahren den Spagat zwischen gesunden Kindern und gebildeten Kindern wuppen und das nur, weil die Politik das Bildungssystem seit Jahrzehnten tot spart. Ich bin immer noch erschüttert darüber, dass wir in einem reichen Land leben, das seine Kinder so ärmlich behandelt. Sie sind unser höchstes Gut, werden aber behandelt wie privilegierte Quasi-Menschen, die doch gefälligst dankbar sein sollen, dass sie Sport im Winter draußen haben dürfen und Decken und Kniebeugen im Klassenraum, damit ihnen warm bleibt. Die Bildungsminister*innen haben Luftfilter, warme, weitläufige Büros und bequeme Ledermassagesessel, aber das haben sie sich ja verdient, während Kinder und Jugendliche ja erstmal erwachsen werden müssen und brav Steuern zahlen, damit sie einen Wert haben und mitreden dürfen.

Fakt ist, die Pandemie führt in allen Lebensbereichen zu Unbeständigkeit. In der Gesellschaft reagiert die Politik darauf (ob nun gut oder schlecht), in den Schulen wird das getan was seit Jahrzehnten getan wird – nichts. Augen zu und durch. Luftfilter sind zu teuer, mehr Lehrpersonal ist zu teuer, moderne Schulgebäude mit Belüftung sind zu teuer. Masken müssen natürlich privat abgeschafft werden und Endgeräte natürlich auch.

Nun starten wir in ein weiteres Jahr mit Unsicherheit, Unbeständigkeit und der großen Sorge, dass die Politik wieder nicht reagieren wird und uns Eltern somit wieder die schreckliche Wahl zwischen Gesundheit und Bildung bleibt. News4teachers

Leserposts

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„Was sagen Sie Kindern, die durch Corona ein Familienmitglied verloren haben?“

 

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