MÜNSTER. Schüler in Nordrhein-Westfalen haben auf Basis von Unfallverhütungsvorschriften während der Corona-Pandemie keinen Anspruch auf Luftfilter im Klassenraum. Das hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in zwei Eilverfahren entschieden und am Dienstag mitgeteilt. Damit bestätigten die Richter in Münster zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Minden aus der Vorinstanz. Die Beschlüsse sind nicht anfechtbar.
Anlass für die Eilanträge der Schüler einer Grundschule in Bünde im Kreis Herford war der Wunsch, das Absinken der Raumtemperatur während des Unterrichts besonders im Winter unter 20 Grad Celsius zu vermeiden. Dazu sollte die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen als für die Schulen zuständiger Unfallversicherungsträger eine Gefährdungsbeurteilung erstellen, damit die nötigen technischen Schutzmaßnahmen mit Hilfe eines Luftfilters ergriffen werden könnten. Beim zweiten Verfahren erging die gleiche Forderung an die Stadt Bünde als Schulträger. Tatsächlich, das bestätigen Berichte von Lehrkräften, sinken die Temperaturen in Klassenräumen, wenn entsprechend der Pandemie-Vorgaben gelüftet wird, vielerorts auf Werte unter 15 Grad.
Die Folge: Die Fenster werden offenbar seltener geöffnet als vorgeschrieben. Eine Studie auf Grundlage einer Stichprobe in 233 Klassenräumen kam unlängst zum Ergebnis, dass lediglich in acht Prozent der Unterrichtsstunden entsprechend der Vorschriften alle 20 Minuten gelüftet wurde.
„Die Gesundheitsgefahren durch kalte Raumluft einerseits und das Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 andererseits sind damit angemessen in Ausgleich gebracht“
Das OVG folgte der Argumentation der Schüler trotzdem nicht. Zur Begründung heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts: „In dem gegen die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen gerichteten Verfahren blieb der Antragsteller schon deswegen ohne Erfolg, weil den dort versicherten Schülerinnen und Schülern aufgrund der Unfallverhütungsvorschriften und der sonstigen Vorschriften des gesetzlichen Unfallversicherungsrechts kein subjektives Recht auf ein Tätigwerden in der vom Antragsteller begehrten Weise zukommt.“ Zwar spreche Vieles dafür, „dass gegenüber dem Schulträger und dem Land grundsätzlich auch von Schülerinnen und Schülern die Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften verlangt werden kann, soweit sie den Schutz subjektiver Rechte bezwecken. Im konkreten Fall war ein Verstoß gegen solche Regelungen aber nicht ersichtlich.“
In den Technischen Regelungen für Arbeitsstätten sei zwar für leichte sitzende Tätigkeit ein Mindestwert von 20°C vorgesehen, so stellen die Richter fest. „Die Einhaltung dieses Wertes ist aber nicht ausnahmslos gefordert. Bei Unterschreitung der Mindestwerte kann dem in bestimmten Fällen u. a. mit geeigneter Kleidung begegnet werden. Insbesondere aber sind Ausnahmen mit Blick auf den Infektionsschutz gerechtfertigt. Dem wird mit den Ergänzungen der gesetzlichen Unfallkassen für Schulen zum SARS-CoV-2 – Schutzstandard Rechnung getragen, die differenzierte Vorgaben zum Infektionsschutz, insbesondere durch die Benennung konkreter Lüftungsintervalle treffen.“
Fazit der Richter: „Die einander gegenüberstehenden Gesundheitsgefahren durch kalte Raumluft einerseits und das Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 andererseits sind damit angemessen in Ausgleich gebracht.“ Angesichts der zum Infektionsschutz vorgesehenen Lüftungsintervalle (alle 20 Minuten Stoßlüftung, im Winter für eine Dauer von 3 Minuten) müsse die Einhaltung der Raumlufttemperatur auch nicht zwingend durch weitere technische Maßnahmen, etwa durch Luftreinigungsgeräte, sichergestellt werden. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Hermann-Rietschel-Instituts der Technischen Universität Berlin zeigt auf, dass ein angemessen leistungsstarker mobiler Luftfilter das Infektionsrisiko in einem Klassenraum in der Omikron-Welle um rund die Hälfte senkt, wie News4teachers berichtet.
Aktenzeichen: 12 B 1683/21 (I. Instanz VG Minden 3 L 513/21) und 12 B 1713/21 (I. Instanz VG Minden 3 L 413/21)