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Zweifel daran, dass sich mehr Lehrer lohnen: Landesrechnungshof drängt auf größere Klassen

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KIEL. Die oberste Kassenprüferin des Landes Schleswig-Holstein, die Präsidentin des Landesrechnungshofs Gaby Schäfer, sieht keinen Grund, warum die Klassen in den nächsten Jahren nicht noch größer werden sollten. Schließlich gebe es keinen Beleg dafür, dass der Personaleinsatz in Schulen und der Bildungserfolg zusammenhängen, meint die Juristin. Die GEW zeigt sich empört.

Sparschwein Schule? Foto: Shutterstock

Bis 2035/36 könnte die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Schleswig- Holstein um 35.000 auf 309.000 steigen – prognostiziert es das schleswig-holsteinische Bildungsministerium. Das wäre ein Plus von 13 Prozent, die weiteren Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine noch nicht eingerechnet. Besonders hohe Zuwächse von 24 Prozent werden bei den Gymnasien erwartet, unter anderem wegen der Wiedereinrichtung eines 13. Jahrgangs an bisherigen G8-Gymnasien. „Bei gleichbleibender Schüler-Lehrer-Relation könnte der Stellenbedarf um mehr als 2.000 Stellen im Schuljahr 2033/34 steigen. Hohe Stellenzuwächse kann sich das Land aber finanziell nicht leisten. Dazu hat beigetragen, dass die Stellenanzahl in den letzten Jahren nicht in gleichem Maße an die gesunkene Schülerzahl angepasst worden ist“, so schreibt der Landesrechnungshof aktuell.

Fraglich sei ohnehin, ob es genügend fachlich geeignete Bewerber für die Stellen geben wird. „Die Mehrbedarfe aufgrund steigender Schülerzahlen sollten daher vorrangig aus dem System ‚Schule‘ selbst erwirtschaftet werden. Dies ist aufgrund der geringen Klassengrößen z. B. an den Gemeinschaftsschulen möglich: Mit nur 22,2 Schülerinnen und Schülern pro Klasse unterschreitet Schleswig-Holstein den Bundesdurchschnitt erheblich, der bei 24,1 Schülerinnen und Schülern liegt.“

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“Was in der Excel-Tabelle am Computer rechnerisch wunderbar aufgehen mag, passt nicht zum Alltag in den Schulen”

Neben einem Konzept zur Bewältigung des Schüleranstiegs müsse das Bildungsministerium eine belastbare und nach Fächern differenzierte Lehrerbedarfsprognose auf Landesebene erstellen, heißt es. „Diese sollte steuerungswirksam sein und eine wirtschaftliche Lehrkräfteeinsatzplanung ermöglichen.“ Darüber hinaus empfiehlt der Landesrechnungshof, ein aussagekräftiges Bildungscontrolling einzuführen. Denn: „Bisher gibt es keine systematische Betrachtung oder Analyse des Zusammenhangs zwischen Ressourceneinsatz und Bildungserfolg im Schulbereich – weder in Schleswig-Holstein noch im Bundesgebiet.“

Im Klartext: Der Landesrechnungshof zieht in Zweifel, dass Klassengröße und Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler in einem engen Zusammenhang stehen. Astrid Henke, Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, kann darüber nur den Kopf schütteln. „Die Schulwirklichkeit lässt sich nicht schön rechnen“, sagt sie. „Auch nicht vom Landesrechnungshof. Was in der Excel-Tabelle am Computer rechnerisch wunderbar aufgehen mag, passt nicht zum Alltag in den Schulen. Dort sind vielerorts schon heute die Klassen viel zu groß.“

Wer jetzt größere Klassen vorschlage, um Geld zu sparen, offenbare eine elementare Unkenntnis über die Lage in Schleswig-Holsteins Schulen, so geht Astrid Henke mit dem Landesrechnungshof hart ins Gericht. „Seit Jahren nehmen die Belastungen für Lehrkräfte zu. Corona, der Umgang mit den Folgen der Pandemie und der Unterricht für geflüchtete Kinder sind nur die letzten Punkte einer langen Reihe. Viele Lehrerinnen und Lehrer wissen nicht mehr, wo ihnen vor Arbeit der Kopf steht. Da sollen sie jetzt auch noch überall in Klassen mit bis zu 30 Kindern unterrichten? Sie müssen dringend entlastet, nicht durch größere Klassen belastet werden!“

Rechnerisch bedürfe es 750 neuer Stellen für 16000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler bis zum Jahr 2026. Mindestens noch einmal so viel Stellen sind für 19000 Schülerinnen und Schüler erforderlich, die bis zum Jahr 2035 in die Schulen kommen.

“Die Landesregierung ist jedoch gut beraten, die hohen Mehreinnahmen in erster Linie zum Schuldenabbau zu nutzen”

Eine repräsentative bundesweite Umfrage der Robert Bosch Stiftung, das sogenannte Schulbarometer, stützt laut Henke die Argumentation der GEW. Die Studie, über die News4teachers aktuell berichtet, zeigt eine alarmierend hohe Belastung von Lehrkräften auf. Die Corona-Pandemie und der Lehrkräftemangel haben danach an deutschen Schulen tiefe Spuren hinterlassen: Eine überwältigende Mehrheit der Lehrkräfte erlebt das Kollegium (92 Prozent) und sich selbst (84 Prozent) derzeit stark oder sehr stark belastet. Für über drei Viertel der Lehrkräfte (79 Prozent) ist Wochenendarbeit die Regel und eine Erholung in der Freizeit kaum noch möglich (60 Prozent). Die Hälfte leidet unter körperlicher (62 Prozent) oder mentaler Erschöpfung (46 Prozent).

Die Präsidentin des Landesrechnungshofs, Gaby Schäfer, scheint das nicht anzufechten. Sie betont mit Blick auf die aktuell gute Haushaltslage in Schleswig-Holstein: „Das angekündigte Einnahmeplus von 3,3 Mrd. Euro wird viele neue Ausgabenwünsche auslösen. Die Landesregierung ist jedoch gut beraten, die hohen Mehreinnahmen in erster Linie zum Schuldenabbau zu nutzen.“ News4teachers

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