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Schule erst um 9? Lehrer mahnen: Späterer Unterrichtsbeginn erfordert viele Anpassungen

Die Absicht der nordrhein-westfälischen Landesregierung, einen späteren Unterrichtsbeginn zu ermöglichen, wirft in der Schulgemeinschaft viele Fragen auf. Etliche Aspekte wie die Betreuungssituation der Familien, das Raum-Angebot, die Anbindung an Busse und Bahnen sowie eine Flexibilisierung der Lehrerarbeitszeit müssten mitbedacht werden, sagte die Vorsitzende der Schulleitungsvereinigung NRW, Antonietta Zeoli, in Düsseldorf. Ähnlich äußerte sich der Verband Bildung und Erziehung (VBE).

In NRW sollen Schulen künftig morgens erst um 9 Uhr beginnen dürfen. Foto: Shutterstock

CDU und Grüne in Nordrhein-Westfalen haben in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, «die Möglichkeit einzuräumen, durch Beschluss der Schulkonferenz den Schulbeginn auf bis zu 9.00 Uhr festzulegen». Der derzeit geltende Runderlass regelt dagegen: «Der Unterricht beginnt in der Zeit zwischen 7.30 Uhr und 8.30 Uhr.» Während der Pandemie war es allerdings aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes bereits möglich, den Unterricht in der Zeit zwischen 7.00 und 9.00 Uhr beginnen zu lassen, um die Schülerströme zu entzerren.

“Nicht zuletzt wird es bei den Eltern auch um die Frage der Betreuung gehen – gerade bei jüngeren Kindern”

Der VBE-Landesvorsitzende Stefan Behlau sagte: «Eine Änderung des Unterrichtsbeginns zieht immer weitere Konsequenzen nach sich» – auch, wenn die spätere Anfangszeit reizvoll sein könnte. Gerade Schulen im ländlichen Raum müssten ihre Anfangszeiten eng mit benachbarten Schulen und den regionalen Verkehrsbetrieben absprechen, die wiederum nicht nur die Schulbusse, sondern in der Regel auch die Linienfahrpläne auf die Schulen abgestimmt hätten.

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«Nicht zuletzt wird es bei den Eltern auch um die Frage der Betreuung gehen – gerade bei jüngeren Kindern», sagte Behlau. Das betreffe auch die Lehrkräfte und das pädagogische Personal. Insofern seien individuelle, an die jeweilige Schulgemeinschaft und den Standort angepasste Lösungen wichtig.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hatte am Wochenende im Interview der «Rheinischen Post» erklärt, dass ein Beschluss der Schulkonferenz gerade deswegen nötig sei, um die Bedürfnisse der Eltern, Verkehrsunternehmen und Kommunen in Einklang zu bringen.

Schlafforscherinnen und -forscher weisen laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland immer wieder darauf hin, dass ein späterer Schulbeginn morgens die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Schülern und Schülerinnen verbessern könnte. So schlägt die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) einen Unterrichtsstart um neun Uhr vor. Begründung: In der Pubertät verändere sich das Schlafbedürfnis. Die innere Uhr sei bei Jugendlichen eher darauf ausgerichtet, später ins Bett zu gehen und länger zu schlafen. Eher einzuschlafen falle ihnen schwer. Der frühe Schulbeginn führe daher zwangsläufig zum Schlafmangel bei vielen Schülerinnen und Schüler, der wiederum die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen kann.

Eine Mehrheit der Jugendlichen aber spricht sich trotzdem für einen frühen Schulbeginn um 8 Uhr aus. Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls eine Analyse des Forschungszentrums Demografischer Wandel (FZDW) der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), über die News4teachers berichtete. Die Wissenschaftler werteten hierfür Daten aus, die sie im Rahmen ihrer Längsschnittstudie „Gesundheitsverhalten und Unfallgeschehen im Schulalter“ (GUS) erhoben haben. In der GUS-Studie, die von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gefördert wird, wurden im Schuljahr 2018/19 rund 7.700 Schüler der 9. Jahrgangsstufe an 116 weiterführenden Regelschulen befragt, welche Unterrichtszeit sie an einem Schultag mit sechs bzw. acht Unterrichtsstunden bevorzugen würden.

Die Auswertung der Studie zeigte, dass 52 Prozent der Schüler eine Unterrichtszeit von 8 bis 13 Uhr favorisieren, wenn der Schultag sechs Schulstunden vorsieht. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) sprach sich für einen Schultag aus, der um 9 Uhr beginnt und dafür erst um 14 Uhr endet. Fünf Prozent erklärten, sie würden gerne noch später, nämlich erst um 10 Uhr, mit dem Unterricht anfangen und dafür eine Unterrichtszeit bis 15 Uhr in Kauf nehmen. Noch deutlicher fiel das Stimmungsbild aus, wenn die Schüler nach der bevorzugten Unterrichtszeit an einem Schultag mit acht Schulstunden gefragt wurden: 69 Prozent wählten hier die Option „von 8 bis 15 Uhr“, rund 22 Prozent sprachen sich für das Zeitfenster von 9 bis 16 Uhr aus und vier Prozent wünschten sich eine Unterrichtszeit von 10 bis 17 Uhr.

„Präferenzen der Schüler stimmen nicht mit ihrem Schlafrhytmus überein“

„Dieses Stimmungsbild zeugt davon, dass die Schülerinnen und Schüler der Freizeit am Nachmittag offenbar einen sehr hohen Stellenwert zuschreiben“, interpretierte Prof. Dr. Andreas Klocke, Direktor des FZDW und Studienleiter, die vorliegenden Ergebnisse. Dies sei vor allem deshalb interessant, „weil diese Präferenzen offenbar nicht mit dem Schlafrhythmus der meisten Jugendlichen übereinstimmen“, so Klocke. Denn zugleich bezeichnet sich eine klare Mehrheit der befragten Jugendlichen (59 Prozent) als „Spätaufsteher/-innen“, während sich nur 27 Prozent zu den „Frühaufsteherinnen/-stehern“ zählen.

Das FZDW untersuchte auch den Einfluss von zu wenig Schlaf bei Kindern und Jugendlichen auf die Konzentrationsfähigkeit. Ergebnis: Ab der achten Klasse schliefen demnach 30 Prozent der Schüler und Schülerinnen nicht die für diese Altersgruppe empfohlenen acht Stunden. Von denjenigen Jugendlichen, die weniger als acht Stunden pro Nacht schliefen, gaben außerdem rund 38 Prozent an, an mehr als zwei Tagen pro Woche Konzentrationsprobleme zu haben. News4teachers / mit Material der dpa

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