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Raus aus dem Schulgebäude! Wie Exkursionen und Klassenfahrten den Unterricht bereichern

DÜSSELDORF. Warum der Aufwand? Wieso sollen sich Lehrkräfte die Mühe machen, einen Ausflug oder eine Klassenfahrt zu organisieren, sich dabei mit der lästigen Aufsichtspflicht herumzuschlagen, die Exkursion thematisch vor- und nachzubereiten – was bringt das? Bildungsforscher halten zunächst einmal fest, dass die „Komplexität der Didaktik in außerschulischen Lernorten zunimmt“. Aber: Der Einsatz lohne sich.

Klassenfahrten und Exkursionen sind für Lehrer organisatorisch und im Ablauf arbeitsaufwändig – aber: Das Engagement zahlt sich aus. Foto: Shutterstock

Normalerweise findet der Unterricht innerhalb des Schulgebäudes statt. Lehrer*innen und Schüler*innen können dort im geschützten Raum lernen und die Inhalte der verschiedenen Fächer werden von den Lehrkräften durch entsprechende Materialien vermittelt. Natürlich können auf dem Schulgelände den Schüler*innen viele Dinge nähergebracht werden, aber es lohnt sich, immer öfter das Klassenzimmer zu verlassen und außerhalb der Schule zu lernen. Welche Vorteile bieten außerschulische Lernorte für den Unterricht?

Beginnen wir am Anfang: der Frage nämlich, was sind denn überhaupt außerschulische Lernorte? Die Pädagogin Eva Somrei definiert in ihrem Aufsatz „Unterricht nicht nur in der Schule – Zum Stellenwert und den Möglichkeiten außerschulischer Lernorte“ den Begriff folgendermaßen: „Der Begriff ‚außerschulische Lernorte‘ umfasst alle Orte außerhalb des Klassenzimmers bzw. Schulgeländes, die Lernprozesse bei Kindern anregen, ergänzen oder abrunden können.“ Heißt schon mal: Es geht ums Lernen – und nicht um bloße Abwechslung vom Schulalltag.

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Außerschulische Lernorte können zum Beispiel Institutionen der Freizeitbildung sein, zu denen Schulen eine didaktische Beziehung aufbauen, erläutert Prof. Renate Freericks von der Hochschule Bremen. Ein solcher Lernort ist dem Deutschen Bildungsrat zufolge eine anerkannte Einrichtung, die im Rahmen des öffentlichen Bildungswesens Lernangebote organisiert. Dort sollen sich die Schülerinnen und Schüler Wissen, Kompetenzen und Werte aneignen.

Es gibt primäre und sekundäre außerschulische Lernorte. Primäre sind ausschließlich fürs Lernen eingerichtet – dazu gehören zum Beispiel Universitäten, Fachoberschulen oder andere Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung. Sekundäre Lernorte haben vorrangig eine andere Funktion, können aber zu Lernzwecken genutzt werden. Dazu zählen beispielsweise Wälder, Flüsse, Museen, Sportstätten oder Bauernhöfe. Es lassen sich allerdings nicht alle außerschulischen Lernorte in dieses Schema einteilen. Mitunter geht es nämlich auch darum, soziale Kompetenzen zu trainieren – mit besonderen Programmen in Jugendherbergen beispielsweise.

Ein Vorteil des Lernens an außerschulischen Lernorten ist, dass die dort vermittelten Inhalte fachübergreifend genutzt werden können

Renate Freericks, Dieter Brinkmann und Denise Wulf, Wissenschaftler der Hochschule Bremen betonen denn auch in ihrem gemeinsamen Papier („Didaktische Modelle für außerschulische Lernorte“), dass an außerschulischen Lernorten nicht die reine Wissensvermittlung im Vordergrund steht. Vielmehr sollen die Schülerinnen und Schüler eigene Erfahrungen sammeln und sich selbstständig Lerninhalte erarbeiten. Die Kinder und Jugendlichen können außerhalb des Schulgeländes authentische Erfahrungen machen, in dem sie Gegenstände anschauen und berühren oder Dinge selbst ausprobieren. Sie bekommen die Möglichkeit, mit allen Sinnen zu lernen. Dies geschieht vor allem durch Spielen und Experimentieren. Außerdem können sie neue Orte entdecken und im Lernprozess einen Bezug zu ihrem Alltag herstellen.

Dabei kann der Besuch eines außerschulischen Lernorts sowohl (den Kindern und Jugendlichen) Spaß machen, als auch zur Nachdenklichkeit und Betroffenheit anregen. In Freizeitparks zum Beispiel steht eher die Freude im Vordergrund – Physik lässt sich allerdings auch anhand der Fliehkräfte in einer Achterbahn erklären. In historischen Gedenkstätten bekommen die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich auf anschauliche und erlebbare Weise mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Kinder und Jugendlichen werden in außerschulischen Lernorten mit der Realität konfrontiert und sollen diese hautnah erleben. Es ist also eine Mischung aus Lernen, Entdecken und Wahrnehmen, um die es bei Ausflügen und Klassenfahrten geht. Ein weiterer Vorteil des Lernens an außerschulischen Lernorten ist, dass die dort vermittelten Inhalte fachübergreifend genutzt werden können.

Die Autorinnen und der Autor identifizieren vier fachdidaktische Ansätze, die im Zusammenhang mit außerschulischem Lernen von Bedeutung sind: Erlebnispädagogik („Lernen basiert auf eigenen Anschauungen, eigenem Handeln und dem unmittelbaren Erleben“), Museumspädagogik (Führungen sowie neue Konzepte der museumspädagogischen Arbeit mit Kindern), Musik- beziehungsweise Theaterpädagogik („Mitmachen und selber Ausprobieren“) und schließlich Naturerlebnispädagogik / Umweltbildung („handlungsorientiertes Lernen, Zugewinn an Erfahrungen aus der Reflektion von Naturerlebnissen“).

Dazu heißt es: „Außerschulische Lernkontexte lassen sich auf drei Ebenen (funktional, strukturell und spezifisch) differenzieren und unterscheiden sich darüber maßgeblich von schulischen Bildungskontexten.

  1. Die funktionale Ebene, die in vielen Fällen – wie bspw. Konsumausrichtung oder hoher Unterhaltungswert – im Gegensatz zur Schule steht, weitet sich zunehmend aus. Durch mehrfache Funktionen entstehen hybride Lernformen (Erlebnis, Lernen, Konsum).
  2. Insbesondere auf struktureller Ebene zeigen sich Neuerungen: Lerner erfahren eine Selbstgestaltung von Raum und Zeit; der Lernort wird zu einem Raum zum (sinnlichen) Eintauchen, die zeitliche Ausdehnung ist flexibel.
  3. Es herrscht eine große Vielfalt an Lernformen, bestehend aus älteren angepassten Formen aber auch neuen Lernformen.“

Fazit der Arbeit: „Als grundlegende Erkenntnis ist festzuhalten, dass die Komplexität der Didaktik in außerschulischen Lernorten zunimmt.“

Der Einsatz allerdings lohnt sich. Prof. em. Manfred Bönsch, Schulpädagoge an der Leipniz-Universität Hannover, betont, dass der Besuch von außerschulischen Lernorten den Unterricht in der Schule ergänzt und bereichert. So fördern vor allem Erlebnisse in der Natur die Schülergemeinschaft und bringen den Kindern und Jugendlichen die Realität näher. Bönsch erläutert, dass sich die Gesellschaft in den letzten Jahren verändert hat. Die Freizeit vieler Kinder und Jugendlicher ist ausgefüllt durch Vereinsaktivitäten und Medienkonsum. Aktivitäten in der Familie, der Natur oder der Nachbarschaft werden zunehmend seltener. Viele Kinder und Jugendliche spielen eher am Computer oder schauen Fernsehen, anstatt draußen mit Gleichaltrigen zu spielen. An außerschulischen Lernorten lernen sie, gemeinsam mit den Klassenkameraden Aufgaben zu lösen oder Konflikte zu bewältigen. Sie tauschen sich untereinander aus und können so die Klassengemeinschaft aktiv mitgestalten.

Kinder und Jugendliche aus Städten haben oftmals nur wenig Bezug zu Tieren oder der Natur. Dies kann durch den Besuch eines Bauernhofs oder des Waldes als außerschulischem Lernort ausgeglichen werden. Verhaltensweisen von Tieren beispielsweise können am besten in ihrer natürlichen Umgebung beobachtet werden.

Der Unterricht an außerschulischen Lernorten prägt die Schülerinnen ganzheitlich und trägt zur Persönlichkeitsbildung bei

Wissenschaftler Bönsch betont außerdem, dass Kinder und Jugendliche meist keine Vorstellung von den Berufen ihrer Eltern haben, da Arbeits- und Wohnort oft getrennt voneinander liegen. Hier können außerschulische Lernorte Abhilfe schaffen, indem sie den Kindern und Jugendlichen verschiedene Berufsbilder vermitteln. Dazu gehört zum Beispiel der Besuch von Banken, handwerklichen Betrieben oder anderen beruflichen Einrichtungen. Es ist wichtig, so Bönsch, dass Kinder und Jugendliche mit Entdeckerdrang, Eigeninitiative und Kreativität neue Aktivitätsmöglichkeiten in ihrer Umwelt erschließen. Somit dienen außerschulische Lernorte als Horizonterweiterung für die Schüler*innen, die ihnen neue Perspektiven eröffnen.

Der Unterricht an außerschulischen Lernorten prägt die Schülerinnen ganzheitlich und trägt zur Persönlichkeitsbildung bei. So lernen die jungen Menschen Situationen besser einzuschätzen und entwickeln ein Bewusstsein für ihre Umwelt. Durch die Abwechslung des Lernortes erfahren die Kinder und Jugendlichen, dass sich das Lernen nicht nur auf das Schulgelände beschränkt.

Der Besuch von außerschulischen Lernorten kann sich auch positiv auf den Unterricht in der Schule auswirken. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte haben außerhalb der Schule die Möglichkeit, sich besser kennenzulernen. Dadurch wird ein entspanntes Lernklima in der Schule unterstützt. Außerdem ist das Interesse an den Unterrichtsinhalten nach dem realen Erlebnis am außerschulischen Lernort höher. Somit wird die Motivation der Schüler*innen gesteigert.

Das ist wissenschaftlich untermauert. So ergab eine Studie von Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Mainz: Die Erforschung von Pflanzen, Klima und Böden im Freien steigert die Lernlust von Schülern in naturwissenschaftlichen Fächern. Bedeutend dabei seien Erfahrungen von Autonomie und Kompetenz sowie das Erleben guter sozialer Beziehungen, hieß es in der in der Zeitschrift «Frontiers in Psychology» veröffentlichten Untersuchung. Deswegen sei es sinnvoll, so das Fazit der Autorinnen und Autoren, naturwissenschaftlichen Unterricht regelmäßig im Freien abzuhalten. Wird sich auf andere Fächer übertragen lassen. Nina Odenius, Agentur für Bildungsjournalismus

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