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CDU: Kitas sollen Kinder verpflichtend sprachlich fördern! Doch: Woher soll das Personal denn dafür kommen?

BERLIN. Die CDU-Spitze fordert angesichts zunehmender Mathe- und Deutschprobleme bei Grundschulkindern verbindliche Sprachstand-Tests ab einem Alter von drei Jahren. «Der Erwerb der deutschen Sprache muss so früh wie möglich gefördert werden, insbesondere durch verbindliche, fortlaufende und standardisierte Diagnoseverfahren», heißt es in einem vom CDU-Präsidium verabschiedeten Positionspapier. KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU) hatte Anfang der Woche ein verpflichtendes Kindergartenjahr ins Gespräch gebracht. Der Deutsche Lehrerverband unterstützt den Vorstoß. Bleibt eine Frage: Wer soll die Sprachförderung in den Kitas denn leisten?

Mehr Sprachförderung in der Kita? Klingt gut – aber die Sache hat einen Haken. Foto: Shutterstock

Damit jedes Kind seine Chancen nutzen könne, setze sich die CDU dafür ein, die Schulen vor allem in sozial schwierigen Lagen weiter zu stärken, heißt es in dem Papier weiter. Der Grundstein für Aufstieg durch Bildung werde schon im frühen Kindesalter gelegt. «Daher müssen die Einrichtungen der frühen Bildung zu qualitativ hochwertigen Bildungsorten weiterentwickelt werden und so einen zentralen Beitrag leisten, um Herkunft und Bildungserfolg zu entkoppeln», schreibt die CDU-Spitze weiter.

Zuletzt hatte eine regelmäßig durchgeführte Studie (IQB-Bildungstrend) gezeigt, dass Grundschulkinder zunehmend Probleme in den Fächern Mathematik und Deutsch haben und im Zehn-Jahres-Vergleich deutlich zurückgefallen sind.

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«Eine Verpflichtung ist für diese Kinder der richtige Weg, um die Bildungschancen zu verbessern»

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien hatte dem Parteipräsidium einen vertieften Einblick in den Bericht gegeben. So habe der Anteil der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler, die den Regelstandard erreichen oder übertreffen, in Deutsch und Mathematik gegenüber den Ergebnissen aus den Jahren 2011 und 2016 abgenommen. Zugleich habe der Anteil jener zugenommen, die den Mindeststandard nicht erreichen und nicht über Basiskompetenzen beim Lesen, Schreiben und Rechnen verfügen. Prien ist Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und derzeitige Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

Für Kinder mit Sprachdefiziten sollte ihrer Ansicht nach mindestens das letzte Kita-Jahr verpflichtend sein, wie sie in einem Interview mit den «Kieler Nachrichten» Anfang der Woche erklärt hatte (News4teachers berichtete). «Spätestens mit viereinhalb Jahren müssen wir den Sprachstand eines Kindes überprüfen, damit bis zu seiner Einschulung nötige Fördermaßnahmen ergriffen werden können», sagte Prien. Wer dabei nicht gut abschneide, müsse zumindest das letzte Kita-Jahr absolvieren. «Eine Verpflichtung ist für diese Kinder der richtige Weg, um die Bildungschancen zu verbessern.»

CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte: «Wenn wir Chancengerechtigkeit erst nehmen, braucht es jetzt einen gemeinsamen Kraftakt, um die Sprach- und Mathematikkompetenzen unserer Kinder zu verbessern.» Der Erwerb der deutschen Sprache sei dabei der Schlüssel. Dort, wo ein besonderer Bedarf festgestellt werde, müsse eine verpflichtende Sprachförderung in einer Kindertagesstätte oder Vorschule erteilt werden. «Das wäre über eine verpflichtendes letztes Kita-Jahr am besten zu erreichen», ergänzte Czaja.

«Die aktuelle IQB-Grundschulstudie dokumentiert, dass vor allem Kinder mit Migrationshintergrund noch weiter abgehängt wurden»

Als «absolut gerechtfertigt und notwendig sowie letztlich alternativlos» bezeichne der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, den Vorschlag. Der Verbandsvorsitzende erklärte dazu: «Die aktuelle IQB-Grundschulstudie hat nicht nur einen massiven Leistungsabfall festgestellt, wonach bis zu 30 Prozent unserer Viertklässler nicht einmal die Mindeststandards erreichen, also kaum Lesen, Schreiben und Rechnen können, sondern auch dokumentiert, dass vor allem Kinder mit Migrationshintergrund noch weiter abgehängt wurden. Aus vielen wissenschaftlichen Studien wissen wir, dass zu Beginn der Schulzeit bestehende Sprachdefizite die Lernentwicklung und den weiteren Bildungsweg dauerhaft belasten und beeinträchtigen. Deshalb ist es absolut richtig, mehr dafür zu tun, dass alle Kinder beim Eintritt in die Schule über so viel Sprachkompetenz verfügen, dass sie dem Unterricht folgen und die Bildungsstandards erreichen können.»

Klingt gut, hat aber einen Haken: Wer soll die Sprachförderung in den Kitas denn leisten? Die Personalsituation in den Einrichtungen ist bundesweit so prekär, dass aktuell ein erstes Bundesland (Baden-Württemberg, News4teachers berichtete auch darüber) bereits die zulässige Gruppengröße erhöht hat – Tendenz beim Kita-Fachkräftemangel: dramatisch steigend. Prien holte sich denn auch prompt eine Abfuhr von ihrem Koalitionspartner in Kiel, den Grünen.

Meidinger lässt das nicht gelten. Er baut auf das Prinzip Hoffnung: «Natürlich wird die Umsetzung nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Personallage nicht von heute auf morgen erfolgen können. Der Deutsche Lehrerverband hofft aber, dass die verantwortlichen Bildungspolitiker in den Ländern den Weckruf gehört haben und zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung bereit und fähig sind. Letztendlich geht es auch um die Frage, ob unser bisheriges schulisches Integrationskonzept ausreichend ist oder scheitert, mit allen negativen gesellschaftlichen Folgen in der Zukunft.»

Als weiteren Baustein dieser notwendigen Bildungsoffensive nannte der DL-Präsident – dessen Verband vor allem Lehrkräfte aus weiterführenden Schulen vertritt – eine schrittweise Anhebung der Stundenzahl von Deutsch und Mathematik in der Primarstufe, orientiert an der Stundentafel der Bundesländer Hamburg und Bayern. Offen auch hier: Woher soll das Personal dafür kommen? An Grundschulen herrscht in fast allen Bundesländern ein gravierender Lehrkräftemangel. News4teachers / mit Material der dpa

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