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„Das wird eine Katastrophe“: Zieht die krisengeschüttelte katholische Kirche ihre Schulen mit in den Abgrund?

BERLIN. Die katholische Kirche ist der größte Privatschulträger in Deutschland – noch. Denn sie steckt angesichts von Missbrauchsskandalen und Mitgliederschwund in einer Krise. Die lässt die katholischen Schulen nicht unberührt: Um Kosten zu sparen, trennen sich immer mehr Bistümer und Orden von ihren Bildungseinrichtungen. Aktueller Fall: Das Bistum Mainz gibt fünf Schulen ab. Verabschiedet sich perspektivisch die katholische Kirche aus der Bildung?

Dunkle Wolken über dem Kölner Dom. Foto: Shutterstock

In Deutschland gibt es laut Deutscher Bischofskonferenz katholische Schulen quer durch alle Schularten im allgemeinbildenden und berufsbildenden Bereich, am häufigsten vertreten sind Gymnasien (217), Förderschulen (162), Berufs-/ Berufsfachschulen/ Fachoberschulen/ Fachgymnasien (152), Realschulen (141) und Grundschulen (83). Schaut man auf die regionale Verteilung, so befinden sich die meisten Katholischen Schulen in Bayern (287), Nordrhein-Westfalen (196) und Baden-Württemberg (151).

Derzeit besuchen den Angaben zufolge rund 360.000 Schülerinnen und Schüler eine der 904 katholischen Schulen, die sich in der Trägerschaft der Bistümer oder kirchlicher Stiftungen, der Orden, der Caritas oder anderer kirchlicher Rechtsträger befinden. Die von der katholischen Kirche getragenen Schulen bilden damit den größten Anteil unter den Schulen in freier Trägerschaft: Rund 3,7 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland besuchen eine Katholische Schule – noch, so muss man wohl betonen.

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Denn die katholische Kirche steckt in der Krise. Seit 1990 sank die Zahl der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland laut „Deutscher Welle“ von 28,3 auf 21,6 Millionen im Jahr 2021, ein Minus von 23,7 Prozent. Noch deutlicher – um 37,7 Prozent – sank die Zahl der Priester im Land. Der Abwärtstrend macht sich bei den Kirchensteuereinnahmen bemerkbar. Die 27 katholischen Bistümer streichen zusammen, wo so können, was zunehmend auch die Katholischen Schulen zu spüren bekommen.

So teilte das Bistum Mainz – das seit Jahren mit einem defizitären Haushalt zu kämpfen hat – in dieser Woche mit, dass man sich von fünf seiner bislang 18 Schulen getrennt habe. Für vier Schulen sei ein neuer Träger gefunden worden, hieß es. Eine weitere Schule werde Teil einer neu gegründeten Schulgesellschaft. Vor zwei Jahren hatte das Bistum angekündigt, die Trägerschaft der fünf Schulen aus Kostengründen abgeben zu wollen.

„Wie lange lässt sich noch an den Schulen festhalten – angesichts schwindenden gesellschaftlichen Rückhalts der Kirchen?”

Kein Einzelfall. In Hamburg wurde im Juni vergangenen Jahres die erste von sechs Schulen auf der Streichliste des Erzbistums endgültig geschlossen. Seinerzeit bekamen die letzten verbliebenen Viertklässler der Katholischen Grundschule Sankt Marien Eulenstraße ihre Zeugnisse – nach 132 Jahren Schulbetrieb. 2023 will das Erzbistum auch die Domschule Sankt Marien, die Katholische Schule Altona, die Franz-von-Assisi-Schule und die Katholische Schule Neugraben schließen. 2025 soll das Niels-Stensen-Gymnasium folgen.

Gerungen wird auch andernorts. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel werde hinter den Kulissen ebenfalls um die Zukunft der katholischen Schulen diskutiert, allerdings nicht öffentlich, so berichtete die „Rheinische Post“ (RP) bereits 2018. „Natürlich gibt es Finanzchefs, die sagen: Wir machen die Schulen alle platt“, so zitiert die Zeitung einen Insider, der hinzufüge, Geld sei nur der eine Aspekt. Der andere sei theologisch-politisch und führe etwa zu solchen Fragen: „Wie lange lässt sich noch an den Schulen festhalten – angesichts schwindenden gesellschaftlichen Rückhalts der Kirchen, aber auch etwa der Aufgabe von Gebäuden? Wir muten den Leuten Mammutgemeinden zu, klammern uns aber an jede Schule, aus Prinzip?“

Das Szenario sei überall ähnlich, so berichtet aktuell die katholische „Tagespost“. „Den Trägern katholischer Schulen geht angesichts wegbrechender Kirchensteuereinnahmen das Geld aus, der Kostendruck auf die Schulen steigt. Gespart werden muss im sechs-, immer öfter auch siebenstelligen Bereich. Für manche Schule bedeutet das, dass das Bistum 50 Prozent der Mittel für die Schulen streicht. Katholische Schulen gelten in Generalvikariaten als großer Batzen. Und mancher Finanzdirektor ist der Auffassung, bei Schulen könne die Kirche sparen, denn für den Unterricht sorgen kann auch der Staat.“

Dabei kann von einem Nachfrageschwund keine Rede sein: Die Anmeldezahlen an den katholischen Bildungseinrichtungen seien stabil, so heißt es.

„Falls es jemals eine Zeit der Selbstverständlichkeiten gegeben hat, ist sie längst vorbei“

Der naheliegende Einwand, dass die Kirche nirgends so direkt in die Gesellschaft wirken kann wie in ihren Schulen, habe die Debatte jedenfalls nicht verstummen lassen. „Ideell stellt all das kaum jemand infrage, aber wie viel davon ist realistisch umzusetzen?“, fragte etwa Schwester Ulrike Michalski, Leiterin des Essener Gymnasiums Beatae Mariae Virginis, das von den Augustiner-Chorfrauen getragen wird: „Falls es jemals eine Zeit der Selbstverständlichkeiten gegeben hat, ist sie längst vorbei.“

Das Essener Gymnasium stehe dabei für den Teil der Schulen, der besonders unter Druck geraten sei, so heißt es in dem RP-Bericht: die Ordensschulen. Deren Zahl hat sich in Nordrhein-Westfalen seit 2006 nahezu halbiert. Der jüngste Fall sorgte für böse Schlagzeilen: Nach fast rund 170 Jahren vor den Sommerferien endete die Schultradition auf der Rheininsel Nonnenwerth bei Remagen – nach 170 Jahren.

Ein tränenreicher Abschied vom Franziskus Gymnasium, wie News4teachers berichtete. „An ihrem letzten Schultag ließen mehrere Hundert Schülerinnen und Schüler des rheinland-pfälzischen Gymnasiums an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen schwarze Luftballons als Zeichen der Trauer aufsteigen. Auf daran befestigten Kärtchen hatten sie Botschaften geschrieben. Nach einem Gottesdienst auf Nonnenwerth setzten die Mädchen und Jungen zum letzten Mal in mehreren Fahrten mit der linksrheinischen Fähre mit Blasmusik von Schülern und Lehrern ans Ufer bei Remagen über. Dort verabschiedeten sie sich mit Blumen und Umarmungen von ihrer privaten Ganztagsschule. Schulleiterin Andrea Monreal sagte: «Das ist ein ganz schlimmer Tag, ein trauriger Tag.» Sie verabschiedete sich am Fähranleger einzeln von allen Schülern. Diese müssen die Schule wechseln. Wiederholt hatten sie für den Erhalt ihres Gymnasiums demonstriert. Auch Politiker suchten nach einer Lösung – vergeblich.“

Hintergrund: Franziskanerinnen hatten das idyllisch gelegene, denkmalgeschützte Schulgebäude für kolportierte 12,5 Millionen Euro an einen Privatschulbetreiber veräußert, der die Schule dann (angeblich wegen plötzlich aufgetretenen Brandschutzmängeln) schloss. Eltern mutmaßen ein schnödes Immobiliengeschäft.

Steht die Kirche in Deutschland angesichts steigender Kirchenaustritte vor „einem nicht prognostizierbaren Wandel“, wie Michael Kargers, Referent für Wissenschaft und Hochschule der deutschen Bischofskonferenz, beim zwölften Bundeskongress katholischer Schulen im Mai in Erfurt laut „Tagespost“ rhetorisch fragte. Keineswegs, so antwortete die Schulleiterin einer Berufsschule im Bistum Speyer – das Wort „Wandel“ sei ihr viel zu beschönigend. „Das wird eine Katastrophe.“ News4teachers / mit Material der dpa

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