ERFURT. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) hat Hybridunterricht in Gespräch gebracht – als Maßnahme gegen den sich auswachsenden Lehrermangel (News4teachers berichtete). „Das wird so nicht funktionieren“ – sagt nun Heike Schimke, Vorsitzende des Thüringer Philologenverbandes.
Ein Lehrer, der mehrere Klassen unterrichtet, weil zu wenige Fachlehrer da sind – das bedeutet laut Schimke: „Ein Lehrer soll 50 und mehr Schülerinnen und Schüler gleichzeitig fachlich und pädagogisch individuell betreuen – nicht nur in Präsenz, sondern auch digital. Ein Lehrer muss für 50 und mehr Schülerinnen und Schüler Arbeiten erstellen und korrigieren (und in irgendeiner Weise auch die vorgeschriebenen mündlichen Leistungsüberprüfungen organisieren). Allein dies ist nicht zu schaffen. Das ist das Unterrichten mehrerer Klassen gleichzeitig bei einfacher Anrechnung der Stunde in der Unterrichtverpflichtung und Potenzierung der Arbeitsbelastung.“
Sie unterstreicht: „Ganz nebenbei ist anzumerken, dass die online unterrichteten Schüler wohl kaum ohne Aufsicht ‚wie die Eckerchen‘ sitzen und konzentriert und aufmerksam dem Online-Unterricht lauschen werden.“ In den online unterrichteten Klassen würden also Aufsichten benötigt. „Wo sollen diese herkommen?“, fragt die Philologen-Vorsitzende.
Zudem bleibe das leidige Problem der Technik. An vielen Schulen sei die für einen möglichen Onlineunterricht notwendige Ausstattung gar nicht vorhanden. Um Unterricht streamen zu können, wären sowohl für die Schule, in der der Unterricht in Präsenz stattfinden würde, weitere Anschaffungen erforderlich (z. B. Kameras und Mikrofone), als auch in den Schulen, in die der Unterricht übertragen werden soll (große Bildschirme oder Einzelgeräte). Der Ausbau des W-LAN und der entsprechend leistungsfähigen Kabelverbindungen stehe an vielen Schulen auch noch aus.
“Jedoch muss eine Lehrkraft die Schüler dennoch betreuen, Lernergebnisse sichern, ergänzen und korrigieren”
Der Hybridunterricht erfordere gleichzeitig flexibleren Einsatz der Lehrkräfte und eine stärkere individuelle Betreuung. „Wie soll das denn gehen?“, so Heike Schimke. „Der Einsatz von Lernsoftware und Selbsterarbeitung von Stoff ist zwar machbar. Das hat der Hybridunterricht in der Pandemie gezeigt. Jedoch muss eine Lehrkraft die Schüler dennoch betreuen, Lernergebnisse sichern, ergänzen und korrigieren. Das ist nicht möglich, wenn ein Lehrer auf der einen Seite voll im Unterricht eingesetzt ist und auf der anderen Seite zusätzlich online Stoff methodisch-didaktisch für eine andere Schülergruppe in Klassengröße aufbereiten soll. Da sind Lehrkräfte bereits in der Pandemiezeit an ihre äußersten Grenzen geraten.“
Gnädiger zeigt sich die Philologen-Vorsitzende mit dem vom Nachbarland Sachsen initiierter Modellversuch zum Hybridunterricht (News4teachers berichtete aus darüber) – der gehe von einem anderen Ansatz aus, so Schimke. Hierbei solle versucht werden, bei kleinen Lerngruppen vor Ort mithilfe des Mischunterrichts dennoch erhöhte Kurswahlmöglichkeiten zu bieten. Schimke: „Ob dies sinnvoll ist oder nicht, darüber kann man sich trefflich streiten. Über die Vorstellungen in Thüringen jedoch definitiv nicht.“ News4teachers