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Welle von Atemwegserkrankungen rollt durch Kitas und Schulen – und trifft dort auf einen ohnehin schon großen Personalmangel

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BERLIN. Die Grippewelle in Deutschland kam früh und stark. Aber auch andere Viren haben Hochsaison. Die Verbreitung akuter Atemwegserkrankungen ist daher extrem hoch – was Kitas und Schulen besonders stark zu spüren bekommen: Der ohnehin prekäre Personalmangel in den Bildungseinrichtungen verschärft sich mancherorts dramatisch.  

Kitas und Schulen sind stark von Personalausfällen betroffen. Foto: Shutterstock

Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) schätzen die Verbreitung von akuten Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung als außergewöhnlich hoch ein. «Die Werte liegen aktuell sogar über dem Niveau der Vorjahre zum Höhepunkt schwerer Grippewellen», heißt es im aktuellen Wochenbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza des RKI. Die mit Hilfe von Bürger-Angaben geschätzten Angaben beziehen sich auf die 48. Kalenderwoche.

Die Werte sind demnach im Vergleich zur Woche zuvor noch weiter angestiegen. Angenommen werden laut Bericht insgesamt circa 9,5 Millionen akute Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung in der betrachteten Woche – unabhängig von einem Arztbesuch. Die Zahl der Arztbesuche wegen Atemwegserkrankungen lag in der betreffenden Woche «über den Werten der Vorjahre zu dieser Zeit und in einem Bereich, der sonst nur in Spitzenwochen starker Grippewellen erreicht wurde», schreibt das RKI. Dieses Geschehen sei zu einem Großteil durch Grippeinfektionen bestimmt worden.

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«Es gibt an Schulen und Kitas zahlreiche Krankmeldungen von Kindern und von Angehörigen des Kita- und Schulpersonals»

Das bekommen auch die Kitas und Schulen zu spüren. Beispiel Berlin: Die Bildungsverwaltung nennt die Lage «angespannt». «Es gibt an Schulen und Kitas zahlreiche Krankmeldungen von Kindern und von Angehörigen des Kita- und Schulpersonals», so sagt ein Sprecher. Der Krankenstand ist nach Einschätzung des Hauses «der Jahreszeit geschuldet und der Tatsache, dass auch andere Viren aufgrund der besonderen Schutzmaßnahmen im vergangenen Herbst und Winter nun stärker durchdringen».

Beispiel Bremen: Die Welle an Atemwegserkrankungen macht zunehmend auch Erwachsenen zu schaffen. So sind laut Bildungsverwaltung derzeit rund 20 Prozent der Beschäftigten an den städtischen Kitas erkrankt. In Bremerhaven falle an einigen Kita- und Schulstandorten sogar jeder dritte Beschäftigte aus. Die Betreuung könne daher nicht mehr in vollem Umfang aufrechterhalten werden.

Beispiel Hamburg: «Der Anteil der krank gemeldeten Lehrkräfte ist mit 16,3 Prozent tatsächlich etwas höher als in vergleichbaren Zeiträumen der Vorjahre», sagt ein Sprecher der Schulbehörde. Der Wert beinhalte aber auch Lehrerinnen und Lehrer, die nicht selbst erkrankt seien, sondern sich die sich um ihre erkrankten Kinder kümmern müssten. «Es haben sich einzelne Schulen bei uns gemeldet, an denen es personelle Engpässen gibt und daher teilweise der Schulbetrieb eingeschränkt ist», berichtet der Sprecher weiter. An einzelnen Standorten wirke sich die Erkrankungswelle auch auf die Ganztagsbetreuung durch externe Träger aus.

Ähnlich sieht es bei den Kitas aus. Die Vereinigung Hamburger Kitas Elbkinder spürt den Effekt der saisonalen Atemwegserkrankungen eigenen Angaben nach ebenfalls. «Sowohl bei Kindern als auch beim pädagogischen Personal, wo wir zahlreiche Ausfälle feststellen», hieß es. Doch auch andere Faktoren wie in der Pandemie aufgesparte Urlaubstage verschlimmern die Personalsituation demnach zusätzlich, die Personaldecke in den Kitas sei dauerhaft angespannt.

«Da geht es nur noch um Verwahrung. Man kann dem Anspruch an die eigene Arbeit nicht mehr gerecht werden.»

Die Folge: «An allen Ecken und Enden herrscht Personalmangel, der kompensiert werden muss», sagte Markus Hanisch, Geschäftsführer der GEW Berlin. «Die Bedingungen sind einfach nicht haltbar.». In Ganztagsschulen müssten sich Erzieher’innen in der Nachmittagsbetreuung teilweise um 50 Kinder kümmern, obwohl es laut Personalschlüssel höchstens 22 Kinder sein sollten. «Da geht es nur noch um Verwahrung. Man kann dem Anspruch an die eigene Arbeit nicht mehr gerecht werden.»

Viele Lehrkräfte hätten das Gefühl, dass ihnen mehr zugemutet werde, als sie leisten könnten. Kita-Fachkräfte seien mindestens genauso stark betroffen. «Viele Kitas stehen vor dem Kollaps, davor warnen wir schon länger», so Hanisch. Die GEW hatte bereits in den vergangenen Monaten auf extremen Personalmangel, die Belastungen der Corona-Krise oder auch die Aufnahme von geflüchteten Kindern als Belastungsfaktoren aufmerksam gemacht.

Die Zahl der im Labor bestätigten und ans RKI gemeldeten Grippefälle für die 48. Kalenderwoche betrug bundesweit rund 27.200. Dies sei ebenfalls ein starker Anstieg im Vergleich zur Vorwoche. Laut Bericht wurden seit Anfang Oktober annähernd 160 Grippe-Ausbrüche mit mindestens fünf Fällen gemeldet, davon rund 60 an Schulen. Zudem wurden in dem RKI-Bericht die erfassten Todesfälle mit einer Grippeinfektion auf 30 Fälle beziffert. Die Meldezahlen sind aber nur ein kleiner Ausschnitt der tatsächlichen Lage.

«Insbesondere bei Kleinkindern unter zwei Jahren sorgt zudem die anhaltende RSV-Aktivität für Arztkonsultationen und Krankenhauseinweisungen», schreibt das RKI. RSV steht für den Atemwegserreger Respiratorisches Synzytial-Virus. Eine steigende Aktivität von Grippe- und RS-Viren werde auch aus anderen Ländern in Europa berichtet. Der Anteil an Covid-19-Erkrankungen hat sich unterdessen «weiter stabilisiert». Die Grippewelle in Deutschland hat dieses Mal früh begonnen: nach RKI-Definition in der Woche bis 30. Oktober.

In den beiden Wintern zuvor waren Wellen wegen der Pandemie und den dagegen getroffenen Maßnahmen weitgehend ausgeblieben. Mediziner befürchteten daher mehr anfällige Menschen in der Bevölkerung. Andere Expert’innen sehen in der Durchseuchung mit dem Coronavirus – nicht in den Schutzmaßnahmen dagegen – die Ursache für die Heftigkeit der aktuellen Welle: Die aktuell kursierenden Viren träfen auf Immunsysteme, die durch Covid-19-Infektionen geschwächt worden seien, so lautet die Vermutung (News4teachers berichtete). News4teachers / mit Material der dpa

„Kinder sterben“: Ärzte schlagen wegen Flut von Atemwegsinfekten Alarm – und beklagen Wegfall der Maskenpflicht in Schulen

 

 

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