WIESBADEN. Die Grundschulen in Deutschland hinken hinterher – leistungsmäßig, wie die IQB-Studie unlängst ergab (News4teachers berichtete). Aber auch finanziell, wie ein aktueller Bericht des Statistischen Bundesamtes aufzeigt. Demnach wendet Deutschland pro Kopf und Jahr deutlich weniger für Grundschüler auf als für Schüler weiterführender Schulen. Dafür gibt es zwar eine plausibel klingende Erklärung. Allerdings zeigt auch der internationale Vergleich: Bei den Grundschulen zeigt sich die Bundesrepublik sparsam. Das macht sich beim Unterricht bemerkbar.
Die öffentlichen Haushalte haben im Jahr 2021 durchschnittlich 9.200 Euro für die Ausbildung einer Schülerin beziehungsweise eines Schülers an einer öffentlichen Schule ausgegeben. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen weiter mitteilt, waren das rund 500 Euro beziehungsweise 5 Prozent mehr als im Jahr 2020. Wichtig dabei zu wissen: Die Verbraucherpreise in Deutschland hatten sich im Jahresdurchschnitt 2021 um 3,1 Prozent gegenüber 2020 erhöht, sodass – trotz wachsender Herausforderungen durch Inklusion, Integration und die Pandemie – die Mittel real gerade mal um 1,9 Prozent gesteigert wurden.
Der größte Batzen dieser 9.200 Euro pro Schüler und Jahr wurde für die Gehälter der Lehrkräfte aufgewendet. So entfielen von den Gesamtausgaben insgesamt 7.000 Euro auf Personalausgaben, rund 1.300 Euro auf Ausgaben für den laufenden Sachaufwand und weitere 900 Euro auf Investitionsausgaben. Im Vergleich zum Vorjahr fällt auf, dass insbesondere die Ausgaben für den laufenden Sachaufwand (+200 Euro bzw. +15 Prozent) sowie die Investitionsmittel (+100 Euro bzw. +10 Prozent) überdurchschnittlich stark stiegen. Die Personalausgaben erhöhten sich im selben Zeitraum mit 200 Euro lediglich um 3 Prozent.
Darüber hinaus wird deutlich: Die Pro-Kopf-Ausgaben variieren zwischen den Schularten teils deutlich. An allgemeinbildenden Schulen wurden im Jahr 2021 durchschnittlich 9.900 Euro je Schülerin und Schüler und somit 400 Euro (+ 5 Prozent) mehr als im Vorjahr aufgewendet. Zwischen den Schularten zeigen sich teils deutliche Unterschiede in der Ausgabenhöhe. So beliefen sich die Pro-Kopf Ausgaben an Grundschulen auf 8.000 Euro (+ 300 Euro bzw. +5 Prozent) und an Integrierten Gesamtschulen auf 10.900 Euro (+ 500 Euro bzw. +5 Prozent). An Gymnasien wurden durchschnittlich 10.200 Euro (+ 400 Euro bzw. +4 Prozent) je Schülerin und Schüler ausgegeben. Vor allem die Realschulen fallen im Vergleich ab: Pro Schüler wurden 2021 gerade mal 8.900 Euro aufgewendet.
Macht es Sinn, für jüngere Schüler weniger aufzuwenden als für ältere, obwohl in den ersten Schuljahren doch die Grundlagen für die weitere Bildungskarriere gelegt wird? „In nahezu allen Ländern steigen die jährlichen Ausgaben je Schüler mit den Jahrgangsstufen an, insbesondere dadurch verursacht, dass die Zahl der wöchentlich erteilten Unterrichtsstunden bei den älteren höher als bei den jüngeren Schülerinnen und Schülern liegt“, so heißt es in einem grundsätzlich nach wie vor aktuellen Gutachten zu den Bildungsausgaben, das der Bildungsökonom Prof. Klaus Klemm 2016 im Auftrag des Grundschulverbands erstellte.
Trotzdem sieht Deutschland im internationalen Vergleich insbesondere bei der Finanzierung der Grundschulen nicht gut aus. Klemm: „Auch wenn der deutsche Ausgabensatz (…) ganz leicht überdurchschnittlich ist, darf doch nicht übersehen werden, dass Deutschland (…) deutlich weniger je Grundschülerin und -schüler ausgibt als z. B. Länder wie Österreich, Belgien, Dänemark, Island, Norwegen, Slowenien, Schweden, die Schweiz, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten.“
“Dieser Unterschied von 16 Wochenstunden zwischen den Bundesländern entspricht mehr als einem halben Jahr Grundschulunterricht“
Noch schlimmer wird die Bilanz, wenn betrachtet wird, was mit den Mitteln geschieht, genauer: Wie viel Unterricht für die Schüler dabei am Ende herauskommt. Und da liegt Deutschland bei den Grundschulen unter dem Schnitt vergleichbarer Industrieländer. Klemm: „Ein Vergleich des für Deutschlands vierjährige Grundschulen in der OECD-Statistik
angegebenen Unterrichtsvolumens in Höhe von 2.814 Zeitstunden mit dem sich nach einer Umrechnung in Primarstufenschulen mit vier Jahrgangsstufen ergebenden
Durchschnittswertes aller OECD-Länder von 3.037 Zeitstunden zeigt, dass Deutschland deutlich unterhalb dieses Durchschnitts liegt. Der Vergleich zeigt darüber hinaus auch, dass eine größere Zahl von Ländern für die ersten vier Jahrgänge Werte erreicht, die deutlich oberhalb des OECD-Durchschnittswertes liegen. Länder wie Australien (4.000), Kanada (4.097), Chile (4.097), Irland (3.620), Israel (3.785), Luxemburg (3.854), die Niederlanden (3.640) und die Vereinigten Staaten (3.780) erreichen allesamt Werte, die oberhalb von 3.500 Zeitstunden Unterricht liegen.“
Darüber hinaus gibt es laut Destatis-Bericht beachtenswerte regionale Disparitäten in Deutschland. Die höchsten Ausgaben je Schülerin und Schüler im Jahr 2021 hatten die Stadtstaaten mit durchschnittlich 12.400 Euro. Berlin kam dabei auf 13.300 Euro, Hamburg auf 11.700 Euro und Bremen auf 9.600 Euro. In den Flächenländern variieren die Ausgaben zwischen 8.200 Euro in Mecklenburg-Vorpommern, 8.300 in Nordrhein-Westfalen und 10.500 Euro in Bayern. Entsprechende Unterschiede gibt es auch im Unterrichtsvolumen, das Grundschülern in den jeweiligen Bundesländern geboten wird.
Klemm: „Bei den wöchentlich vorgeschriebenen Pflichtstunden reicht die Bandbreite bei dem deutschen Mittelwert 96.9 von 92 bis zu 108 Wochenpflichtstunden. Dieser Unterschied von 16 Wochenstunden entspricht mehr als einem halben Jahr Grundschulunterricht.“ News4teachers
Bei einem Ausgabenvergleich zwischen den Bundesländern ist jedoch zu beachten, dass sich nicht nur die Schulstruktur und das Unterrichtsangebot in den einzelnen Ländern unterscheiden. Unterschiede in der Höhe der Ausgaben je Schülerin und Schüler zwischen den Schularten und den Bundesländern können auch zurückgeführt werden auf:
- unterschiedliche Schüler-Lehrer-Relationen
- differierende Pflichtstundenzahlen der Lehrkräfte
- unterschiedliche Klassengrößen und Schulstrukturen (z. B. Ganztagsbetreuung)
- abweichende Besoldungsstrukturen und -niveaus
- Unterschiede in der Ausgestaltung der Lernmittelfreiheit
- Unterschiede in der zeitlichen Verteilung und Höhe von Investitionsprogrammen
- Unterschiede im Gebäudemanagement
