BERLIN. In Deutschland soll der Besitz von Cannabis bald straffrei sein und ein Erwerb der Droge zumindest über Umwege legal möglich werden. Wird damit der Konsum von Kindern und Jugendlichen angeheizt? Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin warnt vor den Folgen. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung nimmt die Schulen in die Pflicht.
Die Bundesregierung will den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis künftig erlauben – das ist in etwa so viel wie drei Esslöffel Müsli; daraus ließen sich Dutzende Joints drehen. Legal sein soll auch der Eigenanbau von maximal drei Pflanzen. Außerdem will die Bundesregierung den Anbau und die Abgabe der Droge in Cannabis-Clubs ermöglichen, die zudem “sieben Samen oder fünf Stecklinge” für den Eigenanbau abgeben dürften. So lauten die Kernpunkte der überarbeiteten Pläne für eine Cannabis-Legalisierung, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) nun vorgestellt haben.
Die ursprünglich geplanten Cannabis-Fachgeschäfte, in denen Rausch-Produkte frei an Erwachsene verkauft werden könnten wie in einigen US-Bundesstaaten, kommen dagegen erst einmal nicht, weil das auf Widerstand bei der EU in Brüssel gestoßen war.
Die neuen Eckpunkte für das Legalisierungsvorhaben sind ein Zwischenschritt. Noch im April soll nun als nächstes ein erster konkreter Gesetzentwurf zur Legalisierung vorgelegt werden. Dieser müsste nach Abstimmung in der Regierung und Kabinettsbeschluss später noch durch Bundestag und Bundesrat. Özdemir zufolge will die Ampel versuchen, das Gesetz so zu gestalten, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Die Bundesländer könnten dann lediglich Einspruch erheben und das Gesetz verzögern. Wann die Regeln in Kraft treten könnten, ist noch unklar.
“Das Angebot für diese Altersgruppe wird durch die Freigabe ab 18 Jahren nicht limitiert, sondern im Gegenteil eher erweitert”
Lauterbach und Özdemir verteidigten die Pläne und bekräftigten, dass mit dem Vorhaben der Jugendschutz erhöht, der Schwarzmarkt zurückgedrängt und der Kriminalität der Boden entzogen werden solle. “Niemand soll mehr bei Dealern kaufen müssen, ohne zu wissen, was man sich da einhandelt”, sagte Özdemir. “Der Schwarzmarkt wird sich, wenn man so will, schwarz ärgern.” Lauterbach sprach von einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene „in klaren Grenzen (…) flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche“. Die bisherige Cannabis-Kontrollpolitik sei gescheitert.
Scharfe Kritik an den Ampel-Plänen kam von der Union. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte das Vorhaben einen “Irrweg”. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) warf der Regierung vor, “krampfhaft” zu versuchen, “mit juristischen Winkelzügen Schlupflöcher für ihr ideologisches Legalisierungsprojekt zu finden”. Die Argumentation, die Legalisierung führe zu mehr Jugendschutz, bezeichnete er als “schlechten Witz”. Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge kritisierte, die Koalition wolle eine Droge legalisieren, vor der Psychologen und Jugendmediziner seit Jahren warnten.
Die Erfahrungen mit Alkohol zeigten, dass es für Jugendliche kein Problem sei, an legalisierte Drogen zu kommen, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Burkhard Rodeck, der “Rheinischen Post”. “Das ist nach der Legalisierung des Cannabis-Konsums für diese suchterzeugende Substanz auch nicht anders zu erwarten.”
“Das Angebot für diese Altersgruppe wird durch die Freigabe ab 18 Jahren nicht limitiert, sondern im Gegenteil eher erweitert”, meinte Rodeck. Die Gefahren des Cannabis-Konsums in jugendlichem Alter seien eindeutig. Das zeige eine vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegebene Studie. “Regelmäßiger Cannabis-Konsum bei Jugendlichen führt zu strukturellen und funktionellen Veränderungen im Gehirn mit Einschränkungen von Aufmerksamkeit, Denkleistung, Intelligenz und sozialer Kompetenz.”
“Unter 18 Jahren hat Cannabis nichts in den Händen von Jugendlichen zu suchen”
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, verteidigte hingegen die geplante Cannabis-Legalisierung. Im Interview mit MDR Aktuell kritisierte der SPD-Politiker gleichzeitig die aktuelle „Verbotspolitik“. „Wir haben ein massives Problem mit organisierter Kriminalität, mit hohen gesundheitlichen Risiken, mit wenig Prävention, die Kinder und Jugendliche tatsächlich erreicht. Das wollen wir ändern.“ Es gebe jetzt schon einen hohen Konsum von Cannabis in allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten. Die Legalisierungspläne werden nach Blienerts Einschätzung nicht zu einem Anstieg führen.
Cannabis als Einstiegsdroge für eine Drogenkarriere – diese These ist aus Sicht des Beauftragten „wissenschaftlich widerlegt“. Cannabis für Erwachsene unter gesicherten Bedingungen zu ermöglichen, bedeute mehr Schutz. Allerdings müsse das Signal nach wie vor ausgehen: “Unter 18 Jahren hat Cannabis nichts in den Händen von Jugendlichen zu suchen.” Daher müsse zur Teillegalisierung Prävention für junge Menschen flankierend hinzukommen. In Schulen werde zu wenig über Cannabis gesprochen. Es brauche mehr Drogen- und Risikokompetenz.
Insgesamt brauche es eine Debatte über den Umgang mit Drogen und Sucht, so der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen. “Wie die Erfahrung in anderen Ländern auch zeigt, durch eine Regulierung von Cannabis, kann auch ein Schwarzmarkt zurückgedrängt werden.” News4teachers / mit Material der dpa
Lehrerverband lehnt Legalisierung von Cannabis ab (Meidinger: Allenfalls Modellversuche)