Website-Icon News4teachers

Studie: Emotionale Kompetenzen spielen in Lehrplänen kaum eine Rolle

BERLIN. In den deutschen Lehrplänen wird Forschern der Freien Universität Berlin zufolge auf die Stärkung von emotionalen Kompetenzen zu wenig Wert gelegt. Dabei wäre das wichtig – auch für den Lernerfolg.

Kinder und Jugendliche, die mit ihren Gefühlen umgehen können, zeigen bessere Leistungen in der Schule. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Ein höheres Maß an Kreativität, Empathie und Stressresistenz steigert bei Schülerinnen und Schülern die Leistungen – wie eine internationale Studie der OECD von 2021, in die auch die Daten von deutschen Schülerinnen und Schülern eingeflossen waren, ergab. Demnach sind Kreativität, Verantwortungsbewusstsein, Einfühlungsvermögen, Toleranz, die Fähigkeit zur Gefühlsregulation, Stressresistenz und ähnliche Fähigkeiten auch ausschlaggebend für die Noten. PISA-Koordinator Prof. Andreas Schleicher sagte seinerzeit, Mathematik zum Beispiel sei nicht nur eine Frage der Fähigkeit zum Formeln-Lernen, sondern auch eine Frage der Neugierde.

Dabei nähmen die sozial-emotionalen Fähigkeiten mit zunehmendem Alter tendenziell etwas ab. Bei 15-jährigen Schülerinnen und Schülern seien die sozialen und emotionalen Fähigkeiten im Schnitt geringer ausgeprägt als bei Zehnjährigen.

Anzeige

Kein Wunder – denn offenbar werden in der Schule emotionale Kompetenzen wie das Erkennen, Ausdrücken und Regulieren von Emotionen sowie die Fähigkeit zur Empathie zu wenig gefördert. Dies legen jedenfalls die Ergebnisse der Studie «Emotional competence: The missing piece in school curricula? A systematic analysis in the German education system» nahe, die vom Bundesbildungsministerium gefördert wurde und nun im Fachmagazin «International Journal of Educational Research Open» erschienen ist. Untersucht wurde, ob Lehrpläne auf die Stärkung solcher emotionalen Kompetenzen abzielen.

«Es zeigte sich, dass allein 42 Prozent der deutschen Lehrpläne die Stärkung von emotionalen Kompetenzen überhaupt nicht als Ziel aufgreifen»

Bislang gab es kaum Untersuchungen zur Frage, inwiefern emotionale Kompetenzen tatsächlich in den Strukturen des Bildungssystems – wie zum Beispiel in Lehrplänen oder in der Lehrkräfteausbildung – verankert sind. Die Autoren haben für ihre Studie eine systematische Auswahl an 422 Lehrplänen aus allen Bundesländern, Schulformen und über ein breites Fächerspektrum hinweg hinsichtlich des Stellenwerts von emotionalen Kompetenzen analysiert.

«Es zeigte sich, dass allein 42 Prozent der deutschen Lehrpläne die Stärkung von emotionalen Kompetenzen überhaupt nicht als Ziel aufgreifen», betonten die  Studienautoren Julius Grund und Jorrit Holst vom Institut Futur am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin. Im Durchschnitt finde sich ein Verweis auf nur jeder dreizehnten Seite. Dabei sei kein zeitlicher Trend festgestellt worden: Neuere Dokumente enthalten also nicht mehr Bezüge zu emotionalen Kompetenzen als ältere. Bei den Schulstufen sind allerdings Unterschiede auszumachen: Emotionale Kompetenzen spielen in den Grundschullehrplänen durchaus noch eine Rolle – in der weiterführenden Schule dann immer seltener.

Auch bestehen deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Fächern: Am stärksten finden sich Verweise auf die Stärkung emotionaler Kompetenz im Fach Ethik/Philosophie, während wenige Verweise beispielsweise in den Naturwissenschaften, Informatik oder Wirtschaft gefunden wurden. «Obwohl es breite empirische Belege in der modernen Wissenschaft zur Bedeutung von sozial-emotionalem Lernen für eine gelingende menschliche Entwicklung gibt, wurde in der vorliegenden Studie eine unzureichende Verankerung von emotionaler Kompetenz in den deutschen Lehrplänen festgestellt», sagen die Forscher.

Ihr Fazit: «Eine umfassende Integration von emotionalen Kompetenzen über verschiedene Fächer, Altersstufen und Schulformen hinweg wäre eine wichtige strukturelle Basis, um die Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung von jungen Menschen im Schulalltag zu stärken». Tatsächlich hatte PISA-Chef Schleicher eine ähnliche Schlussfolgerung gezogen – in seinen Worten: «Bildung ist nicht Transaktion, es ist immer eine soziale Arbeit, es ist immer eine Beziehungsarbeit.» News4teachers / mit Material der dpa

PISA-Chef Schleicher: Soziale und emotionale Fähigkeiten steigern Schulerfolg

Die mobile Version verlassen