DELMENHORST. Nach Messerstichen an einer Berufsschule im niedersächsischen Wildeshausen ist Haftbefehl gegen einen festgenommenen 17-jährigen Schüler erlassen worden. Ermittelt werde wegen versuchten Mordes, teilte die Polizei in Delmenhorst (Landkreis Oldenburg) mit. Der 17-Jährige soll einen ein Jahr jüngeren Schüler mit einem Messer schwer verletzt haben. Befeuern die Sozialen Medien die zunehmende Gewalt auf den Schulhöfen? Oder spielt die Corona-Krise eine Rolle?
Zu den Hintergründen wird noch ermittelt, aber Polizeivertreter äußerten sich besorgt. «Wir dürfen nicht darüber hinwegsehen, dass wir auf unseren Schulhöfen und in den Schulen eine Verrohung erleben, die insbesondere auch durch die sozialen Medien massiv befeuert wird», sagte der Leiter des örtlichen Polizeikommissariats, Niels Wiebusch, einer Mitteilung zufolge.
Um Spekulationen in den sozialen Medien Einhalt zu gebieten, wurde darauf hingewiesen, dass sowohl das Opfer als auch der Beschuldigte deutsche Staatsangehörige seien. So versuchen rechte Gruppen immer wieder, Gewaltakte politisch zu instrumentalisieren, um Stimmung gegen Migrantinnen und Migranten zu machen (auch auf News4teachers). Die Tat soll sich am Mittwoch im Toilettenbereich der Schule zugetragen haben.
«Gerade bei diesen jungen, besonders zu schützenden Menschen muss auch konsequent verhindert werden, dass Gewalt als Unterhaltungstrend im Netz Einzug hält», sagte auch der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme. Er hatte die Schule noch am Mittwoch mit dem Oldenburger Landrat Christian Pundt und dem Wildeshauser Bürgermeister Jens Kuraschinski besucht.
Wie unlängst aus Nordrhein-Westfalen gemeldet wurde, ist die Zahl der Straftaten an Schulen in den vergangenen Jahren gestiegen. Vor allem bei gravierenden Delikten wie Körperverletzung, Bedrohung oder Raub registrierte die Polizei 2022 deutlich mehr Taten an den Schulen als noch im Jahr 2019 vor den Corona-Lockdowns, wie das Innenministerium mitteilte. Die nordrhein-westfälische Landesregierung zeigte sich besorgt. «Die zwei Jahre Pandemie haben unseren Kindern Raum für soziale Entwicklung genommen», sagte Innenminister Herbert Reul (CDU).
«Seit Monaten weise ich darauf hin, dass sich was auf den Schulhöfen verändert hat»
Insgesamt registrierte die Polizei im vergangenen Jahr gut 24.500 Straftaten an den NRW-Schulen, 18,6 Prozent mehr als 2019. Allerdings war der Anstieg bei Gewaltdelikten noch sehr viel stärker: Die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen stieg um 54 Prozent auf 1500, die Zahl der einfachen Körperverletzungen um 56 Prozent auf knapp 3700. Im Bereich Nötigung und Bedrohung registrierte die Polizei knapp 1200 Fälle, 58 Prozent mehr als drei Jahre zuvor. Im Bereich Raub und räuberische Erpressung wurden 200 Fälle angezeigt, ein Plus von 42 Prozent.
Bei anderen Delikten gab es keinen so starken Anstieg. So registrierte die Polizei 8.100 Diebstähle (minus 3 Prozent), 4.700 Sachbeschädigungen (plus 13 Prozent) und gut 1.100 Rauschgiftdelikte (plus 2 Prozent). In der Statistik geht es immer um die «Tatörtlichkeit Schule» – das heißt, dass auch Taten außerhalb der Unterrichtszeit erfasst werden, wenn sie auf dem Schulhof passieren.
«Seit Monaten weise ich darauf hin, dass sich was auf den Schulhöfen verändert hat», sagte Innenminister Reul. «Kinder sind heute viel zu oft Täter.» Das liege auch an den Corona-Lockdowns. «Sowas wie gesunde Streitkultur und Kräftemessen mit Gleichaltrigen ist im Lockdown zwangsläufig auf der Strecke geblieben.» Die Polizei allein könne diese Probleme jedenfalls nicht in den Griff bekommen. News4teachers / mit Material der dpa
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