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“Überkommenes Frauenbild”: Streit an Universität um nackte Bronzefigur im Eingangsbereich wird zur Grundsatzdebatte

FLENSBURG. Die Darstellung nackter Körper ist in der Kunst alles andere als selten. In der Uni Flensburg gibt es jetzt Ärger wegen der Figur «Primavera» – eine nackte Frau im Foyer eines Gebäudes. Die wurde nun auf Drängen der Gleichstellungsbeauftragten entfernt. Studierendenvertreter protestierten. Offenbar erfolgreich: Die Statue soll wieder aufgestellt werden. Vorerst zumindest. Die Streitfrage ist grundsätzlich.

Der Umgang mit einer Frauen-Skulptur hat zu Streit an der Europa-Universität Flensburg geführt. Die Figur «Primavera» von Fritz During zeigt eine nackte Frau mit breiter Hüfte und über dem Kopf verschränkten Armen. Nach einem Bericht des «Flensburger Tageblatts» hatten sich einige Studentinnen und Wissenschaftlerinnen beim Anblick der Bronze unwohl gefühlt. Die stand bis vor kurzem in einem Universitätsgebäude – an zentraler Stelle im Eingangsbereich. Unlängst ließ die Unileitung sie entfernen. Anschließend stand ein buntes Fragezeichen aus Kunststoff auf dem Sockel.

Vorausgegangen seien Diskussionen im Gleichstellungs- und Diversitätsausschuss, teilte die Universität nun mit. Dabei sei es um die Frage gegangen, ob die Darstellung eines Frauenkörpers richtig platziert sei – im Foyer einer Universität, die «Frauen als intellektuelle Persönlichkeiten adressiere». Es sei um den Zusammenhang von Figur und Ort, nicht die Figur an sich gegangen. Das Fragezeichen wurde nach Angaben der Universität von einer unbekannten Person aufgestellt und stelle keinen Ersatz dar. Die Statue selbst fand im Büro des Hausmeisters Asyl.

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Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität hatte die Skulptur kritisiert. Sie symbolisiere ein «überkommenes Frauenbild, das nicht geeignet ist, an so zentraler Stelle einer Universität als Empfangsdame» zu stehen. Es habe Studentinnen und Wissenschaftlerinnen gegeben, die sich beim Anblick der «Primavera» unwohl fühlten, sagte die Gleichstellungsbeauftragte  dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (SHZ) – und verwies darauf, dass sich die Plastik an dem gleichnamigen Gemälde des Renaissance-Künstlers Sandro Boticelli orientiere. Das Wort «Primavera» – übersetzt «Frühling» – stehe unter anderem für «Neuanfang, Gebären». Die Figur, die ein ausgeprägtes Becken aufweise, lasse «nicht einen Hauch von Intellektualität zu», sagte die Gleichstellungsbeauftragte dem SHZ.

«Dass sich Gleichstellungs- und Diversitätsbeauftragte die Deutungshoheit über Kunstwerke zu eigen machen, ist höchst problematisch»

Janko Koch, Mitglied des Uni-Senats, kritisierte die Entfernung. Der Student sprach in dem Zeitungsbericht von «Cancel Culture»: «Dass sich Gleichstellungs- und Diversitätsbeauftragte die Deutungshoheit über Kunstwerke zu eigen machen, ist höchst problematisch.»

Auch der AStA hat sich eingeschaltet. Die Studierendenvertretung kritisierte die Einschränkung der Kunstfreiheit und forderte, die umstrittene Skulptur wieder am ursprünglichen Ort aufzustellen. «Der Gleichstellungs- und Diversitätsausschuss des Senats darf sich nicht als alleiniges Sprachrohr für all die weiblichen Studierenden an unserer Universität inszenieren. Dass dieser nun die Verbannung einer nackten Frauenskulptur fordert, ist aus meiner Sicht ein falsches Signal. Ich habe mit vielen Studentinnen gesprochen, die entsetzt auf die Entfernung der Primavera reagiert haben. Dass die Darstellung von Weiblichkeit an unserer Universität nun vollständig von der Interpretation des Gleichstellungs- und Diversitätsausschusses abhängig ist, ist katastrophal. Die Universität muss mit der Rückführung der Statue ein Zeichen für einen offenen Diskurs in Sachen Kunstfreiheit setzen», so Alina Jacobs, stellvertretende AStA-Vorsitzende.

Das Präsidium der Universität teilte weiter mit, es bedauere, dass die Plastik ohne vorangehende Diskussion aus dem Foyer entfernt wurde. Das Kunstwerk solle ab dem Herbstsemester 2023 wieder öffentlich zugänglich gemacht werden. Außerdem werde es Gelegenheit für Diskussion und Meinungsaustausch geben.

Der AStA zeigt sich zufrieden – und gibt sich salomonisch. «Die Bedenken, die insbesondere Teile der weiblichen Mitglieder der Universität hinsichtlich der Statue geäußert haben, sind selbstverständlich ernst zu nehmen. Gleiches gilt für diejenigen, die in der Entfernung der Statue einen Angriff auf die Kunstfreiheit sehen, obendrein ohne öffentlichen Diskurs. Und Gleiches gilt auch für diejenigen – ob Mitglied des Senats oder nicht -, die das Übergehen dieses wichtigen universitären Gremiums durch die Schaffung von vollendeten Tatsachen als nicht hinnehmbar betrachten. Am Ende wird wie so oft ein Ergebnis nur durch eine Interessen- bzw. Güterabwägung hervorgebracht werden können, die auch und insbesondere im Lichte des Grundrechts auf Kunstfreiheit vollzogen werden sollte. Der freie Diskurs muss in einer (eigentlich) öffentlichen Senatssitzung stattfinden», erklärt der AStA-Vorsitzende Frank Ellenberger. News4teachers / mit Material der dpa

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