KIEL. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und CDU-Bundesvize Karin Prien beklagt einen zunehmenden Bewegungsmangel bei Kindern und plädiert deshalb dafür, deren Handy-Nutzung massiv zu begrenzen. Sie denkt laut über ein Nutzungsverbot in Grundschulen nach. Prien kann sich dabei auf eine aktuelle Stellungnahme der Unesco berufen. Die empfiehlt darin, Handys gleich in allen Schulformen zu verbieten – also auch für die älteren Schülerinnen und Schüler.
«Ein Kindergartenkind braucht kein Smartphone. Auch für die Grundschule denke ich, dass wir ein generelles Handynutzungsverbot ins Auge fassen sollten», sagte Prien der «Bild»-Zeitung. Das Spielen mit Smartphones führe dazu, dass Kinder zu wenig draußen sind. «Kinderturnen, Fahrradfahren, Spielplatz. All das ist weniger geworden», konstatierte die CDU-Politikerin.
Auch der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, hatte sich erst kürzlich besorgt über den Internetkonsum von Kindern geäußert. Wenn er sehe, dass schon Kleinkinder Tablets in die Hand bekommen, stünden ihm «die Haare zu Berge», sagte Fischbach der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Ein Smartphone schon für Neunjährige sei zu früh. Auf Social-Media-Kanälen tummelten sich sogenannte Influencer, die ungefestigte junge Menschen negativ beeinflussten. Eine Folge seien psychische Erkrankungen. Das sei in den Arztpraxen deutlich zu spüren, so Fischbach.
International wird die Debatte von einer aktuellen Stellungnahme der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (Unesco). Die empfiehlt, Handys weltweit in allen Schulen vollständig zu verbieten, um Störungen im Unterricht zu bekämpfen, Cybermobbing vorzubeugen und für eine bessere Lernumgebung zu sorgen. Der Unesco zufolge gibt es Belege dafür, dass eine übermäßige Nutzung von Smartphones mit schlechteren schulischen Leistungen sowie negativen Auswirkungen auf die emotionale Stabilität von Kindern einhergeht.
Dabei habe eine Analyse von weltweit 200 Bildungssystemen ergeben, dass schätzungsweise jedes sechste Land Smartphones in der Schule bereits verbietet. Als Beispiele innerhalb der EU werden etwa Frankreich, das ein solches Verbot 2018 eingeführt habe, sowie die Niederlande, die diesem Beispiel ab 2024 folgen sollen, angeführt.
«Nicht jede Veränderung ist ein Fortschritt. Nur weil etwas getan werden kann, heißt das nicht, dass es auch getan werden sollte»
Ohnehin warnt die Unesco Bildungspolitikerinnen und -politiker «vor einer unreflektierten Umarmung der digitalen Technologie». Deren positive Auswirkungen auf die Lernergebnisse und die wirtschaftliche Effizienz könnten von ihnen überbewertet werden. «Nicht jede Veränderung ist ein Fortschritt. Nur weil etwas getan werden kann, heißt das nicht, dass es auch getan werden sollte», schreibt die Unesco.
Dem Bericht zufolge ist es angesichts der zunehmenden Verlagerung des Lernens ins Internet wichtig, die «soziale Dimension der Bildung» nicht zu vernachlässigen, bei der Schülerinnen und Schüler in direktem Kontakt mit der Lehrkraft unterrichtet werden. Eine übermäßige und/oder unangemessene Verwendung von Endgeräten wie Smartphones, Tablets oder Laptops im Klassenzimmer und zu Hause könne Lernende ablenken und sich so nachteilig auf ihren Lernprozess auswirken.
Gleichwohl räumt die Unesco ein, dass die Digitalisierung der Bildung ein hohes Potenzial birgt. Dieses müsse genutzt werden, um bessere Lernerfahrungen zu erzielen und das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrer zu erhöhen. Die Bedürfnisse der Lernenden stünden an erster Stelle, Lehrkräfte müssten in ihren Bemühungen unterstützt werden.
Nach Ansicht von CDU-Vize Prien geben Eltern zu Hause oft ein schlechtes Vorbild ab. «Insgesamt sitzen auch Erwachsene zu viel am Handy und Tablet. Das färbt auf die Jüngsten ab», sagte sie und mahnte, sich mehr mit Kindern direkt zu beschäftigen. «Bildung beginnt in ganz frühen Jahren zu Hause. Die Eltern müssen mit den Kindern sprechen, mit ihnen spielen und am besten jeden Abend zehn Minuten vorlesen. Ich bin ein großer Fan von Märchen», erklärte Prien. News4teachers / mit Material der dpa
Hier lässt sich der Global Education Monitoring Report Summary 2023 der Unesco herunterladen.
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