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Schulen sind voll: Bildungssenatorin plant Container-Klassen für Flüchtlingskinder

BERLIN. Die Zahl von schulpflichtigen Kindern, die als Flüchtlinge nach Berlin kommen, steigt weiter. Wie sollen sie unterrichtet werden? Berlin plant nun sogenannte «Willkommensklassen» an den Großunterkünften. Zuvor hatte die GEW deutliche Verbesserungen für geflüchtete Kinder und Jugendliche beim Zugang zu Bildung gefordert.

Wie können Flüchtlingskinder beschult werden, wenn die Schulen aus allen Nähten platzen? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Angesichts der steigenden Zahl an Geflüchteten in Berlin hat Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch die Entscheidung verteidigt, schulpflichtige Kinder künftig in den Großunterkünften für Flüchtlinge zu unterrichten. «Wir mussten jetzt die Entscheidung treffen, was wir mit den Kindern machen, vor allem mit der Perspektive noch größerer Zahlen und weil wir wissen, dass unter den Ankommenden rund 30 Prozent schulpflichtige Kinder sind», sagte die CDU-Politikerin. «Wir haben eine Prognose für Tegel, dass wir mit 1.500 schulpflichtigen Kindern bis zum Ende des Jahres rechnen.»

Bisher gibt es in Tegel für schulpflichtige Kinder lediglich sogenannte tagesstrukturierende Angebote. Das Konzept werde jetzt jedoch geändert. «Wir werden in Tegel sogenannte Willkommensklassen einrichten», sagte Günther-Wünsch. «Willkommensklassen haben 30 Stunden Schulunterricht – an fünf Tagen sechs Stunden.» In Tegel sollen dafür Schulcontainer oder Leichtbauhallen aufgebaut werden. Einen entsprechenden Beschluss hat der Senat am Dienstag gefällt.

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«Die Alternative wäre, dass diese Kinder und Jugendlichen zunächst gar nicht beschult würden. Das will ich auf jeden Fall vermeiden»

«Wir hatten zuletzt in den Bezirken 1100 bis 1200 und in Tegel um die 700 schulpflichtige Kinder, die derzeit noch nicht beschult werden und gegebenenfalls schon tagesstrukturierende Angebote erhalten», so die Bildungssenatorin. «Insgesamt geht es also um knapp 2000 Kinder und Jugendliche, und einige von ihnen haben auch schon über mehrere Monate keine Schule besucht.»

Das Ziel sei, in den Willkommensklassen in Tegel ein identisches Angebot zu schaffen wie bisher an den Schulen. Zur Frage, wer dort unterrichten soll, sagte Günther-Wünsch, es gebe eine Dauerausschreibung für das pädagogische Personal in Willkommensklassen. «Gleichzeitig haben wir Personal in den Volkshochschulen, wir können Pensionäre akquirieren, die sich auch bereit erklärt haben, gerade Geflüchtete zu unterrichten.»

Wie viel zusätzliches Personal gebraucht werde, lasse sich noch nicht exakt sagen. «Das hängt auch von der Belegung der Willkommensklassen ab. Wir haben bisher mit 12 gerechnet, wir überlegen gerade auf 15 hochzugehen», so die Senatorin. «Wir haben auch die Überlegung, dort ukrainische Pädagogen mit einzusetzen – als Tandem, so dass dort zwei Betreuer in einer Willkommensklasse für die Kinder da sind.»

Günther-Wünsch betonte, das neue Konzept sei eine Übergangslösung und auf Dauer vorgesehen. «Momentan haben wir aber keine Alternative.» Angesichts der großen Zahl an geflüchteten schulpflichtigen Kindern müssten in kurzer Zeit mehrere Schulen aus dem Boden gestampft werden – nach Einschätzung des schwarz-roten Senats ist das völlig unrealistisch. «Solche Willkommensklassen sind auch nur für Großstandorte, also Sammelunterkünfte, geplant, also auch in Tempelhof», sagte Günter-Wünsch. «Die Alternative wäre, dass diese Kinder und Jugendlichen zunächst gar nicht beschult würden. Das will ich auf jeden Fall vermeiden.»

Die GEW hatte zuvor die bisherige Situation kritisiert. «Es kann nicht sein, dass hunderte Kinder und Jugendliche monatelang auf einen Schulplatz warten müssen. Auch bei dem Übergang von einer sogenannten Willkommensklasse in eine Regelklasse kommt es zum Teil zu langen Wartezeiten. Die Kinder und Jugendlichen hängen in der Luft. Ihrem Recht auf Bildung wird nicht entsprochen», kritisierte Lydia Puschnerus, Leiterin des Vorstandsbereichs Schule.

«Die gezielte Zuordnung zu einer Schule würde den Bedürfnissen der neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen nach Stabilität und Sicherheit viel besser gerecht»

Puschnerus forderte: «Auch wenn die Schulen aus allen Nähten platzen, müssen Lösungen gefunden werden. Wir brauchen vernünftige Konzepte statt immer wieder Notfallmaßnahmen. Schulersetzende Maßnahmen sind keine Alternative und dürfen nicht verstetigt werden. Die aktuellen Verfahren für die Schulplatzzuweisung und den Übergang müssen verändert werden. Sie werden den Kindern nicht gerecht und binden sehr viele Ressourcen.»

Was schlägt die GEW vor, wie eine passgenauere Zuweisung eines Schulplatzes erfolgen und häufige Schul- und Klassenwechsel vermieden werden könnten? «Gleich zu Beginn sollten der Sprachstand und die fachlichen Kenntnisse verbindlich mit einem einheitlichen Diagnoseinstrument unter Einbezug der Erstsprache erfasst werden. Die Eingangsdiagnostik sollte an einer zentralen Stelle mit qualifizierten Mitarbeiter*innen erfolgen», erklärte Jessika Tsubakita vom Landesausschuss für Migration, Diversität und Antidiskriminierung der Berliner GEW. Auch Dolmetscherinnen und Dolmetscher sollten einbezogen werden.

«Auf Basis der ausführlichen Diagnostik könnte von Anfang an eine Zuordnung zu einer dem Alter und Leistungsstand entsprechenden Regelklasse erfolgen. Dies könnte das aufwendige, nicht gut funktionierende, von willkürlichen Faktoren abhängende Übergangsmanagement ablösen. Die gezielte Zuordnung zu einer Schule würde den Bedürfnissen der neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen nach Stabilität und Sicherheit viel besser gerecht und ihnen die Teilhabe an schulischen Unterrichts- und Freizeitaktivitäten ermöglichen», sagte Tsubakita.

Für die Förderung der deutschen Sprachkenntnisse und der Erstsprachen sind aus Sicht der Berliner GEW verbindliche Regelungen nötig. «Sprachförderstunden dürfen nicht für Vertretungszwecke genutzt werden. Die Schulen brauchen deutlich mehr Ressourcen, um dem Unterstützungsbedarf gerecht werden zu können. Auch die Begleitung der Schüler*innen über den Unterricht hinaus muss mitgedacht werden», so Puschnerus. Weiterhin sind Nachteilsausgleiche ohne zeitliche Begrenzung zu gewähren. Schulen sollten grundsätzlich sichere Orte für Kinder und Jugendliche sein, aus denen nicht abgeschoben werden darf. Wichtig sei auch, dass jungen Menschen in der Ausbildung der Druck, der von aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen ausgeht, genommen wird. Außerdem müssten auch über 16-jährige Geflüchtete die Möglichkeit erhalten, einen Schulabschluss zu machen. News4teachers / mit Material der dpa

Flüchtlingskinder: Besuch einer „Willkommensklasse“ führt zu deutlich schlechteren Leistungen als die sofortige Integration

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