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Was ist das Abitur noch wert? Hochschulen müssen immer mehr Brückenkurse anbieten, um Studienanfänger fit zu machen

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GÜTERSLOH. Die Dominanz der Abiturnote bei der Vergabe von Studienplätzen nimmt laut einer aktuellen Datenauswertung immer weiter ab. Brückenkurse seien dagegen für die die deutschen Hochschulen von einem “Nice to have”- zu einem “Must have”-Angebot geworden, stellen Fachleute des CHE Centrums für Hochschulentwicklung fest.

Vor dem Studium steht oft die Schließung von Wissenslücken. Viele Erstsemester fühlen sich nicht hinreichend auf Ihr Studium vorbereitet. Foto: Shutterstock

Studienanfängerinnen und Studienanfängern steht vor dem Start an der Hochschule ein breites Angebot an Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung. So bieten aktuell vier von fünf Fachbereichen an deutschen Hochschulen Vor- oder Brückenkurse an. Auch die Beratungsangebote wurden im Vergleich zum Jahr 2021 ausgebaut. Dies zeigen Daten des von der Bertelsmann Stiftung und der Stiftung zur Förderung der Hochschulrektorenkonferenz getragenen gemeinnützigen CHE Centrums für Hochschulentwicklung. Die Daten beruhen auf Befragungen von 1.746 Fachbereichen an 230 deutschen Hochschulen. Die Dominanz der Abiturnote bei der Vergabe von Studienplätzen nimmt dagegen weiter ab.

Vier von fünf Fachbereichen bieten Vor- oder Brückenkurse für Erstsemester

Mit sogenannten Brücken- oder Vorkursen können Erstsemester seit Jahren schon Wissenslücken vor dem Studienstart schließen und die Arbeitsweise und die Hochschule schon vor dem eigentlichen Studienbeginn kennen lernen. Eine Auswertung des CHE zeigt, dass aktuell 79 Prozent aller Fachbereiche an deutschen Hochschulen solche Vor- oder Brückenkurse anbieten. Gegenüber der letzten Befragung im Jahr 2021 entspricht das einem Zuwachs von 12 Prozentpunkten. Nahezu flächendeckend gibt es solche Angebote in Fächern, die spezifische Mathematik-Kenntnisse voraussetzen. Hierzu gehören etwa Studiengänge aus den Bereichen Physik, Elektrotechnik oder Mechatronik.

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Politik, Schule und Gesellschaft hätten zurecht gefordert, die Corona-Strapazen und eventuelle Lücken im Lehrplan der vergangenen Abitur-Jahrgänge zum Studienstart besonders zu berücksichtigen, betont CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele. Dieser Verantwortung seien die Hochschulen durch einen Ausbau ihres Unterstützungsangebotes nachgekommen. „Brückenkurse, Tutorienprogramme oder eine individuelle Studienverlaufsplanung sind für die deutschen Hochschulen von einem ‚nice to have‘- zu einem ‚must have‘-Angebot geworden“, so Ziegele.

Breites Unterstützungsangebot, aber Früherkennung von Studienabbruch noch ausbaufähig
Aktuell verfügten 94 Prozent der befragten rund 1.800 Fachbereiche (2021: 81%) über eine Beratung zur individuellen Studienverlaufsplanung. Diese beinhaltet beispielsweise Hilfe für Studierende, ihr Studium neu zu organisieren, etwa bei Prüfungsrückstand. Mehr als zwei Drittel aller Fachbereiche bieten eine regelmäßige Rückmeldung des Lernerfolgs an.

Bei Maßnahmen, die Studieninteressierten vorab Rückmeldung über ihre fachliche Eignung geben können und damit einen späteren Studienabbruch vorbeugen könnten, sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trotz eines deutlichen Anstiegs in den vergangenen beiden Jahren noch Luft nach oben. „Sogenannte Self-Assessment-Tools, bei denen man vor Studienbeginn prüfen kann, ob und wie gut das Fach und die entsprechenden Anforderungen zu einem passen, setzt rund die Hälfte der Fachbereiche ein“, erläutert Studienautor Cort-Denis Hachmeister. Frühwarnsysteme, die Anzeichen für einen Studienabbruch schon frühzeitig im Studienverlauf erkennen können, damit rechtzeitig Unterstützungsmaßnahmen angeboten werden können, kommen ebenfalls nur bei 51 Prozent der Fachbereiche zur Anwendung.

Dominanz der Abiturnote bei der Hochschulzulassung nimmt ab

Auch beim Thema Hochschulzugang hat sich die Situation für Studieninteressierte deutlich verändert. So war im Wintersemester 2013/14 noch mehr als jeder zweite Bachelorstudiengang (52 %) mit einer Zulassungsbeschränkung versehen. Im Wintersemester 2023/24 gilt dies nur noch für 38 Prozent der Studiengänge.

„Die Dominanz der Abiturnote bei der Bewerbung um einen Studienplatz nimmt immer weiter ab“, konstatiert Hachmeister. Bei mehr als 60 Prozent aller Bachelorstudiengänge spiele die Abiturnote bei der Einschreibung mittlerweile keine Rolle mehr. „Und“, so Hachmeister, „auch bei der Vergabe von Studienplätzen in Medizin und Psychologie werden Kompetenzen, die man mit entsprechenden Tests oder dem Nachweis einschlägiger vorheriger Berufserfahrungen sichtbar machen kann, immer stärker berücksichtigt.“

Der CHE-Experte für Hochschulzugang begrüßt diese stärkere Kompetenzorientierung, schließlich erlaube auch die Abiturnote nur eine begrenzte Vorhersage des Studienerfolgs, geschweige denn die Eignung für den anschließenden Beruf. (pm)

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