
Das nordrhein-westfälische Schulministerium hat am Donnerstag ein Informationsschreiben an alle Schulleitungen geschickt zum Umgang mit dem Terror in Israel und Antisemitismus. Bestimmt werde auch in den Schulen ab Montag nach Ende der Herbstferien viel über das gesprochen, was zurzeit in Israel passiere, erklärte Schulministerin Dorothee Feller (CDU). «Unsere Lehrerinnen und Lehrer wissen, was in solchen Ausnahmesituationen zu tun ist und lassen unsere Schülerinnen und Schüler mit diesen schrecklichen Fernsehbildern nicht allein.»
Um den Schulen bei der Behandlung dieses schwierigen Themas zu helfen, habe das Ministerium umfassende Informationen zusammengestellt, die auf seiner Internetseite zu finden seien. Unter anderem sind dort Handreichungen zum Umgang mit antisemitischen Vorfällen an Schulen sowie Kontakte zu Ansprechpartnern aufgelistet. Außerdem gibt es eine Übersicht über die rechtlichen Regelungen.
«Schulen sind keine rechtsfreien Räume, auch hier gelten die üblichen Gesetze, bei Verstoß muss gehandelt werden», heißt es in der Mitteilung des Düsseldorfer Ministeriums. Strafrechtlich relevant seien unter anderem der Hitlergruß, das Verbreiten von Propagandamitteln und Kennzeichen (etwa das Hakenkreuz), Volksverhetzung, das Leugnen des Holocausts oder die Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten.
«Ich halte es für zwingend, dass wir nicht zur Tagesordnung und zu Klassenarbeiten übergehen nächste Woche»
Ein Mitarbeiter der Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit, Florian Beer, wird in der Mitteilung mit dem Appell zitiert: «Das Thema ist für den Unterricht zwar komplex, aber es geht nicht darum, den Nahost-Konflikt im Klassenraum zu lösen, sondern einem Schwarz-Weiß-Denken entgegenzuwirken.» Menschenverachtende Positionen hätten keinen Platz an Schulen. Ein besonderes Augenmerk müsse den jüdischen Schülern und Lehrkräften gelten. Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Zuvor hatte die SPD-Opposition gefordert, dass das Gespräch über die Hamas-Gräuel in Israel in der kommenden Woche nach Ende der Herbstferien Priorität an den Schulen haben müsse. «Ich halte es für zwingend, dass wir nicht zur Tagesordnung und zu Klassenarbeiten übergehen nächste Woche», sagte SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott.
Er forderte die Schulministerin auf, klarzustellen, dass es mindestens in den ersten drei Tagen nach Unterrichtsbeginn Zeit für solche Gespräche gebe und die Lehrkräfte sich darum kümmerten. Einige Schulen seien besonders herausgefordert – wo etwa Schüler aus Palästina mit in den Klassen säßen. NRW sei Heimat der größten jüdischen Gemeinschaft Deutschlands, stellte Ott fest. Gleichzeitig sei hier etwa jeder fünfte Schüler muslimischen Glaubens.
Die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hatte im Mai bei der Vorlage ihres Jahresberichts darauf hingewiesen, dass Antisemitismus an Schulen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen habe, etwa in Form von Äußerungen und Beschimpfungen. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zur Übersichtsseite mit Info-Material und Ansprechpartnern.
Mit folgendem Schreiben richtet sich das Schulministerium NRW an die Lehrkräfte und Schulleitungen im Land:
«Unsere Schülerinnen und Schüler benötigen gerade in diesen Tagen eine offene Gesprächskultur sowie vertraute Strukturen des Alltags mit bekannten Abläufen und vertrauten Gesichtern, um ihre Ängste und Sorgen artikulieren und Sicherheit wiedergewinnen zu können.
Sie alle wissen aus Ihrer täglichen Arbeit im Lern- und Lebensort Schule um die Bedeutung einer von Offenheit, Respekt und Toleranz für verschiedene Ansichten geprägten Gesprächs- und Diskussionskultur in den Klassen und Stufen – und auch auf den Schulhöfen. Sie leisten hier täglich wichtige Arbeit. Unsere Schulen stehen durch ihr Handeln für demokratische Werte ein und fördern den respektvollen Meinungsaustausch. Offenheit, Respekt und Toleranz für verschiedene Ansichten finden aber seit jeher ihre Grenzen dort, wo Menschen beleidigt, erniedrigt, angegriffen und in ihrer Menschenwürde verletzt werden. Daher ist es uns in Anbetracht der schrecklichen Ereignisse im Nahen Osten wichtig, Sie darin zu bestärken, dass jeder antisemitischen oder israeldämonisierenden Äußerung sowie jeder menschenverachtenden Aussage entschieden entgegengetreten werden muss.
In den kommenden Tagen und Wochen kann es innerhalb der Schulgemeinden auch zu kontroversen Bewertungen und Haltungen zu den Ereignissen im Nahen Osten kommen. Ablehnende Äußerungen zum Staat Israel durch einzelne Schülerinnen und Schüler können auch durch propagandistische Informationen und gezielte Desinformationen aus sozialen Medien geprägt oder verstärkt sein.
Wir wissen um die herausfordernde Aufgabe, vor der Sie als Schulleitungen und Lehrkräfte in diesen Tagen stehen. Daher wollen wir Sie darin bekräftigen, den Angriff der Hamas auf Israel in den kommenden Tagen in den Schulen zu thematisieren: Einerseits in Ihrer Rolle als Wissensvermittler, andererseits auch als Vertrauenspersonen für Ihre Schülerinnen und Schüler. Deren Sorgen, Ängste und Unsicherheiten erfordern in diesen Tagen Ihre besondere emotionale Unterstützung durch Empathie und Zuhören. Auch und gerade deshalb ist neben einer fachlichen Einordnung die Vermittlung von Werten wie Toleranz, Respekt und Solidarität unverzichtbar.
Bei dieser Gratwanderung werden das Ministerium für Schule und Bildung sowie die Schulaufsichten Sie, liebe Schulleitungen und Lehrkräfte, eng begleiten.»
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