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Baden-Württemberg kehrt zu G9 zurück – Kretschmann: Umstellung wird Zeit brauchen

STUTTGART. Baden-Württemberg will ein neues Modell für ein neunjähriges Gymnasium erarbeiten. Das geht aus einem aktuellen Beschluss der grün-schwarzen Regierungskoalition hervor. Die Landesregierung ist demnach offen für ein neues G9 und starte einen Prozess zur Erarbeitung eines solchen neuen G8/G9-Modells. „Wir werden jetzt keine Schnellschüsse machen oder einfach zum G9 der 1990er-Jahre zurückkehren. Wir werden eine Lösung erarbeiten, die den Anforderungen unserer Zeit gerecht wird und die Empfehlungen des Bürgerforums aufgreift“, kündigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an.

Anfang 2024 will die baden-württembergische Landesregierung um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) über die Umstellung auf ein neues neunjähriges Gymnasium beraten. Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Am Montag hatte ein von der Landesregierung eingerichtetes Bürgerforum zur Zukunft des Gymnasiums eine Rückkehr zu einem neunjährigen Gymnasium in Baden-Württemberg empfohlen (News4teachers berichtete). Derzeit ist in Baden-Württemberg das achtjährige Gymnasium Standard. Es war einst eingeführt worden, um die Schüler international wettbewerbsfähiger zu machen. G9 gibt es nur noch als Modellprojekt an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen.

Seit September hatten anfangs 64 und am Ende 55 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger in sechs Sitzungen über die Zukunft der Schulform debattiert. Dabei erarbeiteten sie nicht nur eine Empfehlung für die Dauer der Zeit bis zum Abitur, sondern brachten auch konkrete Forderungen zu inhaltlichen Reformen zu Papier. Insgesamt listet ihr Gutachten 48 Empfehlungen an die Landesregierung auf. 51 fordern demnach für ein überarbeitetes G9 neue kreative Unterrichtsformate, die den Schülern dabei helfen sollen, Sozialkompetenzen zu entwickeln. 52 halten mehr Praxisbezug für wichtig und empfehlen mehr Kooperationen etwa mit dem Handwerk, Naturwissenschaften oder digitalen Berufen.

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Über eine Rückkehr zu G9 war seit langem diskutiert und gestritten worden. Zuletzt hatte eine Elterninitiative mehr als 100.000 Unterschriften für einen Volksantrag gesammelt und an den Landtag übergeben. Mit dem Antrag muss sich nun das Parlament voraussichtlich im kommenden Jahr befassen.

Entscheidend für die Umsetzung: die Finanzlage

Unter dem Druck der Debatte zeigte sich die Landesregierung erstmals Mitte Juni offen für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium – obwohl Grün-Schwarz im Koalitionsvertrag eigentlich vereinbart hat, keine Strukturdebatten führen zu wollen. Bei der Erarbeitung des neuen Modells sollen laut Landesregierung auch die möglichen Auswirkungen auf andere Schularten berücksichtigt werden. Zudem müsse die Finanzlage im Blick behalten werden, sagte Kretschmann. „Dieser Aspekt ist mir sehr wichtig, weil sie ebenso die Zukunft unserer Kinder betrifft. Gute Bildungspolitik ist abhängig von einer weitsichtigen Finanzpolitik.“ Der Ministerpräsident erwartet, dass die geplante Umstellung des Schulsystems Zeit brauchen wird. Er könne sich nur ganz schwer vorstellen, dass das bereits fürs kommende Schuljahr möglich wäre.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz betonte, neben der Frage nach der Dauer des Gymnasiums sei auch eine moderne Pädagogik wichtig. Seine Fraktion wolle dem Mint-Bereich, also dem Unterricht in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, einen Schub geben. Zudem sei eine Stärkung der Medienbildung notwendig. „Allerhöchste Priorität“ habe für die Grünen die Stärkung der Grundschulen und der frühkindlichen Bildung. „Hier dürfen wir keine Zeit verlieren, das wollen wir schnell umsetzen.“

Kretschmann hatte in der Vergangenheit ebenfalls betont, die größten Herausforderungen des Bildungssystems lägen in den Grundschulen. Auch im Beschluss der Koalition heißt es: „Die prioritäre bildungspolitische Aufgabe sieht die Regierungskoalition in der Stärkung der Sprachbildung und -förderung sowie der Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen.“ Man werde dafür ein Maßnahmen-Paket für den Zeitraum vor der Einschulung und in der Grundschule vorlegen.

„Wir brauchen für unser Bildungssystem ein ganzheitliches Update.“

CDU-Partei- und Fraktionschef Manuel Hagel hatte bereits am Montag eine Überarbeitung des gesamten Schulsystems gefordert: „Wir brauchen für unser Bildungssystem ein ganzheitliches Update.“ Nach dem heutigen G9-Beschluss der Landesregierung forderte er: „Wir brauchen einen Zukunftsentwurf, der von den Kindergärten und Kindertageseinrichtungen über die Grundschulen bis zu den weiterführenden Schulen reicht.“

Die Landesregierung will Anfang kommenden Jahres über die Umstellung auf ein neues neunjähriges Gymnasium in Baden-Württemberg beraten. Kretschmann verwies auf das Kultusministerium, das nun konkrete Vorschläge für ein Konzept machen müsse. News4teachers / mit Material der dpa

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