BONN. Ohne Seiten- und Quereinsteiger wäre der Lehrkräftemangel in Deutschland um einiges gravierender. Das verdeutlichte zuletzt ihr Anteil an den Neueinstellungen zum Schuljahresbeginn. Doch sie zu halten, ist ebenfalls eine Herausforderung, wie das Beispiel Sachsen zeigt, wo ein Drittel der im aktuellen Schuljahr eingestellten Seiteneinsteiger bereits wieder gekündigt hat (News4teachers berichtete). Eine aktuelle Studie der Deutsche Telekom Stiftung weist nun auf Faktoren hin, die für die Zufriedenheit der Seiten- und Quereinsteiger entscheidend sind – Schulleitungen kommt dabei eine zentrale Rolle zu.
Schulleitungen kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, Quer- und Seiteneinsteiger im Schuldienst zu halten. Das geht aus einer dreiteiligen Studie zu MINT-Lehrkräften hervor, die die Deutsche Telekom Stiftung in Auftrag gegeben hat. In einer qualitativen und zwei quantitativen Befragungen von Lehrkräften in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik (MINT) an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen standen ihre Beweggründe, Überzeugungen und Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt.
Die Studie unterscheidet zwischen drei Gruppen von MINT-Lehrkräften, abhängig nach ihrem Professionalisierungsweg:
- Regulär ausgebildete Lehrkräfte haben beide Phasen der Lehramtsausbildung durchlaufen, also Lehramtsstudium und Vorbereitungsdienst (Referendariat).
- Zu den Quereinsteigerinnen zählen „Lehrkräfte, die kein Lehramtsstudium absolviert und ihre Laufbahn als Lehrkraft erst mit dem Vorbereitungsdienst eingeschlagen haben“.
- Die Gruppe der Seiteneinsteiger umfasst „Lehrkräfte, die ohne Lehramtsstudium und Vorbereitungsdienst eine Tätigkeit als Lehrkraft aufgenommen und sich berufsbegleitend qualifiziert haben“.
Integration fördern
Den Erhebungen zufolge empfindet sich die sehr große Mehrheit der MINT-Lehrkräfte gut ins Kollegium eingebunden – ohne nennenswerte Unterschiede zwischen den Professionalisierungswegen: 94 bis 95 Prozent fühlen sich „eher“ bis „vollkommen“ integriert. „In der Interviewstudie nannten viele Teilnehmende etwa den Austausch mit der Schulleitung oder ihnen zur Seite gestellten Mentorinnen oder Mentoren als hilfreich für den Quer- oder Seiteneinstieg“, heißt es in der Ergebniszusammenfassung. Daraus lasse sich aus Sicht der leitenden Wissenschaftlerinnen die Notwendigkeit ableiten, Schulleitungen zur Integration von Quer- und Seiteneinsteigern fortzubilden und über spezifische Einstiegs- und Unterstützungsprogramme für Seiteneinsteiger nachzudenken. „Ein Baustein wäre hier die Begleitung durch Mentoren.“
Positiv zeigt sich in den beiden quantitativen Befragungen zudem, dass sich die Mehrheit der MINT-Lehrkräfte grundsätzlich in ihren Entwicklungsmöglichkeiten durch ihre Schule unterstützt fühlen. Die meisten geben an, dass es an ihrer Schule eine Offenheit für innovative Konzepte zur Weiterentwicklung von Schule und Unterricht gibt und dass sie sich zu den für sie relevanten Themen fortbilden können. Verbesserungspotenzial besteht derweil bei Maßnahmen, die die Zusammenarbeit fördern, zum Beispiel feste Kooperationszeiten oder kollegiale Hospitationen. „Nur etwa ein Fünftel der Lehrkräfte bejaht, dass es an ihrer Schule Kooperationszeitfenster gibt.“
Viele Gemeinsamkeiten trotz unterschiedlicher Professionalisierung
Die verschiedenen Zugangswege zum Beruf haben der Studie zufolge keinen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit: Insgesamt zeigen sich die befragten Lehrkräfte mit ihrer beruflichen Laufbahn und Tätigkeit sehr zufrieden. Nicht überraschend: Unterscheiden sich die Motive für die Berufswahl der Seiten- und Quereinsteiger doch auch nicht von denen, der regulär ausgebildeten MINT-Lehrkräfte. Der Untersuchung zufolge „sind vor allem die Arbeit mit Menschen und die langfristige und sichere Perspektive im Lehrberuf ausschlaggebend für den Wechsel“ gewesen. Darüber hinaus bestehen auch keine Unterschiede mit Blick auf die Unterrichtstätigkeit: Die befragten MINT-Lehrkräfte, ob regulär ausgebildet, Quer- oder Seiteneinstieg, zeigen sich „sehr motiviert, schätzen sich als gut darin ein, etwa Probleme offensiv bewältigen zu können oder innerlich ruhig und ausgeglichen zu bleiben“.
„Für die Telekom-Stiftung ist klar: Quer- und Seiteneinsteiger:innen können Schule bereichern – gerade, aber nicht nur in MINT – und sollten dies dauerhaft tun können“, sagt Jacob Chammon, Geschäftsführer der Telekom-Stiftung. Dafür müssten sie systematisch für den Lehrberuf qualifiziert und in die Kollegien integriert werden. Sie „auf die Rolle eines Notnagels im Kampf gegen den Lehrermangel zu reduzieren, ist aus unserer Sicht mehr als unvernünftig“. News4teachers
Hier geht es zum vollständigen Ergebnisbericht „MINT-Personal an Schulen“.
- Qualitative, leitfadengestützte Interviewstudie mit 20 Quer- und Seiteneinsteigern sowie sechs Schulleitungen aus Schleswig-Holstein, durchgeführt im Herbst 2020. Sie soll laut Forschungsteam die Befragungsergebnisse um tiefergehende Einblicke in die Denkweisen von Quer- und Seiteneinsteigern sowie in schulinterne Fragen ergänzen.
- Erste standardisierte Online-Befragung per Fragebogen, an der 1.382 MINT-Lehrkräfte bundesweit teilnahmen. Diese wurden vor allem über (MINT-)Bildungsverbände akquiriert (selektive Stichprobe). Die Befragung fand im Frühjahr 2021 statt.
- Zweite standardisierte Online-Befragung per Fragebogen, an der im Sommer 2022 insgesamt 1.169 MINT-Lehrkräfte teilnahmen. Diese wurden aus einer repräsentativen Auswahl von Schulen aus ausgewählten Bundesländern zufällig ausgewählt (zufällige Stichprobe).

