Wie lassen sich Quer- und Seiteneinsteiger halten? Studie: Schulleitung entscheidend

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BONN. Ohne Seiten- und Quereinsteiger wäre der Lehrkräftemangel in Deutschland um einiges gravierender. Das verdeutlichte zuletzt ihr Anteil an den Neueinstellungen zum Schuljahresbeginn. Doch sie zu halten, ist ebenfalls eine Herausforderung, wie das Beispiel Sachsen zeigt, wo ein Drittel der im aktuellen Schuljahr eingestellten Seiteneinsteiger bereits wieder gekündigt hat (News4teachers berichtete). Eine aktuelle Studie der Deutsche Telekom Stiftung weist nun auf Faktoren hin, die für die Zufriedenheit der Seiten- und Quereinsteiger entscheidend sind – Schulleitungen kommt dabei eine zentrale Rolle zu.

Schulleiterinnen und Schulleiter können entscheidend dazu beitragen, dass der Quer- oder Seiteneinstieg gelingt. Symbolfoto: Shutterstock

Schulleitungen kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, Quer- und Seiteneinsteiger im Schuldienst zu halten. Das geht aus einer dreiteiligen Studie zu MINT-Lehrkräften hervor, die die Deutsche Telekom Stiftung in Auftrag gegeben hat. In einer qualitativen und zwei quantitativen Befragungen von Lehrkräften in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik (MINT) an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen standen ihre Beweggründe, Überzeugungen und Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt.

Die Studie unterscheidet zwischen drei Gruppen von MINT-Lehrkräften, abhängig nach ihrem Professionalisierungsweg:

  • Regulär ausgebildete Lehrkräfte haben beide Phasen der Lehramtsausbildung durchlaufen, also Lehramtsstudium und Vorbereitungsdienst (Referendariat).
  • Zu den Quereinsteigerinnen zählen „Lehrkräfte, die kein Lehramtsstudium absolviert und ihre Laufbahn als Lehrkraft erst mit dem Vorbereitungsdienst eingeschlagen haben“.
  • Die Gruppe der Seiteneinsteiger umfasst „Lehrkräfte, die ohne Lehramtsstudium und Vorbereitungsdienst eine Tätigkeit als Lehrkraft aufgenommen und sich berufsbegleitend qualifiziert haben“.

Integration fördern

Den Erhebungen zufolge empfindet sich die sehr große Mehrheit der MINT-Lehrkräfte gut ins Kollegium eingebunden – ohne nennenswerte Unterschiede zwischen den Professionalisierungswegen: 94 bis 95 Prozent fühlen sich „eher“ bis „vollkommen“ integriert. „In der Interviewstudie nannten viele Teilnehmende etwa den Austausch mit der Schulleitung oder ihnen zur Seite gestellten Mentorinnen oder Mentoren als hilfreich für den Quer- oder Seiteneinstieg“, heißt es in der Ergebniszusammenfassung. Daraus lasse sich aus Sicht der leitenden Wissenschaftlerinnen die Notwendigkeit ableiten, Schulleitungen zur Integration von Quer- und Seiteneinsteigern fortzubilden und über spezifische Einstiegs- und Unterstützungsprogramme für Seiteneinsteiger nachzudenken. „Ein Baustein wäre hier die Begleitung durch Mentoren.“

Positiv zeigt sich in den beiden quantitativen Befragungen zudem, dass sich die Mehrheit der MINT-Lehrkräfte grundsätzlich in ihren Entwicklungsmöglichkeiten durch ihre Schule unterstützt fühlen. Die meisten geben an, dass es an ihrer Schule eine Offenheit für innovative Konzepte zur Weiterentwicklung von Schule und Unterricht gibt und dass sie sich zu den für sie relevanten Themen fortbilden können. Verbesserungspotenzial besteht derweil bei Maßnahmen, die die Zusammenarbeit fördern, zum Beispiel feste Kooperationszeiten oder kollegiale Hospitationen. „Nur etwa ein Fünftel der Lehrkräfte bejaht, dass es an ihrer Schule Kooperationszeitfenster gibt.“

Viele Gemeinsamkeiten trotz unterschiedlicher Professionalisierung

Die verschiedenen Zugangswege zum Beruf haben der Studie zufolge keinen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit: Insgesamt zeigen sich die befragten Lehrkräfte mit ihrer beruflichen Laufbahn und Tätigkeit sehr zufrieden. Nicht überraschend: Unterscheiden sich die Motive für die Berufswahl der Seiten- und Quereinsteiger doch auch nicht von denen, der regulär ausgebildeten MINT-Lehrkräfte. Der Untersuchung zufolge „sind vor allem die Arbeit mit Menschen und die langfristige und sichere Perspektive im Lehrberuf ausschlaggebend für den Wechsel“ gewesen. Darüber hinaus bestehen auch keine Unterschiede mit Blick auf die Unterrichtstätigkeit: Die befragten MINT-Lehrkräfte, ob regulär ausgebildet, Quer- oder Seiteneinstieg, zeigen sich „sehr motiviert, schätzen sich als gut darin ein, etwa Probleme offensiv bewältigen zu können oder innerlich ruhig und ausgeglichen zu bleiben“.

„Für die Telekom-Stiftung ist klar: Quer- und Seiteneinsteiger:innen können Schule bereichern – gerade, aber nicht nur in MINT – und sollten dies dauerhaft tun können“, sagt Jacob Chammon, Geschäftsführer der Telekom-Stiftung. Dafür müssten sie systematisch für den Lehrberuf qualifiziert und in die Kollegien integriert werden. Sie „auf die Rolle eines Notnagels im Kampf gegen den Lehrermangel zu reduzieren, ist aus unserer Sicht mehr als unvernünftig“. News4teachers

Hier geht es zum vollständigen Ergebnisbericht „MINT-Personal an Schulen“.

Die Studie im Überblick
Die Studie „MINT-Personal an Schulen“ setzt sich aus drei Erhebungen zusammen:

  1. Qualitative, leitfadengestützte Interviewstudie mit 20 Quer- und Seiteneinsteigern sowie sechs Schulleitungen aus Schleswig-Holstein, durchgeführt im Herbst 2020. Sie soll laut Forschungsteam die Befragungsergebnisse um tiefergehende Einblicke in die Denkweisen von Quer- und Seiteneinsteigern sowie in schulinterne Fragen ergänzen.
  2. Erste standardisierte Online-Befragung per Fragebogen, an der 1.382 MINT-Lehrkräfte bundesweit teilnahmen. Diese wurden vor allem über (MINT-)Bildungsverbände akquiriert (selektive Stichprobe). Die Befragung fand im Frühjahr 2021 statt.
  3. Zweite standardisierte Online-Befragung per Fragebogen, an der im Sommer 2022 insgesamt 1.169 MINT-Lehrkräfte teilnahmen. Diese wurden aus einer repräsentativen Auswahl von Schulen aus ausgewählten Bundesländern zufällig ausgewählt (zufällige Stichprobe).
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Dil Uhlenspiegel
2 Monate zuvor

„Der Untersuchung zufolge „sind vor allem die Arbeit mit Menschen und die langfristige und sichere Perspektive im Lehrberuf ausschlaggebend für den Wechsel“ gewesen.“

Unterscheide auch hier die Bedeutungen von „sicher“:
a) beschützt, geborgen
b) absehbar, was auf einen zukommt

dickebank
2 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Verlässliche Gehaltszahlung zu unfairem Tarif – aber immerhin, das Geld kommt pünktlich.

Tanja
2 Monate zuvor

Einfach eine 4-Tage Woche anbieten und dazu noch 1 Tag im Homeschooling.
So bekommen sie auch Mitarbeiter aus der Großstadt auf die Landschule.

dauerlüfterin
2 Monate zuvor
Antwortet  Tanja

Mit 0 Arbeit und 100% Gehalt auch.

DerDip
2 Monate zuvor
Antwortet  Tanja

Das glaube ich nicht.

Realist
2 Monate zuvor
Antwortet  Tanja

Ha ha, wird nicht passieren.

Die Politik macht derzeit auf Geheiß der Wirtschaft immensen Druck, mehr Frauen aus der Teilzeit in die Vollzeit zu bringen. Stichwort: Ganztagsschule, Wer soll die „Betreuung“ der Ganztagsschüler denn übernehmen bei dem „Fachkräftemangel“ auch in den Schulen? Natürlich die, die „schon da“ sind.

Die Schulen werden DIE LETZEN sein, welche die 4-Tage-Woche bekommen.

War schon beim Übergang von der 6-Tage-Woche zur 5-Tage-Woche so: Zuerst gab’s diese in der Metallindustrie in den 50er-Jahren, in der 70er-Jahren war es dann auch bei den (meisten) Schulen so weit. Die Entwicklung verläuft ganz analog: 35-Stunden-Woche in der Metallindustrie is schon Fakt, die IGM fordert massivst die 4-Tage-Woche.

Wer heutzutage in den Lehrerberuf einsteigt, sollte das wissen.

Gen Z;: …

Sepp
2 Monate zuvor
Antwortet  Tanja

Nein, bei einem Beruf, der von Beziehungsarbeit lebt, möchte ich keine 4-Tage -Woche und sicher kein Homeschooling!

Es würde den Beruf deutlich attraktiver machen, wenn man mehr Zeit für den Kernbereich hätte, also das Unterrichten…

dickebank
2 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Geht natürlich. – Wenn Klassenleitungen mit mindestens zwei Lehrkräften besetzt sind, gibt es selbst bei einer Vier-Tage-Woche eine Überlappung von drei Tagen. Ist doch schon heute so, wenn eine der Beiden Klassenleitungsmitglieder auf einer 50%-Stelle sitzt.

Tanakoti
2 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Kannst du machen, Sepp. Du kannst der letzte sein mit 5 Tage Woche.
Ich nehme die 4 Tage pro Woche dankend an und meine Kollegen auch!
Und wundere dich nicht, wenn du keinen Nachwuchs mehr bekommst, Sepp!

Sepp
2 Monate zuvor
Antwortet  Tanakoti

@ Tanakoti,
Welche Erfahrungen haben Sie denn mit Homeschooling während Corona gemacht?
Wir hatten die SuS, die eine gute Arbeitseinstellung haben und die eigentlich immer „funktionieren“ – auch unter solchen Bedingungen.

Und wir hatten die SuS, die eigentlich am meisten Unterstützung bräuchten, sich selbst nicht organisiert bekommen und unter den Bedingungen des Homeschoolings völlig abgetaucht sind.

Und wie konkret stellen Sie sich das vor? Machen Sie dann bspw. immer freitags in Klasse 5 homeschooling – und die Kinder dürfen in der NaWi-Doppelstunde zu Hause mit dem Gasbrenner üben? Oder in der Doppelstunde in Klasse 6 können die Kinder zu Hause mikroskopieren?

Vielleicht gleich die Sport-Stunde zu Hause machen – mit Yoga oder Fußball im Kinderzimmer per Videokonferenz…

Wie wäre es mit Werken zu Hause? Das Holz auf den heimischen Esstisch und los geht es mit der Säge…

Miri
2 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Also wenn es schon Hausmeister gibt, die 1-2 Tage ihren Bürokratiekram zuhause im homeoffice machen oder einfach telefnieren, schaffen es wohl auch Lehrer wie sie 1-2 Tage mit homeschooling

Junge Lehrkräfte fordern das mittlerweile auch ein

vhh
2 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Danke, passt!
Ich versuche seit längerer Zeit zu verstehen, was einen (ernst genommenen) Homeschoolingtag und eine 4-Tage Woche so erstrebenswert macht. Die Klassen sind sicherlich anstrengend und werden nicht einfacher, die Bedingungen erst recht nicht, aber genau das ist der Kern des Berufs, den ich deshalb gewählt habe. Übrigens Gesamtschule, und ich kenne an dieser Ges nur wenige KuK, die einen Homeschoolingtag dem direkten Unterricht vorziehen.

MINT- Lehrer
2 Monate zuvor
Antwortet  Tanja

Ich fand das Homeschooling während Corona wesentlich aufwendiger als jetzt wieder Unterricht live. Und viele Schülerinnen und Schüler kamen nicht damit klar.

Petra Fuchs
2 Monate zuvor
Antwortet  MINT- Lehrer

Bei uns war es andersrum. Online hat supi geklappt mit Anwesenheitspflicht.
Gerade fehlen viele wieder wegen Krankheit usw. im Unterricht und es war ziemlich angenehm einfach mal von zuhause zu arbeiten und nicht raus zu müssen.
Kann mir das 2-3 Tage pro Woche auch für Schule vorstellen.
Bestimmt für die Schüler auch ganz angenehm mal 🙂

Katze
2 Monate zuvor

„Positiv zeigt sich in den beiden quantitativen Befragungen zudem, dass sich die Mehrheit der MINT-Lehrkräfte grundsätzlich in ihren Entwicklungsmöglichkeiten durch ihre Schule unterstützt fühlen.“

Das fühlen viele MINT-Bestandslehrkräfte wohl kaum. Wie lassen diese sich möglichst lange im Dienst halten? 
Viele von uns müssen sich eher zurückentwickeln, denn unsere fachliche Expertise, die Kultur des Einforderns von Leistung und Anstrengung sowie realistische Bewertungen in den MINT-Fächern sind mit der gewünschten Niveauverflachung und Gefälligkeitspädagogik immer schwerer vereinbar.
Schulleitungen, welche primär auf Noteninflation (nach Elternwunsch) und erst sekundär auf Unterrichtsqualität orientiert sind, tun ihr Übriges.

Teilzeitanträge, Langzeiterkrankungen, Kündigungen (auch innerlich) alles Folgen der Entwicklungsmöglichkeiten für Bestandslehrkräfte in den letzten Jahren.
Weiter so!
 

Frago
2 Monate zuvor

Warum will man zwingend alle halten, wenn dich sehr viele ungeeignet sind?

Lisa
2 Monate zuvor
Antwortet  Frago

Personalmangel. Wissen Sie nicht, dass jeder Erwachsener, der sich im Umkreis einer Schule verläuft, verschleppt und als Lehrer vor eine Klasse gestellt wird?

Sepp
2 Monate zuvor
Antwortet  Frago

Gibt es auch eine Statistik für Ihre Behauptung?

Und wer soll es sonst machen?

Idealerweise lassen Sie nicht die Deutsch-Lehrerin elektrische Schaltungen mit den Schülern bauen,
der Politik-Lehrer spielt vielleicht lieber nicht mit den radioaktiven Materialien und
die Religions-Referendarin sollte auch nicht fachfremd mit dem Bunsenbrenner oder den Gasflaschen hantieren.
Vielleicht hat auch der Sport-Lehrer seine Probleme mit Programmiersprachen
und die Französisch-Lehrkraft Schwierigkeiten mit der Kreissäge…

Insofern sind die vielleicht auch einfach ungeeignet für diese Aufgaben.

Karl Heinz
2 Monate zuvor

Für diese „Erkenntnisse“ braucht es extra eine teure Studie??
Jeder der bis 3 zählen kann (laut PISA sind das aber nicht mehr soooo viele), weiß das…
Haben die diese „Studie“ mit ChatGPT erstellt?

Lehrer
2 Monate zuvor

Mit anderen Worten:
Die Schule soll mal wieder aus den eigenen begrenzten Ressourcen abfangen, was systemisch nicht eingeplant war.

Das systematisches Mentoring, feste Kooperationszeiten, kollegiale Hospitation, einstiegs- und Unterstützungsprogramme sind wicht und eine gute Sache. Das geht aber nicht Ontop, sondern erfordert strukturelle Ausstattung mit Zeit- und Personalressourcen. Das geht nicht nebenher!
Leider ist das aber derzeit weitgehend so.

Realist
2 Monate zuvor
Antwortet  Lehrer

Aber es ist doch für die GUTE SACHE, hier die Bekämpfung des Lehrkräftemangels!

Das müssen doch gerade Lehrer einsehen, die sonst immer so aufgeklärt tun! Das eine oder andere Stündchen mehr pro Woche muss man doch bereit sein zu opfern!

Es geht doch um die ZUKUNFT unserer Gesellschaft!

Und es geht doch auch um DIE KINDER! Die können doch nichts dafür, dass es zu wenig Lehrer gibt!

Kohlrabi
2 Monate zuvor

Leitungen sind immer wichtig, um Mitarbeiter zu halten.

Wenn es darum geht, Mitarbeiter zu halten, ist jedoch auch wichtig, ob man so jemanden halten sollte (will).

Genauso macht es wenig Sinn, zu beklagen (wenn es denn beklagt wird), dass es keine Kooperationszeitfenster gäbe. Man muss die auch wollen. Bei uns will niemand auch nur 1 Minuten länger in der Schule bleiben, als er muss.