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Nach Polizeieinsatz wegen Posts einer Schülerin: Schulleiter im Fokus einer Hetzkampagne – nun ermittelt der Staatsschutz

RIBNITZ-DAMGARTEN. Eine Schulleitung ruft die Polizei; der Verdacht: Eine 16-Jährige poste im Internet staatsschutzrelevante Inhalte. Doch der Vorwurf lässt sich nicht erhärten. Der Fall sorgt bundesweit für Schlagzeilen und Aufruhr in der Landespolitik, Falschmeldungen heizen die angespannte Situation weiter an – und plötzlich stehen Schule und Schulleiter im Fokus einer Hetzkampagne.

Auf einen Polizeieinsatz wegen mutmaßlich rechter Internet-Posts einer Schülerin folgten zahlreiche E-Mails und Drohanrufe an der Schule. Illustration: Shutterstock

«Der Aufruf zu Straftaten, Beleidigungen oder Ähnliches kann strafrechtlich oder ordnungsrechtlich verfolgt werden», so lautet ein Post der Polizeidirektion Neubrandenburg auf der Plattform X (vormals Twitter) vom Ende vergangener Woche. Zu dieser Aussage sah sich die Behörde angesichts zunehmender Vorwürfe gegen die Leitung der Schule in Ribnitz-Damgarten gezwungen. Die Polizei rief dazu auf, die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten zu achten. Das beziehe sich insbesondere auf Beiträge in den sozialen Netzwerken, betonte eine Sprecherin. Aufgrund von zahlreichen E-Mails und Drohanrufen an der Schule ermittele inzwischen der polizeiliche Staatsschutz, teilte das Bildungsministerium mit. Die Linke im Schweriner Landtag sprach am Montag von einer orchestrierten Hetzkampagne gegen den Schulleiter, die brandgefährlich sei.

Mutmaßlich staatsschutzrelevante Internet-Posts

Auslöser des Aufruhrs: Ein Polizeieinsatz an der Schule in Ribnitz-Damgarten, Kreis Landkreis Vorpommern-Rügen in Mecklenburg-Vorpommern, bei dem die Einsatzkräfte dem Verdacht nachgegangen sind, eine 16-jährige Schülerin habe möglicherweise staatsschutzrelevante Inhalte über Social-Media-Kanäle verbreitet. Die Beamten waren von der Schulleitung informiert worden und fuhren am 27. Februar zu der Schule, wie die Polizei in ihrer Pressemitteilung festhält. Dort hätten sie die vorliegenden Informationen in Form einer E-Mail einer Hinweisgeberin geprüft. Das Ergebnis: Es habe kein Anfangsverdacht einer Straftat bestanden.

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Die Polizei betont in ihrer Pressemitteilung, dass der Grat zwischen erlaubtem und strafbarem Handeln mitunter schmal sei. Deshalb hätten sich die Beamten zusammen mit der Schulleitung entschlossen, mit der 16-Jährigen ein Aufklärungsgespräch mit präventivem Charakter zu führen. «Hierfür bat der Schulleiter die Schülerin aus dem Unterrichtsraum, während sich die Beamten in der Nähe auf dem Flur befanden und somit nicht von Mitschülern der Klasse wahrgenommen wurden.»

Über den Vorfall berichtet hatte zunächst die Wochenzeitung «Junge Freiheit», «das publizistische „Flaggschiff“ und „Vorzeigeprojekt“ der so genannten Neuen Rechten», wie sie der Potsdamer Politikwissenschaftler Gideon Botsch in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung beschreibt. Die Mutter hatte der Zeitung gesagt, der Anlass für den Polizeieinsatz sei ein «Schlümpfe-Video» gewesen, das ihre Tochter vor einigen Monaten auf dem Social-Media-Kanal TikTok gepostet habe. Darin hieß es, dass Schlümpfe und Deutschland etwas gemeinsam hätten: Die Schlümpfe seien blau und Deutschland auch. «Das war wohl ein witziger AfD-Werbe-Post. Und dann hat sie einmal gepostet, dass Deutschland kein Ort, sondern Heimat ist», so die Mutter.

Aufruhr im Schweriner Landtag

Diese Darstellung sorgte für Aufregung im Schweriner Landtag. Die AfD kritisierte das Vorgehen von Polizei und Schulleitung heftig und sprach von einem Skandal. Auch die CDU-Fraktion sparte nicht an Kritik: «Das Ganze wirkt ungeheuerlich», sagte der designierte CDU-Fraktionsvorsitzende Daniel Peters und unterstellte: «Ich gehe davon aus, dass die Agenda von Frau Schwesigs rot-rotem Bündnis eine Rolle gespielt hat.» Die beiden Oppositionsparteien forderten schnellstmögliche Aufklärung.

Unterstützung erhielt die Schulleitung dagegen von Seiten des Innen- und Bildungsministeriums. Innenminister Christian Pegel (SPD) bezeichnete den Einsatz als verhältnismäßig. Die Polizeibeamten gingen so vor, dass niemand stigmatisiert werde. Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) bestätigte in einer Mitteilung das Vorgehen der Schulleitung. Diese seien in Mecklenburg-Vorpommern gehalten, die Polizei einzuschalten, wenn bei Besitz, Erstellung und/oder Verbreitung von Textnachrichten, Fotos oder Videos ein strafrechtlicher Hintergrund nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden könne. «Der Schulleiter übergab den Fall der Polizei zur Klärung des Sachverhalts. Alle weiteren Maßnahmen und Entscheidungen wurden durch die Polizei getroffen.»

Eine Darstellung des Falls auf X, vormals Twitter, in der fälschlicherweise von einer Festnahme gesprochen wird, rief sogar den US-amerikanischen Unternehmer Elon Musk auf den Plan. Er brachte auf X seine Verwunderung über den Vorfall zum Ausdruck.

Polizei teilt Details zum Inhalt der Nachrichten

Nun zeigt sich: die Ausführungen der Mutter waren falsch. Die Polizei hat aktuell Details über den Inhalt der Internet-Posts der Schülerin mitgeteilt. Demnach seien in der Mail einer Hinweisgeberin acht Screenshots aufgeführt, in der die Schülerin mutmaßlich auf der Social-Media-Plattform TikTok unter anderem Sprüche wie «nix yallah yallah» und «in Deutschland wird deutsch gesprochen» postete. Auf einem der Screenshots sei eine vermutlich auf Instagram gezeigte Profilbeschreibung zu sehen, in der «heimat freiheit tradition, multikulti endstation» stehe, dahinter eine Deutschlandfahne und mutmaßliche Runenzeichen. Die Posts seien alle der 16-Jährigen zuzuordnen, sagte ein Polizeisprecher am heutigen Dienstag. Zuvor hatte die Tageszeitung «Die Welt» berichtet. «Zusammenfassend stellt die Polizei damit noch mal klar, dass der Anlass, zu dem die Polizei gerufen wurde, kein in sozialen Medien veröffentlichtes „Schlumpf-Video“ war», betont die Polizei auf Anfrage.

An der betroffenen Schule kam es indes am Montag zu einem weiteren Polizeieinsatz. Ein Video im Internet zeigt schwarz gekleidete Menschen, die ein Transparent mit der Aufschrift «Heimatliebe ist kein Verbrechen» vom Dach lassen, auf dem auch ein Schlumpf abgebildet ist. Am Montagvormittag stellte die Polizei vor Ort ein entsprechendes Plakat sicher, wie eine Sprecherin sagte. Man ermittle nun gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs, denn die Urheber seien nicht mehr zugegen gewesen. News4teachers / mit Material der dpa

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