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Landesregierung scheut davor zurück, Kinder auf die Hauptschule zu zwingen

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STUTTGART. Großer Erfolg oder nur Flickwerk? Darüber, wie die die geplanten Bildungsreformen von Grün-Schwarz in Baden-Württemberg zu bewerten sind, gehen die Meinungen naturgemäß weit auseinander – wie die Debatte in dieser Woche gezeigt hat. Ein wesentlicher Streitpunkt: die (aus Sicht von Philologen- und Realschullehrerverband) unzureichende Einschränkung des Elternwillens bei der Wahl der weiterführenden Schule. Tatsächlich scheut die Koalition davor zurück, Kinder auf die Hauptschule zu zwingen.

Da lang. Foto: Shutterstock

Sind sie nun ein «großer Wurf», wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) findet oder stellen sie schlicht «Schönheitsreparaturen» dar, wie SPD-Fraktionschef und Oppositionsführer Andreas Stoch kritisiert? Der Landtag in Stuttgart hat in dieser Woche über die geplanten Bildungsreformen der grün-schwarzen Koalition debattiert. «Grüne und CDU kommen ja in der Bildungspolitik durchaus aus unterschiedlichen Richtungen. Trotzdem ist es uns gelungen, einen Konsens zu finden, der von der frühkindlichen Bildung über die Grundschule bis hin zu den weiterführenden Schulen reicht», sagte Kretschmann.

Dieser Konsens sei weit mehr als der kleinste gemeinsame Nenner. Das Bildungspaket sei das größte und umfassendste, das er in seiner Zeit als Abgeordneter erlebt habe. «Und Sie wissen: Ich bin schon ein Weilchen dabei.» Mit den Maßnahmen stelle man das Schulsystem auf eine «gute, stabile und zukunftsfähige Basis». Das Paket stärke die Bildungsgerechtigkeit, gebe den weiterführenden Schulen ein klares und attraktives Profil, sorge für mehr Übersichtlichkeit der Schullandschaft und gebe Eltern und Kindern mehr Orientierung.

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«Gibt es künftig eine Verbindlichkeit nur beim Übergang auf die Gymnasien, wird die Realschule als eigenständige Schulform in der bisherigen Form bald nicht mehr existieren»

Unter anderem will die Koalition den Werkrealschulabschluss abschaffen und erreichen, dass sich bestehende Werkrealschulen mit Realschulen zu Verbundrealschulen zusammenschließen. G9 soll demnach zum Schuljahr 2025/2026 eingeführt werden und mit den Klassen fünf und sechs starten. Die Gymnasien sollen zudem die Option erhalten, G8-Züge anzubieten – allerdings ohne dafür zusätzliche Mittel zu bekommen. Außerdem soll es mehr Ganztagsgrundschulen geben. Grundschulen in Brennpunkt-Gegenden sollen gar zu verbindlichen Ganztagsschulen werden.

Eine Einigung im Bereich der frühkindlichen Bildung sieht vor, ein Programm zur Sprachförderung an Kitas und Grundschulen zu starten. Damit sollen Kinder mit Sprachproblemen frühzeitig gefördert werden. Verständigt hat sich Grün-Schwarz auch darauf, die Grundschulempfehlung wieder verbindlicher zu gestalten. Der Elternwille allein reicht künftig nicht mehr aus, um ein Kind aufs Gymnasium zu schicken. Zumindest ein Test muss dann noch bestanden werden.

Die Einschränkung gilt aber eben nur fürs Gymnasium, wie nun bekannt wurde. Bei der Realschule sollen die Eltern weiterhin frei bleiben, auch gegen die Grundschulempfehlung und ein Testergebnis zu entscheiden – offensichtlich scheut die Landesregierung davor zurück, Kinder auf die unbeliebte Hauptschule zu zwingen. Das sorgt bei zwei Lehrkräfteverbänden, dem Philologenverband und dem Realschullehrerverband, für harsche Kritik.

Die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung im Jahr 2012 sei ein Kardinalfehler der Bildungspolitik in Baden-Württemberg gewesen, erklärten die Verbände in einer gemeinsamen Pressemitteilung. «In der geplanten Form ist die ‚Verbindlichkeit‘ eine Mogelpackung, mit der allen Kindern, deren Eltern nicht das Gymnasium anstreben, ebenso wie dem differenzierten Schulsystem insgesamt weiterhin großer Schaden zugefügt wird», betonen Karin Broszat, Landeschefin des Realschullehrerverbands, und Ralf Scholl, Landesvorsitzender des Philologenverbands, unisono.

«Die Landesregierung plant eine Vereinheitlichung der Sekundarstufen-Schularten außerhalb der Gymnasien bei weiter geltender Unverbindlichkeit der Grundschulempfehlung für die Realschulen. Das ist ein Sieg der Ideologie über die Interessen der Kinder!», heißt es. Damit gehe «die fatale Reise zur Zweigliedrigkeit» weiter. «Gibt es künftig eine Verbindlichkeit nur beim Übergang auf die Gymnasien, wird die Realschule als eigenständige Schulform in der bisherigen Form bald nicht mehr existieren.» News4teachers / mit Material der dpa

Eltern dürfen weiterführende Schulform nicht mehr frei entscheiden – Schüler dagegen

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