Mitte März 2023 hatte Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nach Berlin zum Bildungsgipfel geladen (News4teachers berichtete). Sie löste damit ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag ein, im Bereich Bildung „eine engere, zielgenauere und verbindliche Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen“ anzustreben. Auf der Tagesordnung standen die grundsätzlichen Probleme des deutschen Bildungssystems, wie Lehrkräftemangel, fehlende Chancengerechtigkeit, unzureichende Digitalisierung. Doch das Treffen floppte. Nicht nur verfehlte es, konkrete Ergebnisse zu erzielen, auch blieben fast alle Landesregierungen fern – und damit diejenigen, die in Deutschland die Schulpolitik verantworten.
Die zuständigen Kultusminister:innen kritisierten den Bildungsgipfel als nicht substanziell. Es fehle eine Arbeitsgrundlage, das Bundesbildungsministerium habe sie im Vorfeld nicht in die Planung einbezogen. Alexander Lorz (CDU), damals noch hessischer Kultusminister, sprach der Bundesbildungsministerin wegen der schlechten Organisation sogar die Professionalität ab. „Wenn man so etwas wirklich so groß anlegen will, muss man das anders aufsetzen. Dann muss es Vorabsprachen geben, über die Terminfindung sowieso. Aber eben auch über die Struktur des Prozesses, über die Themen, die zu behandeln sind“, erklärte Lorz laut Medienberichten.
Im Mittelpunkt: mehr Kooperation, mehr Partizipation
Unter dem Eindruck des gescheiterten „Bildungsgipfels“ gründete sich die Initiative #NeustartBildungJetzt und forderte in einem Appell „einen echten Nationalen Bildungsgipfel“ (News4teachers berichtete). Das nun veröffentlichte Konzept „Bildungsdialog für Deutschland“ knüpfe laut Initiative unmittelbar an eben diesen Appell an. Im Mittelpunkt steht der Grundgedanke der Kooperation, wie die Initiator:innen erklären, sowohl zwischen den unterschiedlichen politischen Ebenen und Ressorts, als auch zwischen Politik und Zivilgesellschaft. „Denn die Gestaltungsaufgaben sind so groß und so sehr miteinander verwoben, dass sie sich nicht unabhängig voneinander oder von einzelnen Akteuren allein lösen lassen.“
Mit Blick auf die Bildungshoheit der Länder sieht das Konzept vor, dass die Bundesländer den angestrebten Dialogprozess initiierten und steuern. Die Verfasser:innen empfehlen dafür die Zusammenarbeit der zuständigen Fachministerkonferenzen, der Kultusministerkonferenz (KMK) sowie der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK). Der Startschuss könne alternativ auch von der Ministerpräsidentenkonferenz ausgehen, um dem Vorhaben „zusätzliches politisches Gewicht“ zu verleihen. „Dies würde außerdem die Bedeutung von Bildung für die Gesellschaft, die Volkswirtschaft und für die internationale Wettbewerbsfähigkeit betonen“, heißt es im veröffentlichten Papier.
„Ein Zeichen für ein Miteinander“
Nach dem Auftakt sollen Vertreter:innen der verschiedenen Akteure, wie Politik, Kommunen, Verwaltung, Bildungseinrichtungen, Verbänden, Wissenschaft und Gewerkschaften, in Fachforen zu zuvor gemeinsam definierten Themen arbeiten. Zusätzlich sollen gesellschaftliche Gruppen, „allen voran Kinder und Jugendliche“, ihre Perspektive über geeignete Beteiligungsformate in Präsenz oder online einbringen können. Auf regelmäßig stattfindenden Spitzentreffen komme den Beteiligten schließlich die Aufgabe zu, die Ergebnisse der Fachforen zu konkreten Zielen und Maßnahmen zu verdichten sowie im weiteren Verlauf die jeweilige Umsetzung zu überprüfen.
„Für die Steuerung des Dialogprozesses empfiehlt das Bündnis zudem eine professionelle Unterstützungsstruktur“, durch eine eigenständige Geschäftsstelle oder eine ressortübergreifende Stabsstelle der KMK und JFMK. Diese soll den Gesamtprozess und die thematische Arbeit koordinieren. Wichtig sei in jedem Fall, die Kontinuität des Prozesses über Legislaturperioden hinweg sicherzustellen. „In Zeiten der Polarisierung setzen wir damit ein Zeichen für ein Miteinander, schaffen einen Ort der Konsensfindung und fördern Teilhabe und Gemeinsinn“, betonen die Initiator:innen. „Der Bildungsdialog eröffnet dadurch nicht nur die große Chance auf einen echten Neustart in der Bildung, sondern stärkt zugleich unsere Demokratie.“
Dass die angestrebte Kooperation möglich ist, beweist aus Sicht des Bündnisses bereits die eigene Zusammenarbeit. Der Initiative gehören mittlerweile 94 Organisationen an, darunter Bildungs-, Wohlfahrts-, Eltern- und Fachkräfteverbände, Gewerkschaften, Stiftungen und Bildungsinitiativen. Das vorgelegte Konzept sei mitunter auch deshalb „bemerkenswert, weil es trotz aller inhaltlichen Differenzen, die an anderer Stelle bestehen, gelungen ist, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu einen und abzubilden“, sagt Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), der an der Konzeptionierung beteiligt war. „Die Zivilgesellschaft hat gezeigt, dass sie bereit ist, konstruktiv miteinander zu arbeiten. Jetzt ist es an der Politik, ein ebenso positives Zeichen eines lösungsorientierten Miteinanders zu setzen.“ News4teachers