Die Bilanz des Bildungsgipfels: keine Ergebnisse (außer: eine „Taskforce Bildung“)

11

BERLIN. In Berlin treffen sich Politik, Verbände und Experten und debattieren über die vielen Probleme im Bildungssystem. Konkrete Ergebnisse bringt der sogenannte Bildungsgipfel nicht und er stößt auf ziemlich viel Kritik.

Einmal kurz über die Bildunglandschaft hinweggeguckt – das war’s wohl erst einmal. Illustration: Shutterstock

Fehlende Lehrer, Grundschüler, die nicht richtig lesen und rechnen können, Schulabbrecher, Umwälzungen durch die Digitalisierung – das Bildungssystem steht unter großem Druck. In Berlin haben am Dienstag Bildungspolitiker, Gewerkschafts-, Lehrer- und Schülervertreter sowie Wissenschaftler und Vertreter der Zivilgesellschaft über die Probleme diskutiert. Eingeladen hatte das Bundesbildungsministerium unter der Überschrift «Bildungsgipfel». Das Treffen war eingebettet in eine regelmäßig stattfindende «Bildungsforschungstagung». Etwa 600 Teilnehmer waren dabei. Konkrete Beschlüsse gab es nicht, dafür viel Kritik von außen.

Taskforce «Team Bildung» geplant

SPD, Grüne und FDP hatten einen «Bildungsgipfel» in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, mit dem Ziel eine «eine neue Kultur in der Bildungszusammenarbeit» und eine engere Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen anzustoßen, da das System wegen der verschiedenen Zuständigkeiten sehr schwerfällig ist.

Das Bildungsministerium plant nun die Einsetzung einer Taskforce «Team Bildung» mit Vertretern von Bund, Ländern, Kommunen und Experten für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ebenen. Diese solle sich zeitnah konstituieren, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Offen ist noch die genaue Arbeitsweise und wann mögliche Ergebnisse vorgelegt werden.

Die FDP-Politikerin rief in ihrer Rede die Akteure in der Bildungspolitik zur Zusammenarbeit auf. Viele Probleme seien strukturell. Bund und Länder zeigten mit dem Finger aufeinander. Davon sei noch nie ein Kind klug geworden. «Wir sind jetzt an einem entscheidenden Punkt. Es ist wichtig, dass wir jetzt gemeinsam starten. Wir brauchen eine bildungspolitische Trendwende.»

«Bildungshügel» statt «Bildungsgipfel»

Schon vorab hatten Kritiker allerdings die Frage aufgeworfen, was die Konferenz ohne konkrete Beschlüsse bringen soll. Kritik gab es auch am Format der Veranstaltung. Es handele sich bestenfalls um einen «Bildungshügel», hieß es von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), News4teachers berichtet. Astrid-Sabine Busse, die Berliner Bildungssenatorin und aktuelle Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), ging nach eigener Aussage «ohne allzu große Erwartungen» in das Treffen. «In der norddeutschen Tiefebene Berlin ist ja auch schon manch Kleineres ein Gipfel», sagte sie bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Konferenz.

Union winkt ab

Für Bildung zuständige Minister aus unionsregierten Ländern hatten abgewunken und nahmen nicht teil. Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien (CDU) sprach von einer Showveranstaltung. Auch dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht dabei war, wurde kritisiert. Es sei höchste Zeit, dass Scholz und die Regierungschefs der Bundesländer «einen echten Nationalen Bildungsgipfel einberufen», forderte ein Bündnis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften anlässlich des Treffens.

Überlappende Probleme und Bildungskrise

Einig sind sich alle, dass das Bildungssystem in einer Krise steckt. Der Handlungsdruck ist groß, weil sich die aktuellen Probleme im System gegenseitig verstärken: Tests hatten einen Leistungsabfall bei Grundschülern gezeigt und bestätigen immer wieder einen Zusammenhang zwischen «sozioökonomischem Status» der Familie und Bildungserfolg. Dazu kommen Lernlücken durch eingeschränkten Schulbetrieb in der Corona-Zeit. Mehr Lehrkräfte wären gut, um Defizite abzubauen und zu verhindern, dass daraus später noch mehr Schulabbrecher werden, die dann wiederum als Fachkräfte fehlen. Aber Lehrer bleiben wohl noch auf Jahre knapp, weil mehr Personal in den Ruhestand geht, als Nachwuchs nachkommt, bei gleichzeitig steigender Schülerzahl. Lehrkräfte sind zusätzlich gefordert durch mehr als 200.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine. Dazu kommt die Digitalisierung, die auch die Bildung nachhaltig verändern wird.

Uneinigkeit bei der Problemlösung

Wie die Probleme angegangen werden sollen, da hört es dann schnell mit der Einigkeit auf. Die Vorschläge prasseln durcheinander. SPD-Chefin Saskia Esken schlägt einen 100-Milliarden-Euro-Sondertopf für die Bildung vor, wie für die Bundeswehr. Geld sei wichtig, müsse aber zielgerichtet eingesetzt werden, sagte Stark-Watzinger. Die Bildungsministerin kann sich mehr Prämienmodelle für Lehrkräfte vorstellen, um den Beruf attraktiver zu machen. KMK-Präsidentin Busse plädiert für mehr Geld und Personal in der frühkindlichen Bildung: «Denn da fängt alles an.» Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sieht das so. Er fordert verpflichtende Sprachstandstests in Kitas mit entsprechender Förderung von Kindern, die Hilfe brauchen. «Das Problem ist ja, dass wenn die Kinder in Schule sind, es eigentlich schon zu spät ist.»

VW Golf statt Rennwagen

Immer wieder debattiert wird auch eine weitere Föderalismusreform, um die Bildung voranzubringen. Laut Grundgesetz sind die Bundesländer für Bildung und Schulen zuständig. Der Bund darf ihnen nicht reinreden. Deutschland hat 16 Bildungssysteme, was ein gemeinsames Vorgehen extrem erschwert. Doch eine Grundgesetzänderung, für die im Bundestag und Bundesrat Zweidrittel-Mehrheiten notwendig wären, ist wegen der unterschiedlichen Interessen fast illusorisch. Von Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) kam deshalb auf dem Gipfel dieser Appell: «Ok, wir sitzen vielleicht nicht in einem Rennwagen, wenn’s um unser politisches System geht, sondern in einem VW Golf, aber er würde auch fahren, wenn jeder seine Arbeit macht.» Von Jörg Ratzsch, dpa

Breitseite gegen Stark-Watzinger: Stiftungen und Verbände fordern von Scholz einen Bildungsgipfel – einen echten!

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

11 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Leviathan
1 Jahr zuvor

Gründen wir doch mal eine Arbeitsgruppe. Läuft eigentlich wie in der Schule.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Leviathan

@Leviathan

Aber wir haben doch schon die maximal-heterogene 16-fach großkopferte Arbeitsgruppe … da läuft es traditionell … äh … angemessen 😉 , halt mit viel „Lufthoheit“ zur weiteren Kompetenzoptimierung.
Joah, läuft eigentlich wie in der Schule.
Also eigentlich … wie in der Schule, wenn man das „läuft“ diesmal komplett weglässt. 😉
Und jetzt stellen wir einfach ’nen Stuhl dazu.
Oder mehrere.
Ich bin da vertrauensvoll-optimistisch. (Ich komme mir wie Pinocchio vor, aber ernstnehmen kann ich das alles nicht mehr.)

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

…. es drängen sich folgende Methoden auf:

-stummer Sitzkreis
-eingerostetes Kugellager
-Fischbowl(e) aus Brackwasser auf dem absoluten Tiefstand aller Gezeiten.

Ron
1 Jahr zuvor

„Das Bildungssystem ist in der Krise.“
Späte Einsicht und keiner stellt die Frage: Wer hat dieses Bildungssystem denn in die Krise geführt? Und warum meinen die gleichen Akteure nun, uns da wieder rausführen zu können?

Silberfischchen
1 Jahr zuvor

Eine „Taskforce“ klingt für mich immer irgendwie nach einer „militärischen (Spezial-)Einheit“. Es handelt sich aber um die gute, alte, deutsche ARBEITSGRUPPE. Kann man doch dann auch so sagen, oder?

Last edited 1 Jahr zuvor by Silberfischchen
Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Taskforce klingt auch fast wie Taskfarce, da könnte man sich leicht verhören.

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor

Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man nen Arbeitskreis.

Dessen Ergebnisse werden bestimmt breit akzeptiert werden, nach dem, was an pointierter Kritik insbesondere von CDU-Kultusministern kommt -NICHT-.

GriasDi
1 Jahr zuvor

Wenn man nicht mehr weiter weiß, bildet man nen Arbeitskreis.

Konfutse
1 Jahr zuvor

Da nur über die Misere gesprochen wird, nur leere Worthülsen ausgekotzt und nur wohlfeile (wohlwissend unerfüllbare) Forderungen gestellt werden, kann das Problem nicht das dringendste sein.
Ergo: Deutschland kann es sich scheinbar immer noch leisten nicht zu bilden.

Carsten60
1 Jahr zuvor

200.000 Schüler aus der Ukraine sind weniger als 2 % von allen. Mir leuchtet nicht ein, dass allein dies eine Art von nationalem Notstand zur Folge haben muss.
2 % mehr Straftäter, und die Justiz bricht zusammen?
2 % mehr Soldaten, und die Bundeswehr versinkt im Chaos?
2 % mehr Kranke, und die Krankenhäuser kapitulieren?
2 % mehr Studenten, und die Universitäten funktionieren nicht mehr?
Es sind Sünden aus der Vergangenheit, die erst jetzt zutage treten wie Sandbänke bei Niedrigwasser. Auch wer gigantische Zuwanderung befürwortet, ist verpflichtet, sich über die Folgen Gedanken zu machen. Ein PR-wirksames Statement wie „Wir schaffen das“ reicht nicht. Und wer nach PISA 2000 wegen des PISA-Schocks große Reformen angeleiert hat, sollte sich heute die Frage nach dem Erfolg derselben stellen lassen, statt sich in die Büsche zu schlagen oder kommentarlos in Pension zu gehen. Drastischer formuliert: Alle diejenigen, die immer die Schnauze bei Schulreformen weit aufgemacht hatten, sollten jetzt im Büßerhemd dastehen und bekennen, in welchen Punkten sie sich geirrt haben.

Mondmatt
1 Jahr zuvor

Eigentlich rührend und bemitleidenswert wie Frau SW und ihre 16 Mitköche da umherirren.

Das kommt dabei raus, wenn man bittere Wahrheiten nicht sehen will oder die Konsequenzen einfach um jeden Preis vermeiden möchte und daher nach „innovativen“ neuen Wegen sucht.

Das ist so als wenn man sein Haus 30 Jahre nicht gepflegt hat. Nun regnet es durch das Dach, die Tapeten schimmeln, die Heizung ist defekt, Der Strom ist ausgefallen, die Toiletten sind verstopft und im Vorgarten liegt ein riesiger Berg Müll im wuchernden Unkraut.

Klar, man könnte aufräumen und das Haus grundsanieren.
Das kostet jetzt viel Geld und macht auch unheimlich viel Arbeit. Leider ist man knapp bei Kasse, hat zwei linke Hände und ist ziemlich faul.

Was tun? Gibt es eventuell einen Zaubertrick? Könnte man das Haus als Übungsobjekt für angehende Installateure und Tapezieren unter Umständen sogar profitabel vermieten?

NEIN!

Da hilft nur Geld und Arbeit. Da kann man sich drehen und wenden wie man will. Man kann Arbeitskreise bis an Ende aller Zeiten gründen.

Mehr Personal, Sanierung der Gebäude und Ausstattung, weniger Verwaltung, pädagogische Luftblasen und Illusionen vergessen, Lehrpläne entmüllen…

Mühsam und vor allem ohne Glamour. Mist!

Ach ja, eventuell könnte man auch mal die Lehrer als echt Profis auf dem Gebiet fragen bevor man 1000 kundige Laien zur Beratung einbestellt.

Könnte natürlich aber auch sein, dass man gar nicht wissen will, was die Lehrer zu sagen hätten.