BERLIN. Eine Studie nach der anderen zeigt: Das Bildungssystem steht gewaltig unter Druck. Das wird immer noch nicht ernst genug genommen, findet der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses im Bundestag. Er nimmt den Kanzler in die Pflicht (und ist damit nicht der Erste, der den Bildungsnotstand zur Chefsache machen möchte).
Der Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses, Kai Gehring, beklagt angesichts der großen Probleme im Bildungssystem eine immer noch fehlende Aufmerksamkeit für das Thema in der Politik. Bildungsstudien und auch der Nationale Bildungsbericht belegten, dass es dringend einen gesamtstaatlichen Bildungsruck brauche, sagte der Grünen-Abgeordnete in Berlin. Vor diesem Hintergrund nannte er es mehr als bedauerlich, dass Bildung auf der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an diesem Donnerstag fehle.
«Bildung muss Chefsache werden, denn ohne Bildungswende hat es jede Wirtschaftswende schwer, weil die notwendigen Fachkräfte fehlen», sagte Gehring. Bildung sei das Fundament für den zukünftigen Wohlstand und dürfe nicht weiter bröseln. Er verwies auf die steigende Zahl von Schulabbrechern. Dass Bund und Länder mit dem Startchancen-Programm für rund 4000 Schulen in schwierigen Lagen in den kommenden zehn Jahren 20 Milliarden Euro in Schulen investierten, sei ein «beherzter bildungspolitischer Meilenstein», dem weitere folgen müssten. So steht der im Koalitionsvertrag der Ampel versprochene Digitalpakt 2.0 noch immer aus.
Mitte März 2023 hatte Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nach Berlin zu einem Bildungsgipfel geladen (News4teachers berichtete) – auch dies war ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Auf der Tagesordnung standen zwar die grundsätzlichen Probleme des deutschen Bildungssystems, wie Lehrkräftemangel, fehlende Chancengerechtigkeit, unzureichende Digitalisierung. Doch das Treffen floppte. Nicht nur verfehlte es, konkrete Ergebnisse zu erzielen, auch blieben fast alle Landesregierungen fern – und damit diejenigen, die in Deutschland die Schulpolitik verantworten. Vom Kanzler war ebenfalls nichts zu sehen.
Die Kultusminister:innen kritisierten den Bildungsgipfel als nicht substanziell. Es fehle eine Arbeitsgrundlage, das Bundesbildungsministerium habe sie im Vorfeld nicht in die Planung einbezogen. Alexander Lorz (CDU), damals noch hessischer Kultusminister, sprach der Bundesbildungsministerin wegen der schlechten Organisation sogar die Professionalität ab. „Wenn man so etwas wirklich so groß anlegen will, muss man das anders aufsetzen. Dann muss es Vorabsprachen geben, über die Terminfindung sowieso. Aber eben auch über die Struktur des Prozesses, über die Themen, die zu behandeln sind“, erklärte Lorz laut Medienberichten.
Unter dem Eindruck des gescheiterten „Bildungsgipfels“ gründete sich die Initiative #NeustartBildungJetzt und forderte in einem Appell „einen echten Nationalen Bildungsgipfel“ – unter Federführung des Bundeskanzlers.
Ein unlängst veröffentlichtes Konzept „Bildungsdialog für Deutschland“ (News4teachers berichtete ebenfalls) knüpft laut Initiative unmittelbar an eben diesen Appell an. Im Mittelpunkt steht der Grundgedanke der Kooperation, wie die Initiator:innen erklären, sowohl zwischen den unterschiedlichen politischen Ebenen und Ressorts, als auch zwischen Politik und Zivilgesellschaft. „Denn die Gestaltungsaufgaben sind so groß und so sehr miteinander verwoben, dass sie sich nicht unabhängig voneinander oder von einzelnen Akteuren allein lösen lassen.“ Der Initiative gehören mittlerweile 94 Organisationen an, darunter Bildungs-, Wohlfahrts-, Eltern- und Fachkräfteverbände, Gewerkschaften, Stiftungen und Bildungsinitiativen. News4teachers / mit Material der dpa
Herr Bundeskanzler, die Bildungskrise gefährdet Deutschlands Zukunft – kümmern Sie sich darum!