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Reform der Reform? Die CDU befeuert den Kulturkampf um die Bundesjugendspiele (deren Neuerungen sie selbst mitbeschlossen hat)

KIEL. Von der Zustimmung ihrer eigenen Partei zur Reform der Bundesjugendspiele scheinen einige CDU-Politiker*innen aktuell nichts mehr wissen zu wollen. Nachdem sich Hessens Kultusminister Armin Schwarz (CDU) vor Kurzem für eine Reform der Reform ausgesprochen hat (die sein Amtsvorgänger von der CDU mitgetragen hatte), kommt diese Forderung nun auch von seiner Parteifreundin Karin Prien, Sprecherin der unionsgeführten Bundesländer. Dass sie selbst die Änderungen mit zu verantworten hat, ficht sie dabei nicht an.

Höher, schneller, weiter… Bei den Bundesjugendspielen gehe es auch darum, „Kinder an Leistung heranzuführen“, sagt CDU-Politikerin Karin Prien. Symbolfoto: Shutterstock

Eigentlich herrschte Einigkeit: Mit dem Ziel, die Bundesjugendspiele kindgerechter zu gestalten, beschloss der Ausschuss für die Bundesjugendspiele und die Kommission Sport der Kultusministerkonferenz (KMK) bereits 2021 eine Reform der Spiele. Diese trat mit Beginn des aktuellen Schuljahres in Kraft. Seitdem dürfen Grundschulen die Bundesjugendspiele in den Sportarten Leichtathletik und Schwimmen nur noch als Wettbewerb und nicht mehr als Wettkampf organisieren. Bislang war das nur in den ersten beiden Klassen der Fall.

Ein Unterschied zwischen den beiden Angebotsformen liegt in der Wertung: So erfolgt diese beim Wettbewerb nicht nach einem definierten Punktespiegel, sondern innerhalb der Klassenstufe, Klasse oder Gruppe. Die traditionellen Ehren-, Sieger- und Teilnehmerurkunden gibt es aber weiterhin, nur nach einem festen Schlüssel. Die besten 20 Prozent – getrennt nach Geschlecht – bekommen die Ehrenurkunde, die mittleren 50 Prozent eine Siegerurkunde und die unteren 30 Prozent die Teilnehmerurkunde.

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„Mit dieser Entscheidung verstärkt der Ausschuss für die Bundesjugendspiele die konsequenten Umsetzungsformen kindgemäßer Inhalte und Zielsetzungen der mehrperspektivisch und prozessorientiert angelegten Bildungspläne des Sportunterrichts in den einzelnen Bundesländern. Denn bei den Bundesjugendspielen steht die Idee, sich zu bewegen, Freude zu haben und sein Bestes zu geben, ebenso wie die Fairness, Respekt, Teamfähigkeit und die Vermittlung von sozialen Kompetenzen im Mittelpunkt“, heißt es in einer Mitteilung des Ausschusses vom vergangenen Sommer.

„Es muss auch ein Verständnis dafür erzeugt werden, dass es meistens nicht ausreicht, wenn ich die Beste in meinem Freundeskreis bin.“

Der Beschluss zur Reform fiel einstimmig, also mit den Stimmen der unionsgeführten Bundesländer sowie der damaligen FDP-Schulministerin (Yvonne Gebauer) von Nordrhein-Westfalen. Hintergrund: Mitglieder der Kommission Sport sind die in den Ländern für den Schul- und Hochschulsport zuständigen Referatsleiterinnen und Referatsleitern. Der Vorsitz und der stellvertretende Vorsitz werden von Amtschefs (Staatssekretärinnen und Staatssekretären bzw. Ministerialdirektorinnen und Ministerialdirektoren) wahrgenommen.

Die Kultusministerinnen und Kultusminister zeichnen für die Beschlüsse also verantwortlich – und Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), die zwischenzeitlich die KMK als Präsidentin führte und mittlerweile als Koordinatorin der unionsgeführten Bundesländer fungiert, war seinerzeit an der Reform der Bundesjugendspiele beteiligt. Sie ist bereits seit 2017 im Amt.

Derzeit wirkt es allerdings, als hätten weder Union noch FDP damit zu tun gehabt: Denn die aktuellen Forderungen nach einer Rolle rückwärts bieten inhaltlich keine neuen Argumente. So befasst sich auf Antrag der FDP der schleswig-holsteinische Landtag voraussichtlich am Donnerstag, 18. Juli, mal wieder mit dem Thema. Die Liberalen wollen nach eigenen Angaben, dass der Leistungsgedanke bei den Bundesjugendspielen an den Grundschulen in altersangemessener Form weiterhin eine Rolle spielt.

Auch Prien will nun wieder – ohne dass es eine neue Faktenlage gäbe – den Leistungsgedanken bei den Bundesjugendspielen an den Grundschulen stärken: Der Wettkampfcharakter sei ein wichtiges Element der Bundesjugendspiele. „Ich halte den Wettkampf für eine gute Sache, weil es eben nicht nur darum geht, innerhalb einer Gruppe die besten Leistungen zu zeigen, sondern auch wichtig sein sollte, nach objektiven Kriterien die sportlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler zu messen“, so Prien.

Es müsse bei den Kindern „ein Verständnis dafür erzeugt werden, dass es meistens nicht ausreicht, wenn ich die Beste in meinem Freundeskreis bin, sondern dass ich mich noch mehr anstrengen und Höchstleistungen erreichen kann“. Bei den Bundesjugendspielen gehe es auch darum, „Kinder an Leistung heranzuführen“.

Ähnlich hatte sich Priens Parteikollege, Hessens Kultusminister Armin Schwarz (CDU), vor wenigen Wochen zur Reform der Bundesjugendspiele geäußert (News4teachers berichtete): „Es geht in die völlig falsche Richtung, wenn wir unseren Kindern vermitteln, dass Leistung nichts mit dem Leben zu tun hat“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Das Rad müsse jetzt ganz schnell wieder zurückgedreht werden. „Wenn alles beliebig wird, gibt es keinen Ansporn mehr, besser zu werden. Das wäre bedenklich für unsere Gesellschaft“, mahnte der CDU-Politiker vor weitreichenden Folgen. „Wir müssen deshalb auch den Spaß am sportlichen Wettkampf viel mehr fördern, statt ihn zu bremsen.“

Als Koordinatorin der unionsgeführten Bundesländer erwarte Prien, dass zukünftig wieder beide Formen, Wettkampf und Wettbewerb, ab der dritten Klasse möglich sind. Sie erkenne dazu auch große Einigkeit im Präsidium. „Die Kultusministerkonferenz stellt das Leistungsprinzip mitnichten infrage, ganz im Gegenteil“, betont die CDU-Politikerin. Die Sportkommission habe auf Drängen der Minister zuletzt sehr dafür gekämpft, die Ausschreibung der Bundesjugendspiele zum kommenden Schuljahr wieder zu ändern. Davon drang allerdings nichts an die Öffentlichkeit.

Der DOSB bekennt sich zur Reform

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der dem Ausschuss für die Bundesjugendspiele ebenfalls angehört, sah zuletzt für eine Änderung der Reform allerdings keinen Anlass. Nach Angaben eines Sprechers steht der DOSB weiter hinter dem Beschluss von 2021. Er verwies auf eine Mitteilung des Verbands vom vergangenen Sommer, in der es unter anderem hieß: „Wettbewerb im Gegensatz zum Wettkampf bedeutet nicht, dass es sich um ein rein spielerisches Angebot handelt. Der Wettbewerb ist vielmehr als ein auf die Entwicklung der Kinder angepasstes sportliches Angebot zu verstehen.“ Dabei messen sich die Schüler*innen auch weiterhin in sportlichen Übungen.

Der Appell von Bildungsministerin Prien an „alle politisch Verantwortlichen, hier in eine fachliche Debatte [zu] gehen und der populistischen Versuchung [zu] widerstehen“, hat zumindest einen Beigeschmack – für sie selbst gilt er offenbar nicht. Es scheint vielmehr so, als habe die Union im Vorfeld von drei Landtagswahlen im Osten einmal mehr den Kulturkampf um die Schule für sich entdeckt.

Die losgetretene Debatte sei völlig überzogen und verliere den pädagogischen Sinn des Sportunterrichts aus dem Blick, argumentiert dann auch der Deutsche Sportlehrerverband (DSLV). Die Durchführung der Bundesjugendspiele – egal in welcher Form – werde, so zitiert ihn der „Spiegel“, „weder den deutschen Spitzensport noch die körperlichen Dispositionen unserer Kinder oder gar deren generelle Einstellungen zur sogenannten Leistungsgesellschaft retten oder gefährden“. News4teachers / mit Material der dpa

Kein Wettkampf mehr: Ist die Reform der Bundesjugendspiele ein Symbol für den Niedergang Deutschlands?

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