BREMEN. Eigentlich soll die Geste im Unterricht für Ruhe sorgen, aktuell steht das Handzeichen für den Schweigefuchs aber in der Kritik. Der Grund: Es ist dasselbe, das die Anhänger*innen der rechtsextremistischen türkischen „Ülkücü“-Bewegung für ihren Wolfsgruß verwenden. In Bremen soll der Schweigefuchs daher aus den Klassenzimmern verschwinden.
Der „Schweigefuchs“ ist vor allem unter Lehrkräften an Grundschulen eine bekannte Geste: Während Zeigefinger und kleiner Finger wie Ohren aufgestellt sind, formen die restlichen Finger und der Daumen, nach vorne ausgestreckt, ein spitzes Maul. Die Botschaft: Mund zu, Lauscher auf. Lehrkräfte und auch Erzieher*innen nutzen das Handzeichen, um für Ruhe im Klassen- oder Gruppenraum zu sorgen. In Bremen sollen Pädagog*innen zukünftig allerdings auf die Geste verzichten, wie Medien berichten. Zu ähnlich ist sie dem „Wolfsgruß“, einem bekannten Handzeichen der rechtsextremistischen türkischen „Ülkücü“-Bewegung.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die türkische „Ülkücü“-Bewegung als rechtsextremistisch ein und beobachtet sie. Ihre Kernelemente sind der Behörde zufolge „ein übersteigerter Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus und Antisemitismus“. Der „Graue Wolf“ ist das bekannteste Symbol der Bewegung, weshalb ihre Anhänger*innen – in Deutschland mehr als 12.000 – umgangssprachlich eher als „Graue Wölfe“ bekannt sind. Der Wolfsgruß gilt als „eine der bekanntesten Gesten“. „In entsprechendem Zusammenhang kann das Zeigen des ‚Wolfsgrußes‘ als Bekenntnis zur ‚Ülkücü‘-Ideologie gewertet werden“, heißt es von Seiten des Verfassungsschutzes. In diesem Punkt sieht die Bremer Bildungsbehörde laut Medienberichte das Problem: Denn das Handzeichen für den Wolfsgruß ist dasselbe wie für den Schweigefuchs.
Keine einheitliche Bewertung
„Die rechtsextremistische Bedeutung der Geste sei mit der Grundhaltung der Bremer Bildungseinrichtungen nicht vereinbar“, zitiert das Regional- und Lokalmagazin „buten un binnen“ von Radio Bremen eine Sprecherin der Bremer Bildungsbehörde. Diese wolle daher nach den Sommerferien vermehrt Mitarbeitende für die Problematik sensibilisieren. Neu ist die Debatte nicht: Bereits 2017 empfahl das Kultusministerium in Baden-Württemberg den Lehrkräften im Land, das Zeichen nicht mehr zu nutzen.
An Aktualität hat die Problematik im Zuge der Fußball-Europameisterschaft gewonnen. Nachdem der türkische Nationalspieler Merih Demiral beim Torjubel gegen Österreich den Wolfsgruß gezeigt hatte, warnte der Deutsche Lehrerverband (DL) einem Beitrag der „Zeit“ zufolge vor einer Verwechslungsgefahr mit der Geste des Schweigefuchs. DL-Präsident Stefan Düll forderte, Lehrkräfte für die Doppeldeutigkeit zu sensibilisieren und legte ihnen nahe, Rücksicht auf Kinder oder Eltern zu nehmen, „die das Handzeichen problematisch finden“. Es gebe „gute Alternativen, um Kinder zur Ruhe zu bewegen“.
Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), plädiert gegenüber dem Bayerischem Rundfunk (br) für mehr Gelassenheit in der Debatte. Sie sieht sie als Chance, das Thema in der Schule inhaltlich aufzugreifen und die Schüler*innen zur Bedeutung der Geste recherchieren zu lassen. Allerdings mahnt sie: Für ältere Schüler*innen, die mit der Geste provozieren wollen, brauche es klare Grenzen. Im bayerischen Kultusministerium ist laut br ein Vorstoß wie in Bremen derzeit nicht geplant: „Ob und wann der Schweigefuchs oder auch andere Methoden […] eingesetzt werden, entscheidet die Lehrkraft.“ News4teachers
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