HAMBURG. Konferenzen sind ein fester Bestandteil des Schulalltags – und häufig Anlass für Unmut: schier endlose Besprechungen in mitunter großer Runde, die viel Zeit kosten, aber wenige Ergebnisse bringen. Steven Rogelberg, Professor für Organisationspsychologie, erforscht seit über 20 Jahren, was ein erfolgreiches Meeting ausmacht. In einem Interview mit dem „Zeitmagazin“ zeigt er auf, welche Aspekte den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Treffen ausmachen.
„Über Konferenzen kann man vielleicht zwei Dinge festhalten. Erstens: Sie bieten großartige Möglichkeiten für einen Austausch zwischen allen Lehrkräften. Zweitens: Sie sind fast immer und überall gleichermaßen unbeliebt“, schreibt Bob Blume, Lehrer, Podcaster und Autor, auf dem Deutschen Schulportal.
Laut Psychologe Rogelberg sind frustrierende Meetings oft solche, bei denen die Teilnehmer das Gefühl haben, ihre Zeit zu verschwenden. Dies passiert beispielsweise, wenn eine Besprechung für sie nicht relevant ist oder wenn sie keine Möglichkeit haben, sich einzubringen. „Es macht wütend, wenn es zu lange dauert und keinen klaren Moderator gibt, der wirklich eingreift und lenkt“, erklärt Rogelberg. Schlecht organisierte Meetings, die keine konkreten Ergebnisse erzielen, gehören ebenfalls zu den größten Frustrationsfaktoren.
Ein zentraler Unterschied zwischen guten und schlechten Meetings liegt laut Rogelberg in der Rolle des Moderators. Wer die Besprechung leitet, trägt die Verantwortung für die Dynamik und sollte sicherstellen, dass alle Teilnehmer gehört werden. Doch oft sei genau das das Problem: „Wir haben Umfragen durchgeführt unter Menschen, die gerade aus einer Sitzung kommen: Die Leiter finden sie meistens viel besser als die übrigen Teilnehmer.“ Dies liegt daran, dass die Führungskräfte die Kontrolle haben und die Besprechung jederzeit beenden können. Die anderen Teilnehmer hingegen sind fremdbestimmt, was zu Frustration führt. Um dem entgegenzuwirken, sollten sich Moderatoren aktiv bemühen, stille Teilnehmer einzubeziehen, indem sie gezielt Fragen stellen.
„Wenn Sie ein Meeting mit 20 Personen haben, wird das kein Meeting sein, bei dem es zu viel Interaktion kommt“
Die Größe der Gruppe spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Meetings. Rogelberg betont, dass Besprechungen mit mehr als zehn Personen häufig problematisch sind, weil es schwierig wird, alle zu beteiligen. Bei solchen Treffen fehle oft die Interaktion, und es komme zu einseitiger Kommunikation. „Wenn Sie ein Meeting mit 20 Personen haben, wird das kein Meeting sein, bei dem es zu viel Interaktion kommt“, erklärt Rogelberg. „Das ist dann eher ein Rahmen für einseitige Kommunikation.“ In diesen Fällen wäre es oft besser, eine E-Mail zu senden oder eine Ansprache aufzuzeichnen, anstatt ein großes Meeting abzuhalten.
Ein weiteres Problem großer Meetings ist laut Rogelberg, dass sie häufig nicht wirklich inklusive sind, auch wenn dies das erklärte Ziel sein mag. „Solche großen Meetings bringen, so gut die Absichten sein mögen, keine wirkliche Inklusion, sie simulieren sie nur.“ Führungskräfte neigen dazu, viele Menschen einzuladen, um niemanden auszuschließen. Doch dies führt oft dazu, dass die Besprechungen ineffektiv werden. Rogelberg plädiert dafür, die Teilnehmeranzahl bewusst klein zu halten und stattdessen mit jenen, die nicht eingeladen werden, offen zu kommunizieren, warum dies der Fall ist.
Neben der Größe ist auch die soziale Komponente eines Meetings nicht zu unterschätzen. Viele Menschen betrachten Besprechungen als Gelegenheit, sich zu begegnen, gerade in Zeiten von Homeoffice und Videokonferenzen. Doch Rogelberg warnt davor, Meetings nur aus diesem Grund abzuhalten: „Konferenzen abzuhalten, nur damit eine Verbindung zwischen den Menschen entsteht, finde ich albern, und es ist auch schädlich für die Stimmung.“ Stattdessen sei es sinnvoller, sich bei einem Kaffee zu treffen oder gemeinsam Mittag zu essen, um die sozialen Kontakte zu pflegen.
Meetings sind laut Rogelberg eine „Gemeinschaftsleistung“, bei der nicht nur der Moderator, sondern auch die Teilnehmer Verantwortung tragen. „Der Einfluss der Teilnehmer ist groß: Lasse ich die anderen ausreden, greife ich das auf, was gerade gesagt wurde – es geht so weit, dass man sogar als eine Art Schattenmoderator auftreten und an die Kolleginnen appellieren kann: Hey, wir haben nicht mehr viel Zeit, lasst uns zusehen, dass wir jetzt eine Lösung finden.“ Auch die eigene Körpersprache und das Verhalten während des Treffens spielen eine Rolle: Wie sehr lasse ich meiner schlechten Laune freien Lauf, wie sehr zeige ich meine Müdigkeit?
Eine weitere Herausforderung bei Meetings ist die Zeitplanung. Rogelberg betont, dass es wichtig sei, bewusst mit der zur Verfügung stehenden Zeit umzugehen und sich nicht auf die Standardzeitvorgaben im Kalender zu verlassen. „Wenn Sie zum Beispiel glauben, dass Sie 45 Minuten für eine Besprechung brauchen, setzen Sie 40 an“, empfiehlt Rogelberg. Ein gewisser Zeitdruck könne dazu beitragen, dass die Teilnehmer konzentrierter und effektiver arbeiten.
Tagesordnungspunkte sind ebenfalls ein Thema, bei dem Rogelberg eine klare Empfehlung ausspricht: „Man sollte sich vor einer Sitzung unbedingt eine konkrete Agenda überlegen, aber ich empfehle, statt Tagesordnungspunkten lieber Fragen zu formulieren, die beantwortet werden müssen.“ Dies schaffe mehr Dringlichkeit und helfe, den Fokus auf das Wesentliche zu legen.
Ein häufiges Problem bei Meetings ist auch der Umgang mit technischen Geräten. Rogelberg sieht darin ein Symptom für schlechte Besprechungen: „Wenn Menschen auf ihr Handy schauen oder ihren Laptop in die Besprechungen mitbringen, dann betreiben sie in Wahrheit wahrscheinlich Multitasking: eine Art Bewältigungsmechanismus für schlechte Meetings.“ Teilnehmer sollten daher klarstellen, wenn sie Geräte nur zum Mitschreiben nutzen, ansonsten sei es ein Zeichen dafür, dass das Meeting ineffektiv ist.
„Snacks gehören zu den besten Indikatoren für die Zufriedenheit in Meetings“
Die Frage nach hybriden Meetings, bei denen einige Teilnehmer vor Ort und andere virtuell zugeschaltet sind, beantwortet Rogelberg ebenfalls kritisch. „Die Forschung zeigt, dass sie die am wenigsten effektive Möglichkeit sind, zusammenzukommen.“ Wenn nicht alle vor Ort sein können, sei es besser, die gesamte Besprechung virtuell abzuhalten, um ein Ungleichgewicht zwischen den Anwesenden und den Zugeschalteten zu vermeiden.
Snacks sind laut Rogelberg ein unterschätztes Element in Meetings. „Snacks gehören zu den besten Indikatoren für die Zufriedenheit in Meetings“, sagt er. Sie vermitteln den Teilnehmern, dass man sich um ihr Wohlbefinden kümmert, was die Stimmung hebt und zu kreativeren und aufmerksameren Beiträgen führt. Zusammenfassend zeigt Rogelbergs Forschung, dass Meetings dann gut funktionieren, wenn sie klar strukturiert sind, die Teilnehmer sich aktiv einbringen können und die Besprechung zielgerichtet und zeiteffizient abläuft. Durch bewusste Planung und Moderation können viele der typischen Frustrationen vermieden werden, die schlechte Meetings ausmachen.
Einen Punkt sieht Lehrer Blume noch ergänzend: Selbstdisziplin bei den Teilnehmenden. Er stellt fest: „Der letzte Punkt, die Haltung, ist im Grunde der wichtigste, und auch derjenige, der am schwierigsten umzusetzen ist. Denn es geht darum, dass man selbst die Erkenntnis hat, dass man selbst – sagen wir es mit der Metapher – nicht im Stau steht, sondern der Stau ist. Wenn man seinen Satz mit ‚Wie schon gesagt wurde …‘ beginnt, sollte man ihn nicht mehr zu Ende führen. Aber auch kulant sein, wenn das eigene Thema nicht mehr drankommt. Und eben nicht beleidigt, wenn die Zeit eingehalten wird. Das übrigens ist eine wichtige Rolle der Schulleitung, die durchaus schwierig ist. Eben weil zwar klar ist, dass alle nach Hause wollen, aber man keinem vor den Kopf stoßen will.“ News4teachers
Hier geht es zum vollständigen Interview von Rogelberg im “Zeitmagazin”.